00:00:01:12 - 00:00:47:17 Cornelius Friedemann Moriz Wenn Sie einen Wirtschaftsliberalen fragen, was er für gerecht hält, wird sich das von der Auffassung einer Sozialdemokratin höchstwahrscheinlich stark unterscheiden. Wir wissen beispielsweise, dass Gesellschaften umso ungleicher sie sind, umso mehr zu Kriminalität neigen. Also beispielsweise die Zahl von Gewaltverbrechen oder Homiziden ist umso grösser, umso stärker soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft ausgeprägt ist. In einer Marktökonomie, in der eben am Ende des Tages zählt, ob ich die Produkte auch an den Mann und an die Frau bringen kann, also auf dem Markt absetzen kann, muss ich mich als erstes und als letztes an diesen Geldfolgen orientieren. 00:00:47:19 - 00:01:12:22 Catherine Weyer Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissens-Podcast der Universität Basel, heute mit dem Soziologen Dr. Cornelius Friedemann Moriz und der Frage, wie gerecht der Kapitalismus ist. Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expertinnen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung in dieser Staffel sprechen wir über Gerechtigkeit. Herr Moritz. Gerechtigkeit ist ein grosser Begriff. Was bedeutet er für Sie? 00:01:12:24 - 00:01:35:14 Cornelius Friedemann Moriz Ja, das ist gar keine so einfache Frage, muss ich gestehen. Also zunächst mal allgemein formuliert kann man vielleicht sagen, dass es bei der Gerechtigkeit um eine normative Vorstellung geht, wie denn eigentlich die Gesellschaft geordnet sein soll, also wie beispielsweise die Rechte, die Privilegien, die Freiheiten, natürlich auch die materiellen Güter verteilt sein sollen in dieser Gesellschaft. Also darum geht es bei der sozialen Gerechtigkeit. 00:01:35:16 - 00:02:21:13 Cornelius Friedemann Moriz Ich habe jetzt keine abgeschlossene Liste, aber die wichtigsten Prinzipien, die man feststellen kann empirisch in unserer Gesellschaft. Ich berufe mich hier auf eine Studie über Deutschland wären beispielsweise das Prinzip der Gleichheit einmal vor allem ausbuchstabiert, als gleiche Rechte, gleiche Freiheiten, zum anderen aber auch als Prinzip der Chancengleichheit. Also das ist zum Beispiel im Prinzip die Chancengleichheit, die in der Bevölkerung von 85 bis 90 % der Menschen geteilt wird, dass eben alle Menschen dieselben Chancen haben sollten in unserer Gesellschaft und dass es eben nicht abhängt davon, aus welcher Familie man kommt, welche Erfolge, welche Gewinne, welche Profite man dann auch in der Gesellschaft erwirtschaften kann. 00:02:21:15 - 00:02:51:03 Cornelius Friedemann Moriz Ein zweites Prinzip, das würde ich sagen, ist fast das wichtigste in westlichen sogenannten Leistungsgesellschaften. Das ist das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Also in Deutschland sind über 92 % der Bevölkerung der Meinung, dass, wer viel leistet, wer viel arbeitet, auch viel haben soll. Das dritte Prinzip ist das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit. 80 bis 90 % sagen das niemand in so einer reichen Gesellschaft wie der europäischen unterhalb eines bestimmten Existenzniveaus leben sollte. 00:02:51:03 - 00:03:22:00 Cornelius Friedemann Moriz Das vierte Prinzip, das ich noch erwähnen möchte, ist das Prinzip der Freiheit. Da steckt die Vorstellung dahinter, dass eine Gesellschaft dann gerecht ist, wenn die Menschen sich frei entfalten können, Verwirklichungschancen haben, um ihre individuellen Ziele und Absichten auch frei realisieren zu können, also beispielsweise Reisefreiheit, Redefreiheit, die Freiheit, im politischen Diskurs mitwirken zu können und Ähnliches. Und das Problem ist jetzt eben, dass für diese und auch andere Gerechtigkeitsprinzipien viele gute Gründe sprechen. 