Intro "Silvia Meyer"","00:00:00:00","00:00:31:18","Man streitet nur mit Menschen grundsätzlich, mit denen man auch in Beziehung ist. Es ist immer auch ein positives Zeichen, wenn man mit jemandem streitet, weil die Person einem dann genügend wichtig ist, dass man sich überhaupt streitet. Wir lernen am Modell. Wir lernen, wie unsere Eltern streiten und wir lernen auch, wie unsere Eltern sich versöhnen. Und dann lernen wir, wie wir mit unseren Eltern streiten, wie sie mit uns umgehen." "Silvia Meyer","00:00:31:20","00:00:44:02","Ein Streit ist nie ganz fertig, wenn es nicht ein Abschluss gibt oder eine Versöhnung." "Catherine Weyer","00:00:44:04","00:01:13:12","Hallo und herzlich willkommen bei Unisonar, dem Wissens-Podcast der Universität Basel. Mein Name ist Catherine Weyer. Kinder, die sich um einen Ball streiten. Paare, die sich fetzen und trennen. Nachbarschaftsstreits, die vor Gericht landen, bis hin zu ganzen Nationen, die gegeneinander Krieg führen. Streit gibt es überall. Im besten Fall schaffen wir es, uns wieder zu vertragen. In den fünf Folgen dieser Staffel schauen wir uns mit Expertinnen der Universität Basel fünf Forschungsfelder an, die sich mit Streit und Versöhnung befassen." "Catherine Weyer","00:01:13:14","00:01:35:14","Und heute dreht sich alles um die Frage, was es mit uns macht, wenn wir uns streiten. Mir gegenüber sitzt Silvia Meyer. Sie ist Psychologin am Zentrum für Entwicklung- und Persönlichkeitspsychologie und leitende Psychologin im Kompetenzzentrum für Schulabsentismus. Sie befasst sich mit den Themen kognitive Begabung, Selbstwert und Motivation. Frau Meyer, herzlich willkommen!" "Silvia Meyer","00:01:35:16","00:01:37:12","Hallo!" "Catherine Weyer","00:01:37:14","00:01:51:21","Wir sprechen darüber, wie wir lernen zu streiten, weshalb eine Versöhnung je nach Lebenssituation unterschiedlich wichtig ist und weshalb man dem Frieden zuliebe eher nicht auf einen Streit verzichten sollte. Frau Meyer, streiten Sie sich oft?" "Silvia Meyer","00:01:51:23","00:02:15:04","Ich finde das eine sehr spannende Frage, weil ich mich natürlich als erstes frage: Was ist für Sie oft? Allgemein würde ich aber sagen, dass ich gerade in einer Entwicklungsphase bin, die eher streitärmer ist, weil ich bin aus dem Jugendalter definitiv raus und vielleicht auch noch nicht in einer Phase, wo ich eigene Teenager habe, mit denen ich mich streiten kann." "Catherine Weyer","00:02:15:06","00:02:17:11","Streiten Sie denn gerne?" "Silvia Meyer","00:02:17:13","00:02:37:00","Nein, überhaupt nicht. Um ehrlich zu sein, ich bin persönlich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch, der Streiten sehr anstrengend findet. Auch wenn ich natürlich rational weiss, dass Streits eine sehr wichtige Funktion haben, ist es dennoch nicht meine Lieblingsaktivität." "Catherine Weyer","00:02:37:02","00:02:43:08","Es ist ja manchmal noch schwierig zu sagen: Ist es jetzt ein Streit oder sind wir noch in einer Diskussion? Wo würden Sie da die Grenze ziehen?" "Silvia Meyer","00:02:43:10","00:03:15:22","Wenn man sich seine ursprüngliche Definition aus dem Grimm-Wörterbuch anschaut, dann ist Streit eigentlich eine Zusammenfassung von verschiedenen Arten, Diskussionen und Auseinandersetzungen zu führen. Also könnte man Diskussionen als einen Unterbegriff von Streit verstehen. Ich würde aber sagen, so im Alltäglichen differenzieren wir sehr stark zwischen einem Streit, den wir eher negativ behaften und einer Diskussion, die eher so einen konstruktiven Charakter hat." "Catherine Weyer","00:03:15:24","00:03:19:19","Also dann kann eine Diskussion irgendwann auch kippen und in einem Streit landen." "Silvia Meyer","00:03:19:21","00:03:21:21","Genau." "Catherine Weyer","00:03:21:23","00:03:31:04","Sie haben als Psychologin täglich mit Streitereien innerhalb von Familien oder auch zwischen Freund*innen und Paaren zu tun. Was sind denn so die klassischen Streitthemen?" "Silvia Meyer","00:03:31:06","00:04:01:12","Es geht viel um alltägliche Themen und es gibt leichte Unterschiede. Bei den Streits zwischen Kindern und Eltern geht es häufig um die Schule oder um Aufgaben im Haushalt genauso wie bei Paaren. Da geht es auch häufig um die Verteilung von Aufgaben und auch um die Kommunikation. Und bei den Jugendlichen geht es dann häufig auch um das grosse Thema der Verantwortung und die Übernahme der Verantwortung und die Ablösung von den Eltern." "Silvia