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Hüben und drüben. (02/2023)

Spielend zur Karriere.

Text: Béatrice Koch

Welcher Job passt zu mir? Das digitale Spiel «like2be» hilft Jugendlichen, neue Berufe zu entdecken und bekannte besser kennenzulernen.

Illustration des Spiels Like2be
Like2be unterstützt Jugendliche dabei, verschiedene Berufe kennenzulernen und deren Anforderungen mit ihren eigenen Fähigkeiten und Interessen abzugleichen. (Bild: like2be, Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung, Universität Bern)

Die Berufswahl sei ein Prozess, der schon sehr früh beginne, sagt Christopher Keller; er ist Doktorand am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Basel (IBW) mit Forschungsschwerpunkt Serious Games und Game-based Learning im Schulunterricht. «Im Kindesalter orientieren wir uns an den Berufen von Verwandten, Bekannten und weiteren Vorbildern. Zusätzlich werden wir durch die Haltung, die das soziale Umfeld einem Beruf entgegenbringt, beeinflusst: Hat die Tätigkeit ein hohes Ansehen? Wird sie gut entlöhnt? Wer übt diesen Beruf typischerweise aus? All diese Faktoren haben einen Einfluss auf unsere spätere Berufswahl.»

In der Sekundarschule I wird es ernst: Hier stellen die Jugendlichen die Weichen für ihre berufliche Karriere. Eine schlechtere schulische Leistung und mangelnde elterliche Unterstützung schränken die Auswahl ein: «Dann wird aus der Berufswahl vielmehr ein Berufskompromiss», erklärt Keller.

Das wiederum führe häufiger zu Lehrabbrüchen. Stark einschränkend auf die Berufswahl wirken sich zudem die Geschlechterstereotypen aus, die den Jugendlichen von klein auf mitgegeben werden – oft unbewusst.

So haben sich die typischen Traumberufe von Kindern über die Generationen erstaunlich wenig verändert: Mädchen wollen auch heute noch Tierärztin werden, Buben Astronaut oder Feuerwehrmann. Keller betont: «Die Bezeichnungen Feuerwehrmann oder Krankenschwester suggerieren, dass der Beruf nur von Männern beziehungsweise nur von Frauen ausgeübt werden kann.» Solche Stereotypen halten sich hartnäckig und führen dazu, dass nach wie vor mehr junge Männer technische oder handwerkliche Berufe ergreifen, während sich junge Frauen eher für einen sozialen oder musischen Beruf entscheiden.

In der Rolle eines Berufscoachs.

Um die Jugendlichen im Berufswahlprozess zu unterstützen, wurde das Unterrichtsfach «Berufliche Orientierung» in den Lehrplan 21 integriert. Hier setzt like2be an: Das Serious Game – ein Spiel, das nicht nur der Unterhaltung, sondern auch Lernzielen dient – wurde speziell für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I entwickelt.

In dem digitalen Lernspiel schlüpfen sie in die Rolle eines Berufscoachs, müssen Bewerbungsdossiers studieren und den Bewerberinnen und Bewerbern eine passende Arbeits- oder Ausbildungsstelle vermitteln. Dadurch begegnen sie bekannten und weniger bekannten Berufen und erfahren, dass eine berufliche Karriere nicht immer geradlinig verläuft.

Indem sie die Anforderungsprofile für die verschiedenen Berufe studieren, ziehen sie zudem unbewusst Rückschlüsse auf die eigene Person. «Like2be verfolgt drei Ziele», sagt Keller: «Die Jugendlichen sollen ihren Berufswahlhorizont erweitern, kritisch über die eigenen beruflichen Fähigkeiten, Interessen und Wünsche nachdenken und sich mit Geschlechterrollen und der  Geschlechtstypik von Berufen auseinandersetzen.»

Berufswahlhorizont erweitern.

Um die Wirksamkeit von like2be zu überprüfen, führte Christopher Keller am IBW mehrere Studien durch. An der grössten Studie im Jahr 2021 beteiligten sich 809 Sekundarschülerinnen und -schüler aus allen Leistungsniveaus in sechs Deutschschweizer Kantonen, eingeteilt in drei Gruppen: Eine Gruppe verwendete like2be gar nicht, eine zweite spielte das Game ohne Vorgaben. Die dritte Gruppe schliesslich spielte like2be nach methodisch-didaktischen Vorgaben der Lehrpersonen, nutzte zusätzliches Unterrichtsmaterial und vertiefte die Erfahrungen im Unterricht.

Die Studienauswertung habe gezeigt, so Keller, dass das Serious Game die beiden erstgenannten Ziele teilweise erfülle: «Mit like2be erweitern die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen über Berufe und entdecken neue. Auch regt das Spiel die Jugendlichen an, sich zu überlegen, ob bestimmte Berufe zu ihnen passen oder nicht.» Die gewünschte Sensibilisierung für eine geschlechtsneutrale Berufswahl konnten die Forschenden hingegen nicht nachweisen: «Wir vermuten, dass der Einsatz des Tools im Rahmen des Experiments zu kurz war, um geschlechtsstereotype Muster aufzubrechen.»

Klar gezeigt habe die Studie, dass der Lerneffekt durch like2be besonders gross ist, wenn es entlang eines methodisch-didaktischen Unterrichtskonzepts gespielt wird. «Die Erfahrungen der Jugendlichen im Spiel sollten im Unterricht diskutiert und vertieft werden», rät Keller. Zudem führe die Nutzung von zusätzlichem analogem Material zu weit grösseren Lerneffekten, als wenn like2be ohne weitere Anwendungen gespielt werde. Like2be bringt den jungen Menschen aber nicht nur neue Einblicke in die Arbeitswelt, es macht auch einfach Spass: «Die Lernenden haben es gerne gespielt und möchten es auch wieder spielen.»

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