00:03:22:00 - 00:03:52:20 Cornelius Friedemann Moriz Also jedes dieser Prinzipien für sich genommen ist intuitiv für eben sehr viele Menschen einleuchtend. Daher auch diese hohen Zustimmungswerte. Aber wie man schnell sehen kann, widersprechen sich diese einzelnen Gerechtigkeitsprinzipien auch wieder. Also beispielsweise das Leistungsprinzip kann im Prinzip jede noch so grosse soziale Ungleichheit rechtfertigen, also eben viel arbeitet, am Markt beispielsweise grosse Gewinne erzielt, der kann sich darauf berufen, dass, wenn das tatsächlich auf die eigene Leistung zurückzuführen ist, das heisst sehr viel hat. 00:03:52:22 - 00:04:25:08 Cornelius Friedemann Moriz Kann dann sagen Es steht mir sozusagen zu, dass ich sehr reich bin. Und auf der anderen Seite haben wir dann aber das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit, also dass eben niemand in Armut oder in Not leben soll. Und das muss ja irgendwie finanziert werden. Es ist halt die Frage, ob man sozusagen die Leistungsträger und Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft, ob man denen etwas wegnehmen kann, gerechterweise, um dann auf der anderen Seite Leute, die vielleicht gar nicht so viel leisten, zumindest wie häufig unterstellt wird, ob man den wohlhabenden Menschen da was wegnehmen kann, um eben dieser Bedarfsgerechtigkeit Genüge zu tun. 00:04:25:08 - 00:04:36:07 Cornelius Friedemann Moriz Das heisst also, dass diese Prinzipien einander widersprechen. Und es ist letztlich eine politische Frage, sie zu einem Ausgleich, zu einem Kompromiss zu bringen. 00:04:36:09 - 00:04:52:14 Catherine Weyer Wenn wir uns aber jetzt ganz konkret unsere kapitalistische Moderne anschauen. Es gibt Leute, beispielsweise in der Schweiz, wenn sie den Schweizer Pass nicht haben, können Sie einfach nicht wählen, wer Sie da vertreten soll. Kann in dieser konkreten Gesellschaft Gerechtigkeit überhaupt stattfinden? 00:04:52:16 - 00:05:46:03 Cornelius Friedemann Moriz Allgemein beantwortet Ja. Natürlich kann in jeder Gesellschaft, in der die verschiedenen Gruppen um Gerechtigkeit ringen, prinzipiell Gerechtigkeit erreicht werden. Wenn es aber die Frage wäre: Leben wir tatsächlich in einer gerechten Gesellschaft? Dann muss man eben wieder differenziert hinschauen. Also es hängt nämlich eben davon ab, welche konkrete Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit man verfolgt. Und ich denke, dass wenn wir zum Beispiel auf Gleichheit im Sinne von Rechtsgleichheit schauen, dann sieht es in unserer schweizerischen oder deutschen oder europäischen Gesellschaft relativ gut aus, weil und sofern eben zumindest für die Bürgerinnen und Bürger, die einen Pass haben, das als Bedingung schon mal formuliert gleiche Rechte und Freiheiten mehr oder weniger durchgesetzt sind. 00:05:46:05 - 00:06:07:11 Cornelius Friedemann Moriz Auch wenn man das in der Bevölkerung so wichtige oder für die meisten Menschen in der Bevölkerung so wichtige Prinzip der Chancengleichheit sich anschaut, ist es zumindest in formaler Hinsicht so, dass wir wahrscheinlich selten historisch, wahrscheinlich noch nie, und auch im interkulturellen Vergleich vermutlich noch nie einen in Chancengleichheit in Gesellschaften formal wohlgemerkt gelebt haben. 