Meyer","00:04:01:14","00:04:16:07","Was aber alle gemeinsam haben, ist eben, dass irgendein Bedürfnis die darunterliegende Ursache ist des Streits. Und häufig sind es Bedürfnisse, die sich nicht miteinander gut vertragen." "Catherine Weyer","00:04:16:09","00:04:17:10","Also zum Beispiel?" "Silvia Meyer","00:04:17:12","00:04:37:00","Also zum Beispiel, wenn ein Jugendlicher, eine Jugendliche, ein sehr starkes Bedürfnis nach Autonomie hat und Eltern sich viele Sorgen machen und deswegen ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle haben. Und das sind zwei Bedürfnisse, die nur sehr schwer auf eine Ebene zu bringen sind." "Catherine Weyer","00:04:37:02","00:04:44:17","Wie wichtig ist es eigentlich für eine Beziehung, sei es jetzt zwischen Kind und Eltern oder unterhalb der Geschwister oder auch Freunden, dass gestritten wird?" "Silvia Meyer","00:04:44:19","00:05:30:07","Es ist ein wichtiger Teil eines Beziehungsaufbaus. Man streitet nur mit Menschen grundsätzlich, mit denen man auch in Beziehung ist. Es ist immer auch ein positives Zeichen, wenn man mit jemandem streitet, weil die Person einem dann genügend wichtig ist, dass man sich überhaupt streitet. Personen, die uns ganz fremd sind, denen gehen wir einfach aus dem Weg. Und Streit kommt dann, wenn eine Beziehung schon da ist oder wenn eine Beziehung aufrechterhalten werden möchte, weil es viel damit zu tun hat, wie wir Beziehungen definieren, wie sich Beziehungen verändern und wie wir dann darauf eingehen, dass sie sich verändern, wie wir damit umgehen mit den Veränderungen." "Silvia Meyer","00:05:30:07","00:05:35:11","Und es hat viel damit zu tun, immer Dinge neu auszuhandeln." "Catherine Weyer","00:05:35:13","00:05:47:24","Aber dennoch ist es ja nicht wirklich gesellschaftlich akzeptiert, dass wir uns streiten. Also wir hören das ja schon als Kinder von unseren Eltern Hört jetzt auf zu streiten. Eigentlich sollte man die Kinder ja motivieren, dass sie sich miteinander auseinandersetzen." "Silvia Meyer","00:05:48:01","00:06:31:04","Ja genau. Gesellschaftlich gesehen hat Streit einen sehr negativ behaftetes Image sozusagen. Das ist häufig auch so, weil man Streit schnell assoziiert mit Gewalt, mit Eskalation, mit etwas sehr Destruktivem. Und das kann es auch sein, wenn es nicht zu einer konstruktiven Lösung kommt bei einem Streit. Und deswegen ist es so wichtig, da eine Balance zu finden, weil Streitsituationen sind Situationen, wo wir lernen oder wo gerade Kinder und Jugendliche lernen, wie man mit nicht gleichen Meinungen oder mit unterschiedlichen Bedürfnissen in Beziehungen umgehen kann." "Silvia Meyer","00:06:31:06","00:06:47:07","Sie lernen auch soziale Kompetenzen, emotionale Kompetenzen. Sie lernen, Bedürfnisse von sich selbst und auch vom Gegenüber zu erkennen und zu kommunizieren, wahrzunehmen. Das sind alles wichtige Funktionen für die weitere Entwicklung." "Catherine Weyer","00:06:47:09","00:06:54:10","Haben wir eigentlich immer das Ziel, einen Streit zu gewinnen? Und wer entscheidet denn genau, wer gewonnen hat?" "Silvia Meyer","00:06:54:12","00:07:33:19","Wenn es ein grosses Machtgefälle gibt im Streit, dann haben wir wahrscheinlich auch historisch bedingt schon häufig das Gefühl, dass wir gewinnen müssen. Also zum Beispiel häufig bei Eltern mit ihren Kindern. Sie haben das Gefühl, sie müssen den Streit gewinnen. Und mit Gewinnen ist wahrscheinlich häufig gemeint, dass man seinen Standpunkt durchsetzen möchte. Und spannend ist es aber wirklich: Wer gewinnt? Weil wir wissen: Gewinnen in einem Streit ist sehr schwierig." "Silvia Meyer","00:07:33:21","00:07:55:05","Und eigentlich ist ein guter Abschluss eines Streits, wenn man eine Lösung findet, wie beide Bedürfnisse in irgendeiner Form erfüllt werden können. Und deswegen würde ich sagen Gewinnen hat mehr etwas damit zu tun: Werden meine Bedürfnisse erfüllt." "Catherine Weyer","00:07:55:07","00:08:02:01","Damit wir jetzt nicht in der Theorie bleiben? Schauen wir uns doch drei Beispiele an, die Sie uns mitgebracht haben. Wir fangen an mit Lena." "Einsprecher","00:08:02:03","00:08:27:10","Die 16-jährige Lena hat von ihren Eltern die Erlaubnis bekommen, mit einer Freundin auf eine Feier zu gehen. Unter der Bedingung, dass Lena spätestens um 1:00 nachts wieder zu Hause ist. Die Eltern gehen an diesem Abend ebenfalls weg und kommen um 1:30 zurück. Lena ist noch nicht zu Hause. Als die Eltern Lena nach mehreren Versuchen telefonisch