Studieren nördlich der Alpen – zwei Tessinerinnen berichten
Sofia Ballarin und Benedetta Piceni kommen aus dem Tessin und studieren an der Uni Basel. Sie erzählen, warum sie sich dafür entschieden haben, auf welche Hindernisse sie stossen und wo sie Unterstützung finden.
Sie machen nur knapp zwei Prozent aller Studierenden der Uni Basel aus: die Tessiner. Da sei die Frage erlaubt: Wieso verlassen sie das Tessin, um in Basel zu studieren? Benedetta und Sofia schmunzeln. Es ist nicht das erste Mal, dass sie damit konfrontiert werden.
«Basel bietet sehr viel! Man hat ein grosses kulturelles Angebot und gelangt schnell nach Deutschland oder Frankreich. Basel ist ausserdem viel internationaler als das Tessin, das ist toll», sagt Sofia. «Speziell für die Uni Basel habe ich mich aufgrund ihrer Lage und ihres Angebots entschieden. Hier Pharmazie zu studieren, bietet mir später viele berufliche Möglichkeiten. So denken viele Tessiner, die sich für ein naturwissenschaftliches Studium interessieren, weil wir im Tessin einfach nicht dieselben Möglichkeiten haben.»
Als Masterstudentin des Studiengangs Sprache und Kommunikation schätzt Benedetta an der Uni Basel besonders, dass man sich das Studium frei zusammenstellen kann: «Ich kann meine beiden Lieblingsfächer, englische und italienische Sprachwissenschaft, zu gleichen Teilen studieren. Das ist nirgendwo anders möglich!»
Die grösste Hürde? Schwizerdütsch!
Für die meisten Tessiner*innen ist ein Studium «jenseits der Alpen in der Deutschschweiz», wie sie es nennen, ein wichtiger aber nicht immer einfacher Schritt. Denn ist der Gotthard durchquert, erwartet sie bereits der nächste Berg an Schwierigkeiten. Sofia erzählt von ihrem besonders holprigen Start: «Im ersten Semester wurde mir mein Fahrrad geklaut. Ausserdem musste ich zum ersten Mal in meinem Leben in die Notaufnahme. Solche Ereignisse können etwas überfordern. Vor allem, wenn man zum ersten Mal von zu Hause weg ist und diese dann auch noch auf Deutsch bewältigen muss.»
Gerade diese Sprachbarriere ist wohl die grösste Hürde, die es zu überwinden gilt. Dies bestätigt Benedetta: «Es ist schwieriger, sich im Alltag zu integrieren, mit Mitstudierenden in Kontakt zu treten und so auch Freundschaften zu schliessen. Am schwierigsten ist es, wenn jemand Schweizerdeutsch mit mir spricht. Da wir im Gymnasium Hochdeutsch lernen, ist das für mich eine komplett andere Sprache. Das kann manchmal etwas entmutigend sein.»
Auch im Studium kämpfen viele zu Beginn mit der Sprache, da gerade auf Bachelorstufe die meisten Vorlesungen und Seminare auf Deutsch stattfinden. «Die Hauptschwierigkeit in den ersten Semestern besteht darin, zu verstehen was in den Vorlesungen gesagt wird und vor allem zu wissen, ob ich die Informationen so auch richtig verstanden habe. Als ich zu Beginn des Studiums meine Notizen mit Mitstudierenden verglichen habe, schien es manchmal, als hätten wir unterschiedliche Kurse besucht», so Sofia.
In Basel vereint
Beide Studentinnen sind sich einig, dass man sich gerade wegen dieser Sprachbarriere schnell fremd fühlen kann. Dies ist wohl einer der Hauptgründe dafür, warum sich viele Tessinerinnen und Tessiner zusammenschliessen, sei es zum Studieren oder zum Wohnen. Hierbei spielt der studentische Verein «Studenti Ticinesi a Basilea», kurz STAB, eine wichtige Rolle.
Die STAB stellt die Uni Basel an Tessiner Gymnasien vor und kommt so mit Maturand*innen in Kontakt. Entscheiden sich diese für ein Studium in Basel, unterstützt die STAB sie zum Beispiel bei der Wohnungssuche und während ihres gesamten Aufenthaltes in Basel.
«Wir erhalten von der Uni jedes Jahr eine Liste der Erstsemesterstudierenden und kontaktieren diese per E-Mail. Wir haben einen Tessiner WhatsApp-Gruppenchat, in dem sie sich vorstellen, mit älteren Studierenden austauschen und vor allem vor Studienbeginn andere finden können, die das gleiche Studium gewählt haben», erklärt Benedetta. Am Semesteranfang organisiert die STAB jeweils ein Treffen mit allen Mitgliedern und heisst so die «Neuankömmlinge» willkommen. «Dieser Event ist immer sehr beliebt bei allen», so Benedetta.
Sie und Sofia sind seit Kurzem Teil des STAB-Vorstands, um neue Leute kennenzulernen. «Das Ziel der STAB ist es, einen Ort der Begegnung zu erschaffen, Leute von anderen Fakultäten zu treffen die auch Italienisch sprechen, aber mit denen du im Studienalltag nichts zu tun hast. Wir tauschen uns über alltägliche Probleme aus wie in einer grossen Familie», sagt Benedetta schmunzelnd.
Wenn die beiden das Bedürfnis nach etwas dolce far niente verspüren, ziehen sie es vor, an den Rhein zu gehen und den Abend am Wasser in Gesellschaft vieler junger Leute bei einem Apéro ausklingen zu lassen. In dieser Hinsicht spielt es keine Rolle, ob man im Tessin oder in Basel ist.