00:06:07:14 - 00:06:08:19 Catherine Weyer Was heisst denn formal? 00:06:08:21 - 00:06:38:10 Cornelius Friedemann Moriz Na ja, dass eben beispielsweise niemand aufgrund seiner seines Geschlechts, seiner Orientierung, seiner ethnischen Herkunft ausgeschlossen wird, zum Beispiel von schulischer Bildung oder von politischen Partizipationsprozessen. Vor nicht allzu langer Zeit war es eben nicht, auch in der Schweiz beispielsweise, nicht selbstverständlich, dass jedermann, vor allem jede Frau, partizipieren konnte, an Wahlen etwa Oder jetzt? Meine Frau ist Ärztin. Das ist heute ganz selbstverständlich. 00:06:38:10 - 00:07:09:04 Cornelius Friedemann Moriz Man spricht immer davon, die Medizin würde weiblich. Also, weil immer mehr Ärztinnen in diesem Bereich tätig sind. Aber noch vor 100 Jahren, gab es nicht viele Ärztinnen, weil die gar nicht die Chance hatten, am Bildungssystem, wenn sie denn überhaupt Abitur in der Schweiz gemacht haben, weil sie dann nicht den Zugang hatten zur medizinischen Fakultät. Und diese formale Chancengleichheit, also dass jedermann und jede Frau formal das Recht hat, an beispielsweise diesen Ausbildungsprozessen teilzunehmen, am Bildungssystem zu partizipieren. 00:07:09:06 - 00:07:39:15 Cornelius Friedemann Moriz In dieser Hinsicht sind wir, glaube ich, relativ gut. Wenn wir aber auf die realen Chancen schauen und daran dann das gesellschaftliche Sein gerechtigkeitsethisch bemessen wollen, dann stellen wir fest, dass die reale Chancengleichheit natürlich nicht gegeben ist. Das gibt es ja unzählige soziologische, sozialpsychologische, erziehungswissenschaftliche Studien, die belegen, dass die familiale Herkunft nach wie vor massgeblich über schulischen Erfolg Auskunft gibt und 00:07:39:19 - 00:08:08:07 Cornelius Friedemann Moriz dass die soziale Herkunft darüber entscheidet, wie erfolgreich eine Schülerinnen und Schüler im Schulsystem ist, was für einen Abschluss er oder sie macht. Und das natürlich wirkt sich dann auch wieder ganz direkt aus auf die späteren Berufs und damit Einkommenschancen dieses Menschen in unserer Gesellschaft. Das heisst also reale Chancengleichheit, wenn wir das als normativen, gerechtigkeitsethischen Massstab nehmen, um unsere gesellschaftlichen Verhältnisse zu beurteilen, dann stellen wir fest, dass die Gesellschaft alles andere als gerecht ist. 00:08:08:09 - 00:08:46:17 Cornelius Friedemann Moriz Oder auch wir sagen immer wieder, wir würden in einer Leistungsgesellschaft leben und jeder würde hier erhalten, was er oder sie verdient. Und wenn man nun eben hingeht und dieses Leistungsprinzip überprüft und schaut, inwieweit die reale Verteilung, die sozioökonomische Verteilung beispielsweise des Einkommens, des Vermögens, aber auch der der schulischen Abschlüsse und Ähnliches, ob diese tatsächlich zurückgeführt werden kann auf das Leistungsprinzip, dann stellt man fest, dass unsere Gesellschaft, obwohl das eigentlich ein so wichtiges gerechtigkeitsethisches Ideal ist, an diesem Ideal grandios, würde ich sagen scheitert. 