erreichen, ist sie noch immer auf der Feier und sagt, sie habe die Zeit vergessen." "Einsprecher","00:08:27:12","00:08:48:21","Die Eltern holen sie daraufhin von der Feier ab. Im Auto bricht ein grosser Streit aus. Lenas Eltern sagen ihr, dass sie enttäuscht sind und geben ihr für die kommenden zwei Wochen ein Ausgehverbot. Lena fühlt sich ungerecht behandelt. Sie zieht sich in dieser Zeit in ihr Zimmer zurück und spricht überhaupt nicht mehr mit ihren Eltern." "Catherine Weyer","00:08:48:23","00:08:53:01","Haben Lenas Eltern in dieser Situation gut reagiert?" "Silvia Meyer","00:08:53:03","00:09:20:13","Was die Eltern von Lena gemacht haben, ist: Sie haben eine Konsequenz aufgrund eines Regelbruchs eingesetzt. Und das ist grundsätzlich etwas Gutes. Im Jugendalter ist es allerdings so, dass es eine Entwicklungsaufgabe ist, dass man mehr Autonomie entwickelt und dass man sich mehr von den Eltern ablöst. Das heisst, es ist eigentlich empfehlenswert, Jugendliche bei der Setzung von Grenzen und Regelungen sehr stark mit einzubeziehen." "Silvia Meyer","00:09:20:18","00:09:52:00","Das heisst nicht, dass die Eltern die Verantwortung ganz loslassen müssen. Überhaupt nicht. Man ist immer in dieser Balance zwischen Schutz und Freiraum. Wir wissen jetzt hier nicht, wie gemeinsam diese Nach-Hause-geh-Zeit vereinbart wurde. Es hört sich aber schon an, dass es einen Diskurs gegeben hat und dass man sich geeinigt hat auf diese Zeit. Und damit haben sie Lena einen Teil der Verantwortung abgegeben, in dem dass sie gesagt haben Ja, du darfst gehen." "Silvia Meyer","00:09:52:01","00:10:18:23","Deine Verantwortung ist es aber, rechtzeitig zurück zu sein. Und das ist eigentlich sehr gut. Was jetzt passiert, dass Lenas Eltern ihr sagen, dass sie enttäuscht von ihr sind. Und da liegt der Teufel etwas im Detail, weil Aussagen zu enttäuscht sein, immer recht schwierig sind in der Beziehung mit Jugendlichen. Jugendliche sind in einer Phase, wo sie eher labil sind." "Silvia Meyer","00:10:18:24","00:10:52:11","Sie haben ein instabiles Selbstwertkonzept-Gefühl. Sie haben sehr viele Emotionen, die gleichzeitig hochkommen und Worte verletzen sie in diesem Alter sehr stark. Und seine Eltern zu enttäuschen will wirklich niemand, auch kein Jugendlicher, auch wenn sie das Gegenteil behaupten, das wollen sie nicht. Und deswegen ist es ganz wichtig, in der Kommunikation darauf zu achten, dass man das Verhalten, der Regelbruch, von den Gefühlen trennt, die man als Eltern gegenüber den Kindern und auch den Jugendlichen hat." "Catherine Weyer","00:10:52:13","00:11:04:12","Also jetzt in diesem Fall, dass man eher gesagt hätte: Wir haben uns Sorgen gemacht und wir wussten nicht, wo du bist und dass man, dass man es zu sich selber nimmt und nicht quasi die Schuld an das Kind abgibt." "Silvia Meyer","00:11:04:14","00:11:27:09","Genau. Sie haben da noch, Sie sind noch einen Schritt weitergegangen und haben erkannt, dass ein wichtiger Teil ist, dass man ein bisschen von der rationalen Ebene herunterkommt, in die man als Erwachsene sehr schnell fällt und auf diese emotionale Ebene kommt und erklärt: Es geht darum, dass wir uns Sorgen gemacht haben, weil wir nicht gewusst haben, wo du bist. Es hätte dir auch etwas passieren können." "Silvia Meyer","00:11:27:11","00:11:51:16","Das besorgt uns. Das ist die emotionale Ebene. Was häufig passiert, ist, dass Eltern in die rationale Ebene fallen und sagen: Du hast dich nicht an die Regeln gehalten. Und das führt häufig zu einem starken Konflikt, weil die Perspektiven-Übernahme auf beiden Seiten dann nur schwer erfolgen kann. Für die Jugendlichen wirkt es dann so, als wäre es starres auf Regeln Beharren der Eltern." "Silvia Meyer","00:11:51:18","00:11:57:06","Und für die Eltern wirkt es einfach, als wären die Jugendlichen unvernünftig." "Catherine Weyer","00:11:57:08","00:12:03:10","Ist es für Sie jetzt auch ein logischer Schritt, dass sich Lena dann der Diskussion verweigert in den nächsten zwei Wochen?" "Silvia Meyer","00:12:03:12","00:12:40:23","Ja, aus mehreren Gründen. Einerseits ist es bei Jugendlichen tatsächlich einfach auch so, dass sie sich mehr zurückziehen und dass sie auch mehr Raum für sich brauchen. Das liegt unter anderem auch daran, dass sie mitten in ihrer Identität Entwicklung sind und sich selbst ein Bild machen müssen, wer will ich eigentlich sein? Auf der anderen Seite wirkt es hier auch ein bisschen, als ob Lena ihre