Welche Herausforderungen bringt die Energiewende, Frau Delzeit?
Text: Ruth Delzeit
Erneuerbare Energiequellen sollen fossile Brennstoffe ablösen. Welche offenen Fragen bringt das mit sich? Antworten aus den Wirtschafts- und den Umweltwissenschaften.
Erneuerbare Energien gelten als Schlüssel, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und damit die Treibhausgasemissionen zu senken. Untersuchungen, die den gesamten Lebensweg von Energiequellen von ihrer Herstellung bis zur Entsorgung betrachten, zeigen, dass erneuerbare Energien insgesamt umweltfreundlicher sind als fossile Brennstoffe. Dabei werden nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern auch andere Umweltindikatoren wie Wasserverbrauch und -verschmutzung, Biodiversität und der Ressourcenverbrauch berücksichtigt.
Dennoch ist ihr Ausbau nicht ohne Herausforderungen, etwa wenn erneuerbare Energieprojekte mit anderen möglichen Nutzungen der fraglichen Fläche konkurrieren. Dazu zählen beispielsweise Landwirtschaft, Naturschutz oder auch die Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften. Solche Konflikte variieren je nach Energieart und Naturraum. Windparks können die Lebensräume von Tieren stören oder sogar zerstören oder Vogelbestände dezimieren, wenn Vögel mit den sich drehenden Rotorblättern kollidieren.
Weitere negative Umweltauswirkungen sind etwa die Versiegelung zuvor offener Böden durch Zufahrtsstrassen und der Ressourcenverbrauch bei der Herstellung der Windräder. Nicht zuletzt empfinden manche die Windräder als Störfaktor im Landschaftsbild. Fotovoltaikanlagen brauchen relativ viel Fläche, entweder auf bestehender Infrastruktur wie Hausdächern oder auf Freiflächen.
Grosse Potenziale für den Zubau sehen Fachleute auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Hier entstehen jedoch Landnutzungskonflikte, wenn keine gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Eine innovative Lösung stellt die sogenannte Agrifotovoltaik (Agri-PV) dar, bei der dieselbe Fläche für landwirtschaftliche Produktion und Stromerzeugung genutzt wird. Vorteile für die Landwirtschaft bestehen zum Beispiel darin, dass die Anlagen die Pflanzen vor mechanischen Einflüssen wie Starkregen oder vor zu hoher Sonneneinstrahlung schützen.
Allerdings gibt es auch Nachteile, wenn sich Landwirtschaft und PV die Fläche teilen: Zum einen sind die Investitionskosten in solche Agri-PV-Anlagen höher, als wenn sie auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen installiert werden. Zum anderen können landwirtschaftliche Arbeiten aufwendiger werden, sie können die Anlagen beschmutzen oder beschädigen. Fachgruppen erforschen derzeit, wie man diese PV-Anlagen bewirtschaften und gestalten muss, um mögliche Nachteile zu minimieren und den landwirtschaftlichen Ertrag zu maximieren.
Lösungen für Landnutzungskonflikte beim Ausbau der erneuerbaren Energien erfordern eine ganzheitliche Herangehensweise. Dazu gehören erstens sorgfältige Standortbewertungen, um geeignete Flächen auszuwählen. Dabei sollten Umweltauswirkungen sowie ökonomische und soziale Aspekte ebenfalls zum Tragen kommen. Zweitens ist die Einbindung von lokalen Akteuren von grosser Bedeutung. Sie sollten in den Entscheidungsprozess einbezogen und gegebenenfalls an Gewinnen beteiligt werden, um die Akzeptanz von Projekten zu erhöhen.
Während also die Transformation hin zu erneuerbaren Energien einige Herausforderungen birgt, gibt es Lösungsmöglichkeiten, bei deren Umsetzung die Zusammenarbeit von Gesellschaft, Industrie, Landwirtschaft und Politik gefragt ist. Denn Landwirtschaft und Lebensräume werden durch die Folgen des Klimawandels weiter in Bedrängnis geraten, wenn die Energiewende nicht gelingt.
Ruth Delzeit ist Professorin für globale und regionale Landnutzungsänderungen. Sie forscht zu Prozessen des globalen Wandels und ihren Auswirkungen auf die knappe Ressource Land.
Wie ein Absolvent der Universität Basel mit seinem Start-up die Agrivoltaik voranbringen will, lesen Sie hier.
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