00:08:46:19 - 00:09:25:22 Cornelius Friedemann Moriz Das, kann man beobachten, dass Kinder, die aus sogenannten bildungsfernen Schichten kommen, weitaus schlechtere Schulchancen haben und damit auch Berufschancen haben als Kinder, die aus sogenannten gutem Hause stammen. Wenn aber Chancengleichheit nicht gegeben ist, ist eine logische Voraussetzung für die Anwendung des Leistungsprinzips zur Beurteilung der Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse einfach nicht gegeben. Also wenn ich jetzt bei einem Marathonlauf erst bei Kilometer 21 einsteige und dann eben schnell am Ziel bin als alle anderen, also wenn ich nur die Hälfte der Strecke zurückzulegen habe, dann bin ich vielleicht als erster ein Ziel. 00:09:25:24 - 00:10:02:16 Cornelius Friedemann Moriz Aber ich kann es kaum zurückführen auf meine grössere Leistung, die ich erbracht habe, sondern ich muss es zurückführen auf die ungleiche Startbedingungen, die ich hatte. Ich war privilegiert in meiner Ausgangsposition. Und wenn eben also die, die unverdient dermassen ungleichen Startvoraussetzungen verhindern, dass wir alle an derselben Startlinie starten, dann kann natürlich auch das Resultat des Wettbewerbs, der dann stattfindet, kann nicht gerechterweise als als Ausdruck unterschiedlicher Leistung beurteilt werden. 00:10:02:18 - 00:10:11:17 Catherine Weyer Sie haben den Status quo erwähnt, der erhalten werden soll. Dazu hat auch Ueli Mader etwas geschrieben. Er ist emeritierter Soziologieprofessor an der Universität Basel. 00:10:11:19 - 00:10:52:13 Einspieler Seit 1989 verschärft sich die soziale Ungleichheit auch in der Schweiz. 1 % der privaten Steuerpflichtigen verfügt über 58,9 % der steuerbaren Nettovermögen. Das heisst 1 % besitzt mehr als die übrigen 99 %. 10 % der Erben erhalten 3/4 der Erbschaften, und von den gut 40 Milliarden Franken, die 2010 vererbt wurden, erhielten Millionäre mehr als die Hälfte. Oligarchische Prozesse unterlaufen meritokratische. In viel Reichtum steckt wenig eigene Leistung. 00:10:52:15 - 00:10:59:11 Catherine Weyer Wenn viele Reiche für ihr Kapital wenig Leistung erbringen müssen, zu wessen Nachteil geschieht dies? 00:10:59:13 - 00:11:31:15 Cornelius Friedemann Moriz Also zunächst mal ist es natürlich so, dass man sagen kann gerade in der Schweiz, wenn man sich, wenn man sich vor Augen führt, dass gerade mal 1 % der Bevölkerung mehr besitzt, mit roundabout 60 % des steuerbaren Nettovermögens, mehr besitzt als alle anderen zusammen, diese Ungleichheit in der Schweiz schon sehr sehr krass ist. Also in den meisten anderen europäischen Ländern ist es so, dass die obersten 10 %, um die 60 % das Privatvermögen besitzen. 00:11:31:15 - 00:11:58:17 Cornelius Friedemann Moriz In der Schweiz ist es sehr ausgeprägt. Und wenn Sie dann fragen, wer wird denn da eigentlich benachteiligt? Durch den Umstand, dass dieses Vermögen sich in grossen und Ganzen, vor allem in einer kleinen Schicht, dass es vor allem in dieser kleinen Schicht weitergegeben wird, dann sind das natürlich zunächst mal die in Anführungsstrichen unteren 50 % der Bevölkerung, die bei diesen Erbschaften leer ausgehen, weil sie entweder überhaupt kein Vermögen haben. 00:11:58:19 - 00:12:39:06 Cornelius Friedemann Moriz Das muss man sich auch mal vor Augen führen, dass in Europa etwa jeder Zweite einfach keine Rücklagen, kein Vermögen hat, dass ihm oder ihr Notzeiten helfen könnte. Insofern auch vollkommen lohnabhängig ist und diese Bevölkerungsgruppe, also immerhin die Hälfte der Gesellschaft, das nicht irgendwie 5 %, 8 %, 10 %, das ist jeder zweite. Diese Gruppe ist natürlich sehr stark benachteiligt, weil die eben aus diesem Erbschaftskreislauf und damit auch aus diesem Reproduktionskreislauf der sozialen Ungleichheit mehr oder weniger ausgeschlossen sind bzw am unteren Ende sind der Hierarchie. 