Eltern bestrafen wolle, weil sie nicht einverstanden ist mit der Konsequenz und dann nicht mehr mit ihren Eltern spricht." "Silvia Meyer","00:12:40:23","00:13:12:07","Und tatsächlich ist es für viele Eltern wahnsinnig schwierig, so etwas auszuhalten, weil es sich wie ein Beziehungsabbruch anfühlt. Und deswegen gilt auch hier wieder, die Mitte zu finden. Die Eltern von Lena müssen lernen, auch negative Gefühle von Lena aushalten zu können, weil diese normal sind für diese Entwicklungsphase. Sie braucht das für ihre weitere Entwicklung, dass sie auch mal ausrastet, dass sie wütend ist, das gehört dazu." "Silvia Meyer","00:13:12:09","00:13:29:20","Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass sie ihr verbalisieren, was das mit ihnen macht. Denn nur so lernt Lena auch die Perspektive ihrer Eltern mit einzubeziehen. Dass es eben nicht einfach ist, wenn man sich dem Diskurs komplett verweigert." "Catherine Weyer","00:13:29:22","00:13:54:23","Wie schwierig ist es in dieser Situation – also, wir haben die Eltern, die ja quasi in der Hierarchie höher stehen, weil sie Sanktionen aussprechen können. Und wahrscheinlich sind sie jetzt auch sprachlich eloquenter in einer Diskussion und können da Lena jetzt mit Worten bombardieren, wo sie vielleicht auch nicht so schnell eine Antwort darauf hat. Wie schwierig ist das für eine Diskussion bzw. einen Streit, wenn man so unterschiedliche Hierarchien drin hat?" "Silvia Meyer","00:13:55:00","00:14:32:02","Das ist ganz schwierig. Machtgefälle macht es immer schwieriger, Bedürfnisse auf einen gemeinsamen Nenner zu bekommen. Häufig ist es auch schon so, dass wir gesellschaftlich so geprägt sind, dass wir in diesen Machtstrukturen denken, dass wir auch über Generationen auch das Gefühl haben, wir als Eltern müssen den Streit gewinnen. Ansonsten verlieren wir unser Gesicht oder unsere Anerkennung als Eltern. Und das ist ein ganz schwieriges Thema, weil natürlich Jugendliche genau das in dieser Phase auch wollen." "Silvia Meyer","00:14:32:03","00:15:01:00","Sie wollen auch Autonomie und sie wollen eigentlich auch wahrgenommen werden als Erwachsene. Und in gewissen Situationen merken sie, dass ihnen das gelingt, dass sie schon Verantwortung übernehmen können wie Erwachsene und in gewissen Situationen merken sie, dass sie das noch nicht können. Die Gehirnentwicklung ist schlussendlich auch noch nicht ausgereift, noch nicht abgeschlossen. Es gibt viele Hürden, auch von physischer Seite, und da es auszuhalten ist wahnsinnig frustrierend." "Catherine Weyer","00:15:01:02","00:15:03:19","Wie sollen da die Eltern darauf reagieren?" "Silvia Meyer","00:15:03:21","00:15:37:12","Wichtig ist, einfach darüber zu sprechen und wirklich diese Perspektive einzunehmen. Viele Eltern vergessen in diesen Situationen, wie sie selbst waren als Jugendliche und vergessen dabei auch häufig, wie die Interaktion zwischen ihnen und ihren Eltern abgelaufen sind. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass Eltern bedenken, dass sie immer aus Perspektive eines Erwachsenen schauen und aus einer Person, die diese Entwicklungsphase schon überstanden hat." "Silvia Meyer","00:15:37:14","00:16:06:01","Und da ist es häufig hilfreich, einen Schritt zurück zu gehen und nicht vorweg zu nehmen: Ja, du bist jetzt einfach in dieser Phase oder es wird dann besser oder das ist doch nicht so schlimm, weil es in dieser Situation wirklich schlimm ist und weil man diese Erfahrung den Kindern nicht einfach aufzeigen kann, sondern sie müssen diese wirklich selbst erleben." "Catherine Weyer","00:16:06:03","00:16:12:17","Wir gehen jetzt weg von Lena und schauen uns eine andere typische Streitkonstellation an, nämlich unter Geschwistern." "Einsprecher","00:16:12:19","00:16:32:20","Max spielt mit seinem neuen Lego-Feuerwehrauto, das er zu seinem sechsten Geburtstag bekommen hat. Die letzten Tage legt er es nicht mehr aus der Hand. Plötzlich kommt seine kleine Schwester Lisa und versucht, ihm das Auto aus der Hand zu reissen. Max wehrt sich. Dabei fällt das Auto auseinander. Da wird er wütend und schlägt seine Schwester heftig auf die Hand." "Einsprecher","00:16:32:22","00:16:35:15","Lisa rennt weinend zu ihrer Mutter." "Catherine Weyer","00:16:35:17","00:16:39:00","Wieso haben Sie diese Streitsituationen mitgebracht für das Gespräch?" "Silvia Meyer","00:16:39:02","00:17:14:09","Es ist sehr typisch, dass es bei Geschwisterstreit um Rivalität geht und meist um die Rivalität der Aufmerksamkeit. Und häufig ist es auch so, dass die Ursache bei Geschwisterstreits falsch wahrgenommen wird. Man könnte jetzt meinen okay, es geht darum, dass sie das Feuerwehrauto weggenommen hat, dass er sie geschlagen hat, aber die wirkliche Ursache dieses Streits ist auf der Bedürfnisebene zu suchen." "Silvia Meyer","00:17:14:11","00:17:44:17","In diesem Streit wird klar, dass die jüngere Schwester merkt, dass ihr Bruder keine Zeit hat für sie und dass er einem Spielzeug, das er bekommen hat, sehr viel Aufmerksamkeit schenkt. Eine Aufmerksamkeit, die sie nicht teilen kann mit ihm. Und ihre einzige Strategie in ihrem Alter ist dann, das Spielzeug wegzunehmen, weil es so wirkt, als ob das Spielzeug der Ursprung des Bösen wäre." "Silvia Meyer","00:17:44:19","00:18:16:08","Und er reagiert genauso heftig, weil es sein Spielzeug ist, weil es ein Eingriff in seine Privatsphäre ist und weil sie etwas wegnimmt, das ihm offensichtlich sehr viel bedeutet. Und eigentlich geht es wirklich mehr um diese Bedürfnisebene. Und es ist ein klassisches Beispiel, wie Kinder miteinander streiten und wie Kinder vor allem bei Geschwistern häufig auch dann versuchen, die Eltern in den Streit mit einzubeziehen." "Catherine Weyer","00:18:16:10","00:18:29:00","Lisa rennt zu ihrer Mutter und sagt Max hat mich geschlagen. Die Mutter rennt zurück und sagt Max, dass er sie nicht hauen darf. Ist das die richtige Reaktion?" "Silvia Meyer","00:18:29:02","00:19:03:16","Wenn immer möglich, ist es hilfreich, wenn Eltern sich nicht in die Streit zwischen Geschwistern einmischen, weil es eine wichtige Lernumgebung ist und Kinder so lernen, Konflikte auszutragen und sozial emotionale Kompetenzen fördern und die Beziehung zwischen ihnen stärken. Sobald ein Erwachsener involviert wird, nimmt man ihnen ein bisschen diese Möglichkeit, dass sie eine Selbstwirksamkeit entwickeln können, dass sie selbstständig Konflikte lösen können." "Silvia Meyer","00:19:03:18","00:19:35:02","Und das ist im Verlauf für ihre Entwicklung eher problematisch, weil die Selbstwirksamkeit ein Kern ist, auch ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln und auch in Beziehungen funktionieren zu können. Wir haben als Eltern natürlich in erster Linie die Aufgabe, unsere Kinder auch zu schützen. Und wenn es wirklich gefährlich wird, geht es natürlich nicht, dass wir den Kindern sagen: Ja, tragt das untereinander aus, sondern dann muss man eingreifen." "Silvia Meyer","00:19:35:04","00:20:09:07","Dann ist es einfach wichtig, dass man nicht direkt vorwegnimmt, dass es einen Schuldigen möglicherweise gibt in diesem Streit, sondern dass man versucht, in erster Linie die Kinder zu schützen und einfach dafür zu sorgen, dass beide sicher bleiben und dann eher eine moderierende Rolle einnimmt. Und vielleicht mit den Kindern eher in Form von Fragen herausarbeitet, was da genau los war und wer was gefühlt hat." "Catherine Weyer","00:20:09:09","00:20:14:18","Und nicht einfach sagen: Max, du bist doch der Grosse, jetzt gib deiner Schwester einfach das Feuerwehrauto." "Silvia Meyer","00:20:14:20","00:20:46:15","Ja, das insbesondere, weil wir häufig ja das Gefühl haben. Und das hat natürlich auch evolutionsbiologischen Ursprung, dass wir versuchen, die Kleineren zu schützen stärker, die auch Schutzbedürftige sind in vielen Situationen. Solche Situationen fördern aber die Rivalität zwischen Geschwistern, fördern auch Eifersuchtsszenarien und sind deswegen wenig förderlich, um Streits zu lösen." "Catherine Weyer","00:20:46:17","00:20:53:02","Beim dritten Beispiel verlassen wir jetzt die familiäre Situation und schauen uns einen Streit zwischen zwei Freundinnen an." "Einsprecher","00:20:53:04","00:21:15:15","Seit dem Kindergarten sind Anna und Paula beste Freundinnen. Mittlerweile sind die beiden 13 Jahre alt. In der letzten Zeit verbringt Paula immer mehr Zeit mit Simone. Und wenn Anna und Paula sich verabreden, kommt Simone häufig dazu. An einem Wochenende fragt Anna Paula, ob sie mit ihr ins Kino gehen möchte. Paula antwortet, dass sie keine Zeit habe, weil sie mit ihren Eltern irgendwo hin müsse." "Einsprecher","00:21:15:17","00:21:40:23","Als Anna am Wochenende mit ihrer Mutter in die Stadt fährt, begegnen sie Paula und Simone. Daraufhin läuft Anna weinend weg. Sie schreibt Paula noch an dem Abend eine Nachricht, wie enttäuscht und wütend sie sei. Paula sagt, dass sie sich nur