00:12:39:08 - 00:13:23:20 Cornelius Friedemann Moriz Aber man kann darüber hinausgehend sich schon auch fragen, ob diese häufig ja völlig leistungsfreie Konzentration und Weitergabe von einem Grossteil des gesellschaftlichen Kapitals innerhalb einer kleinen Schicht, ob das nicht auch für die Gesellschaft an sich von grossen Nachteil ist und eben nicht nur für die in Anführungsstrichestrichen untere Bevölkerungshälfte. Und zwar deswegen, weil. Also beispielsweise hat Sigmund Freud, ähnlich wie Rawls schon gesagt, dass das Gefühl, dass wir in gerechten Verhältnissen leben, also die subjektive Wahrnehmung, dass es vielleicht nicht völlig gerecht zugeht in der Welt, aber dass es doch einigermassen gerecht zugeht. 00:13:23:22 - 00:13:55:14 Cornelius Friedemann Moriz Dieses Gefühl der Gerechtigkeit ist laut Freud und laut Rawls die notwendige Voraussetzung, dass wir Neid konstruktiv verarbeiten können und nicht in Missgunst oder gar Hass abgleiten. Ich kann meine Nachbarin beneiden, weil sie so ein schönes Auto hat. Ich kann meinen meinen Klassenkameraden beneiden, weil er die besseren Noten hat. Ich kann meinen Kollegen beneiden, weil er mehr Geld verdient oder ähnliches. 00:13:55:16 - 00:14:26:04 Cornelius Friedemann Moriz Aber solange ich davon überzeugt bin, dass das irgendwie blöd ist für mich, weil ich auch gerne bessere Noten oder mehr Geld oder ähnliches hätte, aber dass es eben doch gerechtfertigt ist, durch eines der vorhin erwähnten Gerechtigkeitsprinzipien, insbesondere durch das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit, dann bewahrt mich diese Gewissheit davor. So jedenfalls Freud und Rawls abzugleiten in destruktive Gefühle wie eben Missgunst oder gar Hass. 00:14:26:06 - 00:15:06:16 Cornelius Friedemann Moriz Und das gibt auch beispielsweise aus der Epidemiologie, aber auch aus der empirischen Sozialforschung eine Menge Hinweise dafür, dass Gesellschaften umso mehr soziale wie auch individuelle Pathologien zu gegenwärtigen haben, je ungleicher sie sind und je geringer dieses Gerechtigkeitsgefühl ausgeprägt ist. Also wir wissen beispielsweise, dass Gesellschaften umso ungleicher sie sind, umso mehr zu Kriminalität neigen. Also beispielsweise die Zahl von Gewaltverbrechen oder Humiziden ist umso grösser, umso stärker soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft ausgeprägt ist. 00:15:06:18 - 00:15:41:13 Cornelius Friedemann Moriz Aber auch eine Vielzahl von individuellen Erkrankungen treten häufiger auf, werden wahrscheinlicher, je ungleicher eine Gesellschaft ist. Es gibt da eine interessante Studie von zwei britischen Epidemiologen. Wilkinson und Pickett heissen die beiden, die weltweit geguckt haben, wie stark beispielsweise koronare Herzerkrankungen oder Diabetes oder psychische Erkrankungen korrelieren weltweit mit der Ungleichheit der jeweiligen Gesellschaft und haben gesagt: Je ungleicher eine Gesellschaft ist, umso mehr ist ein sozialer Stress spürbar. 