von Anna distanziert habe, weil die Simone nicht nett behandeln und hinter ihrem Rücken über sie lästern würde. Die beiden streiten sich über WhatsApp, in der Schule, gehen sie einander aus dem Weg." "Catherine Weyer","00:21:41:00","00:21:53:04","Wenn ich mir jetzt diese Situation so anhöre, denke ich mir: Na ja, das ist ein kleiner Streit, nicht der Rede wert. Die werden sich sicher schnell vertragen. Wie sieht es aus der Perspektive von Paula und Anna aus?" "Silvia Meyer","00:21:53:06","00:22:30:07","Sie machen diese Beobachtung aus der Perspektive eines Erwachsenen und aus der Perspektive eines sicher gebundenen Erwachsenen, der weiss, dass Streits in Beziehungen dazugehören und dass Beziehungen Streit auch überleben, sozusagen. Jugendliche sind da in einer ganz anderen Phase oder auch Kinder. Und es kommt immer ein bisschen darauf an, wie viele vorherige Erfahrungen wir schon gemacht haben, dass wir diese Sicherheit entwickeln können, dass Freundschaften solche Streits und Auseinandersetzungen überleben können." "Silvia Meyer","00:22:30:09","00:22:45:17","Und das dauert etwas. Wir brauchen einige Erfahrungen, die uns das zeigen, die uns darin bestärken. Ja, man kann sich total in die Haare kriegen und sich dann irgendwann wieder vertragen. Und die Freundschaft kann weitergehen." "Catherine Weyer","00:22:45:19","00:23:01:21","In diesem Fall sagt ja Paula, dass Anna unfair ist gegenüber Simone und lästert. Ist es typisch, dass sie das erst in Streitsituationen sagt und nicht einfach mal, wenn die beiden am Rhein entlanglaufen. So: Hey, ich finde es nicht nett, wie du mit Simone umgehst." "Silvia Meyer","00:23:01:23","00:23:31:19","Ja, auf jeden Fall. Das sind diese sozial emotionalen Kompetenzen, die sich wie immer noch am Entwickeln sind. Und dieses sehr proaktive ist schon etwas, was eher so einen Erwachsenencharakter hat und was man zuerst lernen muss in Situationen. Es ist häufig so, dass diese Geschichten immer in einem blöden Moment dann irgendwie ans Licht kommen und dass dies die Streits dann auch immer noch sehr stark verstärkt." "Silvia Meyer","00:23:31:21","00:24:07:19","Was ich aber auch so ein bisschen in meiner Erfahrung durchzieht, sind diese Loyalitätsfragen, die man sich stellt. Auch weil im Jugendalter ist es eigentlich die Entwicklungsaufgabe, dass man engere soziale Beziehungen aufbaut und sich Freundschaften dann auch verstärken, vertiefen. Und da ist es genauso heikel, dann diese Auswahl zu treffen Wem kann ich vertrauen? Wer tut mir gut und wer nicht?" "Catherine Weyer","00:24:07:21","00:24:18:23","Welche Rolle spielt es, dass dieser Streit in grossen Teilen schriftlich stattfindet? Dass sich die beiden nicht gegenüberstehen, sondern über WhatsApp hin und her streiten?" "Silvia Meyer","00:24:19:00","00:24:52:08","Das spielt sicherlich eine grosse Rolle. Ich glaube, viel hat sich dadurch auch verändert, dass tatsächlich viel Kommunikation online stattfindet. Das bringt eine gewisse Anonymität mit sich. Dadurch getraut man sich auch eher, härtere Worte vielleicht zu wählen. Man kann sich ja einen Text zurechtlegen. Das sind alles Dinge, die man im persönlichen Gespräch viel schlechter kann, auch wenn man sich gut vorbereitet und deswegen hat es so ein bisschen Vor- und Nachteile." "Silvia Meyer","00:24:52:11","00:25:24:12","Ein grosser Vorteil ist, dass man sich vielleicht eher getraut, Dinge anzusprechen oder anzuschreiben, die man sonst nicht ansprechen würde, weil man sich einfach nicht getraut. Auf der anderen Seite fehlen die Möglichkeiten, diese sozial-emotionalen Kompetenzen zu trainieren, weil es eher weniger zu den persönlichen Auseinandersetzungen und Gesprächen kommt, weil man die Reaktionen des Gegenübers nicht sieht, weil man keine Mimik lesen kann." "Silvia Meyer","00:25:24:12","00:25:41:10","Weil man auch in Texten nur schwer herauslesen kann, welche Gefühle da im Spiel sind und das einfach viel mehr Spielraum nachher für sich Sorgen machen, Gedanken gibt." "Catherine Weyer","00:25:41:12","00:25:48:10","Wenn jetzt Anna zu Ihnen kommt und Ihnen von dieser Streitsituationen erzählt, was würden Sie ihr raten?" "Silvia Meyer","00:25:48:12","00:26:16:23","Ich würde in erster Linie mit ihr reflektieren, wie sie sich in dieser Situation gefühlt hat und was sie sich gewünscht hätte. Das, finde ich, ist immer der erste Schritt und auch, was das für sie für eine Bedeutung hat und auch vielleicht für einen Einfluss auf ihr Selbstwertgefühl, weil häufig Kinder und Jugendliche viel, was mit Ablehnung und Streit zu tun hat, auf sich selbst beziehen." "Silvia Meyer","00:26:17:00","00:26:53:00","Und dann würde ich in einem nächsten Schritt mit ihr anschauen, was sie denn für Hypothesen hat, wie sich Paula gefühlt hat in dieser Situation und wieso dass sie sich vielleicht so verhalten hat. Ich würde ihr vielleicht auch helfen mit Möglichkeiten und gleichzeitig ihr aufzeigen, dass das eben nicht dazu führt, dass es vielleicht jetzt plötzlich okay war, wie sich Paula verhalten hat, aber dass es vielleicht hilft, die Perspektive einzunehmen und so eher wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen." "Silvia Meyer","00:26:53:02","00:27:31:09","Wenn Anna aber eher ängstlich ist und vielleicht auch schon negative Erfahrungen gemacht hat und vielleicht auch Vertrauensschwierigkeiten hat, dann ist es so, dass sie vielleicht eher oder lieber den Weg des Beziehungsabbruchs wählt oder schneller diesen Weg wählt und dann versuche ich einfach gut mit ihr zu reflektieren, wieso sie diesen Weg wählt. Und was das mit ihren eigenen Anteilen vielleicht auch zu tun hat und wie sie in nächsten ähnlichen Situationen dann vielleicht mit solchen Situationen umgehen kann." "Catherine Weyer","00:27:31:11","00:27:34:10","Können Jugendliche eigentlich gut verzeihen?" "Silvia Meyer","00:27:34:12","00:28:11:08","Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn ich mit ängstlichen Jugendlichen, unsicheren Jugendlichen zusammenarbeite, dass die sehr oft gar nicht gut verzeihen können, weil sie eben das sehr persönlich nehmen als sehr stark verletzend empfinden und dann schnell in diese Schutzhaltung gehen und diese Beziehungsabbrüche wählen. Das hat aber ehrlich gesagt auch viel damit zu tun, was für Vorbilder wir in unserem Leben haben und wie zum Beispiel auch Erwachsene mit Verletzungen umgehen und wie diese verzeihen." "Catherine Weyer","00:28:11:10","00:28:16:04","Also die erste Prägung, wie wir streiten und uns versöhnen, die kommt von unseren Eltern." "Silvia Meyer","00:28:16:06","00:28:43:22","Auf jeden Fall. Genau. Wir lernen am Modell. Wir lernen, wie unsere Eltern streiten und wir lernen auch, wie unsere Eltern sich versöhnen. Und dann lernen wir, wie wir mit unseren Eltern streiten, wie sie mit uns umgehen. Das ist wie so unsere Basis an Strategien, die wir haben. Dann entwickeln wir selbst in dem, dass wir auch Peers beobachten oder andere Bezugspersonen, in dem, dass wir eigene Erfahrungen sammeln." "Silvia Meyer","00:28:43:23","00:28:48:10","Aber es ist auf jeden Fall die Basis an Strategien, die wir mitbekommen." "Catherine Weyer","00:28:48:12","00:28:58:08","Und bedeutet das, wenn ich schaue, wie meine Eltern sich streiten, dann weiss ich, wie ich mich in 20 Jahren streiten werde. Oder habe ich da doch noch ein bisschen Spielraum, dass ich mich anders entwickeln kann?" "Silvia Meyer","00:28:58:10","00:29:33:24","Da kann ich Sie beruhigen. Sie haben da auf jeden Fall noch ein bisschen Spielraum. Aber es ist schon so, dass uns das prägt und bei vielen Personen führt es dazu, dass wir entweder ziemlich ähnlich sind in gewissen Verhaltensweisen oder dass wir uns ganz, ganz viel Mühe geben, anders zu sein und uns anders verhalten. Dennoch passiert es besonders in Stresssituationen häufig, dass wir da zurückfallen in Muster, die für uns automatisiert sind." "Silvia Meyer","00:29:34:01","00:29:38:19","Und das sind häufig die, die wir aus unserer Kindheit auch kennen." "Catherine Weyer","00:29:38:21","00:29:48:01","Wir haben am Anfang darüber gesprochen, wie wichtig Streit in einer Beziehung ist. Wenn wir jetzt an das Ende des Streits blicken, wie wichtig ist es dann, sich zu versöhnen?" "Silvia Meyer","00:29:48:03","00:30:17:00","Sehr wichtig, würde ich sagen. Ich würde sogar sagen, dass Versöhnung eigentlich auch ein Teil des Streit ist. Ein Streit ist nie ganz fertig, wenn es nicht einen Abschluss gibt oder eine Versöhnung. Von der Begrifflichkeit würde ich persönlich eher das Wort Abschluss nennen, weil die Versöhnung hat immer so etwas Beschönigendes vielleicht. Aber ein Abschluss von einem Streit kann auch sehr rational oder trocken sein, sag ich mal, und ein Abschluss muss auch nie heissen, dass wir jetzt gleicher Meinung sind, sondern man kann auch einen Streit abschliessen und zum Schluss kommen, dass man sich, dass man anderer Meinung ist