00:15:41:15 - 00:16:19:07 Cornelius Friedemann Moriz Also man vergleicht sich stärker, man konkurrenziert stärker miteinander, statt zu kooperieren. Und das wiederum wirkt sich auch aus auf die Gesundheit der Menschen, so dass man eben auch die Frage stellen kann: Sind denn durch diese Mechanismen der Reproduktion von Ungleichheit, die Sie mit Mäder zitiert haben, sind da nur die die unteren 50 % der Gesellschaft benachteiligt? Oder ist es vielmehr so, dass die Gesellschaft als ganze dadurch Nachteile zu gegenwärtigen hat, je ungleicher sie eben ist und je ungerechter sie eben auch ist? 00:16:19:09 - 00:16:49:00 Catherine Weyer In der Schweiz hat man ja eine sehr direkte Demokratie. Erbschaftssteuer ist immer mal wieder ein Thema und dennoch stimmt die Stimmbevölkerung am Ende immer wieder für weniger hohe Erbschaftssteuern, obwohl ja eigentlich der Grossteil der Bevölkerung profitieren würde, wenn das reichste Prozent etwas mehr zahlen müsste, wenn ihr Kapital weitervererbt wird. Woran liegt das, dass man da nicht für mehr Gerechtigkeit sorgt, wenn man selbst so betroffen ist? 00:16:49:00 - 00:16:51:09 Catherine Weyer Zumindest 50 % der Bevölkerung. 00:16:51:11 - 00:17:21:17 Cornelius Friedemann Moriz Also ich kann natürlich nur spekulieren und mich da nicht auf empirische Evidenz stützen, warum das jetzt speziell in der Schweiz so ist. Aber meine Vermutung wäre, dass viele Schweizerinnen und Schweizer eben der Meinung sind, dass beispielsweise die das Erbrecht die Testierfreiheit, auch wenn sie selbst davon vielleicht gar nicht direkt profitieren, dass dieses Recht der Testierfreiheit, ihr Freiheit gerecht ist. 00:17:21:19 - 00:17:49:01 Cornelius Friedemann Moriz Und es kann ja eben durchaus sein, dass in der schweizerischen Bevölkerung die Menschen der Ansicht sind, wenn man sich jetzt beispielsweise darum jetzt bei den meisten gehen, sich eine eigene Wohnung erarbeitet hat, abbezahlt hat, über viele Jahre oder ein Haus abbezahlt hat, dann möchten die Menschen vielleicht schon die Möglichkeit haben, diese Wohnung oder dieses Haus oder das kleine Vermögen oder was auch immer an die eigenen Kinder weiterzugeben oder auch an wen auch immer. 00:17:49:03 - 00:18:24:06 Cornelius Friedemann Moriz Und es gibt eben auch durchaus gute gerechtigkeitsethische Gründe, ihnen das zuzugestehen. Mal abgesehen davon, dass ich nicht die Person bin, das zuzugestehen. Aber, aber es gibt gute Gründe, es als gerecht wahrzunehmen, dass man sein Vermögen vererben kann, an wen man das möchte. Obwohl das konfligiert in diesem Fall jetzt mit der Leistungsgerechtigkeit, mit der Chancengleichheit usw. Und es ist eben insofern auch Ausdruck von einem lebendigen politischen Diskurs, wenn darüber gestritten wird. 00:18:24:06 - 00:18:46:12 Cornelius Friedemann Moriz Abgestimmt wird. Und dann kommt man am Ende nicht dazu, dass eines der Gerechtigkeitsprinzipien zwingend privilegiert würde, sondern man kommt zu einem mittelmässigen Kompromiss, dem viele aus der einen Ecke zustimmen können, aber eben auch viele aus der anderen. So würde ich das versuchen zu erklären, ohne wirklich zu wissen, was, was empirisch da dahinter steckt. 00:18:46:14 - 00:18:49:18 Catherine Weyer Von dem deutschen Soziologen Günther Dux stammt das Zitat. 00:18:49:20 - 00:19:01:23 Einspieler Das ökonomische System kann keiner anderen Logik folgen als der Logik der Kapitalakkumulation. Es braucht, wen es braucht, und lässt aussen vor, wenn es nicht braucht. 00:19:02:00 - 00:19:03:02 Catherine Weyer Das heisst es genau? 