und dass man trotzdem einen gemeinsamen Weg findet." "Catherine Weyer","00:30:37:23","00:30:40:24","Und ein Beziehungsabbruch wäre dann auch ein Abschluss." "Silvia Meyer","00:30:41:01","00:30:45:10","Ja, ein Beziehungsabbruch wäre ebenfalls ein Abschluss." "Catherine Weyer","00:30:45:12","00:30:54:12","Sie haben gesagt, Sie möchten nicht von Versöhnung sprechen, sondern von Abschluss. Ich habe das Gefühl, vielen Leuten fällt es sehr schwer, einen solchen Abschluss zu finden. Woran liegt das?" "Silvia Meyer","00:30:54:14","00:31:29:14","Das liegt in erster Linie daran, dass wir bei einem Streit mit unseren Emotionen sehr stark konfrontiert sind. Es kommen sehr starke Emotionen hoch, und diese starken Emotionen und auch die eigene Verletzlichkeit blockiert uns häufig in der Perspektivenübernahme. Wir sind sehr stark bei uns, bei unseren eigenen Emotionen und können nur schlecht die Perspektive des Gegenübers übernehmen. Und das führt dazu, dass es wahnsinnig schwierig ist, dann Abschluss zu finden." "Silvia Meyer","00:31:29:16","00:31:50:08","Und deswegen bin ich persönlich auch der Meinung, dass es auch sinnvoll sein kann, im Streit Pausen einzulegen oder einen Rückzug zu machen, um die eigene Emotionsregulation voranzutreiben, bevor man sich gegenseitig wieder begegnen kann." "Catherine Weyer","00:31:50:10","00:32:08:17","Das ist jetzt gerade ein konkreter Tipp, den man mitnehmen kann. Sie haben beim Geschwisterstreit gesagt, es ist auch gut, wenn man die eigenen Emotionen oder die Emotionen der Kinder spiegelt, ohne sie zu werten. Haben Sie sonst noch einen konkreten Tipp, wie wir uns in Zukunft besser streiten können?" "Silvia Meyer","00:32:08:19","00:32:38:10","Also etwas vom Wichtigsten und wahrscheinlich auch vom logischsten ist, dass man versucht, respektvoll zu bleiben mit dem Gegenüber. Und was ich wichtig finde und gleichzeitig uns allen natürlich am schwersten fällt, ist, dass man eigene Anteile reflektiert. Weil zu Streit kommt es ja häufig, wenn wir das Gefühl haben, ich werde ungerecht behandelt und der andere ist schuld. Und die Wahrheit ist meistens, dass es nicht ganz so einfach ist." "Silvia Meyer","00:32:38:12","00:33:03:22","Und diese eigenen Anteile zu reflektieren finde ich sehr hilfreich und finde ich auch hilfreich, dann einen Abschluss zu finden, dass man damit beginnt, die eigenen Anteile vielleicht darzulegen oder sagt: Ich habe das Gefühl, diese und diese Situation habe ich nicht ganz so gut gelöst. Da hätte ich vielleicht anders reagieren können. Ich sehe auch, dass dich das verletzt hat." "Silvia Meyer","00:33:03:23","00:33:35:05","Also dass man auch die Gefühle des Gegenübers mit einbezieht, dass man auf jeden Fall immer in Ich-Botschaften spricht. Das ist eigentlich etwas, was so einfach klingt und dennoch so schwierig ist, weil wir doch häufig dann wieder ins Du gehen, wenn es um Streiten geht. Ebenfalls Pausen, Abstand zu haben in Streits kann hilfreich sein. Es gibt ganz viele Leute, die sagen Ja, man muss sich unbedingt vor dem Ins Bett gehen wieder vertragen." "Silvia Meyer","00:33:35:07","00:34:02:01","Ich finde die Idee daran sehr schön. Trotzdem finde ich, es baut Druck auf und wir sind nicht alle gleich. Es gibt Menschen, die brauchen länger, um Emotionen zu verdauen, um sich selbst zu reflektieren. Und das kann dann auch mal eine Nacht dauern. Wichtig ist einfach, dass man das wieder aufnimmt und nicht in die Vermeidung geht. Das ist, was es eher gefährlich sein kann, wenn man in diese Vermeidung geht." "Silvia Meyer","00:34:02:03","00:34:27:15","Und ein anderer wichtiger Punkt ist, dass wir lernen, uns zu entschuldigen. Und das ist was, was ich finde, da hat man eine grosse Vorbildfunktion, auch als Eltern. Den Kindern beizubringen, auch in einem Machtgefälle kann man sich bei seinen Kindern entschuldigen, wenn man nicht gut reagiert hat. So lernen die Kinder auch, dass das dazugehört." "Catherine Weyer","00:34:27:17","00:34:29:10","Frau Meyer, vielen herzlichen Dank!" "Silvia Meyer","00:34:29:12","00:34:32:17","Danke auch." "Catherine Weyer","00:34:32:19","00:35:00:23","Das war Unisonar, der Wissens-Podcast der Universität Basel. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. In der nächsten Folge spricht die Juristin Cordula Lötscher über einen Nachbarschaftsstreit, der vor Gericht geschlichtet werden muss und wie ein Paar nach der Trennung die Kinderbetreuung regeln kann. Bis bald."