00:19:03:04 - 00:19:57:14 Cornelius Friedemann Moriz In der systemtheoretischen Sprache gesprochen ist das ökonomische System dazu da und da schliesst eben auch Günther Dux ein, als Soziologe, um Knappheit zu bearbeiten, also um wirtschaftliche Prozesse voranzubringen. In Unternehmen beispielsweise orientiert sich dann nur noch an Geldfolgen also sprich an Gewinn und Verlust, wenn Unternehmen dazu gezwungen oder sich dazu gezwungen wähnt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlassen, weil das für die Profitsteigerung sinnvoll ist, dann ist dieses Unternehmen in einer funktional differenzierten Gesellschaft davon entlastet, irgendwelche sozialen oder individuellen Folgen mitbedenken zu müssen, weil eben diese sozialen Probleme, die dann daraus vielleicht resultieren, wenn sie denn bearbeitet werden, vom politischen System bearbeitet werden, beispielsweise durch wohlfahrtsstaatliche Auffangmechanismen, die dann eben diese sozialen Konsequenzen abmildern sollen. 00:19:57:16 - 00:20:31:16 Cornelius Friedemann Moriz Arbeitslosengeld und Ähnliches. Also ich denke, dass das soziologisch gut beschrieben ist und dass die Unternehmen auch gar keine andere Wahl haben, als sich in erster und auch letzter Instanz an Geldfolgen zu orientieren. Beispielsweise weil ein Unternehmen, das aus sagen wir gerechtigkeitsethischen Gründen eigentlich gerne höhere Löhne zahlen würde oder ökologischere Produktionsweisen anwenden wollte, dies nur dann kann, wenn sie die daraus resultierenden höheren Preise am Markt auch durchsetzen können. 00:20:31:18 - 00:20:58:14 Cornelius Friedemann Moriz Können Sie das nicht, dann würde ein Unternehmen, das allzu gerechtigkeitsethisch orientiert wäre, schlicht vom Markt verschwinden, weil es unprofitabel würde. Oder wenn Sie ein börsennotiertes Unternehmen sich anschauen, dann muss man da befürchten, dass ein Unternehmen, das eine geringere Rendite erwirtschaftet als ein anderes Unternehmen im selben Sektor. Oder es muss nicht mal im selben Sektor sein, dass ein Unternehmen seine Aktionäre verlieren würde, wenn die Rendite eben nicht stimmt. 00:20:58:16 - 00:21:09:02 Cornelius Friedemann Moriz Und deswegen schreibt Dux, dass ökonomische System oder Organisationen Unternehmen in diesem ökonomischen System, Die können gar keine anderen Logik folgen als eben der Logik der Kapitalakkumulation. 00:21:09:04 - 00:21:25:05 Catherine Weyer Aber sie ist ja schon für ein Unternehmen auch wichtig, dass es beispielsweise attraktiv ist für Arbeitnehmende, weil sonst hätten sie ja gar nicht die besten Leute in ihrem Unternehmen. Aber kann man dann sagen, das ist eigentlich auch nur ein Weg, um dann letzten Endes mehr Kapital zu erwirtschaften? 00:21:25:07 - 00:21:55:00 Cornelius Friedemann Moriz Ich würde primär sagen ja, also die die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die sind ja nicht gekommen, weil die Unternehmen sich jetzt an dieser eingangs erwähnten Gerechtigkeitsprinzipien erinnert hätten, sondern weil letztendlich die Gewerkschaften in dem Fall mit Macht ihre Interessen durchzusetzen imstande waren und rechtliche Regulierungen eingeführt wurden, die dann beispielsweise für Arbeitnehmer*innenschutz gesorgt haben usw. Und auch dann, wenn eben 00:21:55:02 - 00:22:39:07 Cornelius Friedemann Moriz Unternehmen jetzt sagen, wir gewinnen mehr Kundinnen und Kunden, indem wir uns sozial ökologisch verhalten, ist auch das ein strategisches Verhalten, das dazu dient, den Umsatz und den Profit zu steigern. Ich will damit gar nicht bestreiten, dass es Unternehmerinnen gibt, die selber persönlich durchaus der Ansicht sind oder wären, dass höhere Löhne angebracht wären. Aber in einer Marktökonomie, in der eben am Ende des Tages zählt, ob ich die Produkte auch an den Mann und an die Frau bringen kann, also auf dem Markt absetzen kann, muss ich mich als erstes und als letztes an diesen Geldfolgen orientieren. 00:22:39:09 - 00:22:48:20 Cornelius Friedemann Moriz Dazwischen kann viel anderes passieren. Aber ich denke, das ist das oberste, die oberste Maxime, der ökonomische oder kapitalistische Unternehmen folgen müssen. 00:22:48:22 - 00:22:58:16 Catherine Weyer Welche Möglichkeit hat denn da der Staat, um noch die sozialen Anliegen einzubringen, wenn der Markt an sich nur kapitalgetrieben ist? 00:22:58:18 - 00:23:34:11 Cornelius Friedemann Moriz Na ja, ich würde sagen begrenzte Möglichkeiten. Also es gibt natürlich Möglichkeiten, die der Staat hat. Sei es, dass beispielsweise Regelungen durchgesetzt werden, wie sie hier gang und gäbe sind, also wie wie Mindestlöhne in der Schweiz sich der glaube ich bei 22 Franken in Deutschland meine ich bei 12 € oder man kann Arbeitszeitgesetze erlassen usw und so fort. Aber wenn Sie fragen, welche Möglichkeiten Nationalstaaten haben, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, dann gibt es ja zwei Sachen zu bedenken. 00:23:34:13 - 00:24:02:23 Cornelius Friedemann Moriz Also zum einen ist es so, dass in westlichen Demokratien Mehrheiten organisiert werden müssen. Gerechtigkeit wird nur dann sein, wenn sie mit Macht eingefordert und auch durchgesetzt wird. Jetzt haben wir aber schon festgestellt, dass sich in der Gesellschaft unterschiedliche Auffassungen darum streiten, was denn eigentlich gerecht ist. Wenn Sie einen Wirtschaftsliberalen fragen, was er für gerecht hält, wird sich das von der Auffassung einer Sozialdemokratin höchstwahrscheinlich stark unterscheiden. 00:24:03:00 - 00:24:32:13 Cornelius Friedemann Moriz Und das bedeutet, dass also die erste Aufgabe der Politik darin bestünde, des Staates, darin bestünde, ein Gerechtigkeitskompromiss aus zu handeln, dem alle zustimmen können. Und das wird eben nur zu einem Kompromiss führen. Die zweite Aufgabe bestünde dann darin, dass dieser Kompromiss auch tatsächlich umgesetzt wird, also dass diesem Gerechtigkeitskompromiss, wenn ich es jetzt mal so nennen kann, auch mit Macht zur Geltung verholfen wird. 00:24:32:13 - 00:24:58:08 Cornelius Friedemann Moriz Und das würde sehr wahrscheinlich erfordern, dass die Bürgerinnen und Bürger beispielsweise, wenn sie dafür stimmen wollen, dass höhere Sozialstandards durchgesetzt werden, vielleicht sogar weltweit, also dass in der Schweiz nur Produkte verkauft werden können, die nicht nur in der Schweiz bestimmte Standards erfüllen, sondern global, in den Sweat-Shops in Bangladesch, wo unsere Kleidung hergestellt wird oder in den Fabriken in China, wo die Tablets und und Handys hergestellt werden. 00:24:58:10 - 00:25:39:15 Cornelius Friedemann Moriz Wenn das durchgesetzt werden sollte oder auch wenn ökologische Auflagen durchgesetzt werden sollen, die verhindern, dass die Naturzerstörung, Klimaerwärmung, CO2-Emissionen usw weiter steigen, dann würde das vermute ich stark mit höheren Preisen am Markt und gegebenenfalls je nach dem, worum es geht, auch mit höheren Steuern erkauft werden müssen. Das heisst, Sie müssten in einer westlichen Demokratie Mehrheiten dafür organisieren, nicht direkt ihren eigenen Interessen zu folgen, sondern sie müssten Mehrheiten für Massnahmen gewinnen, wo die Bürgerinnen und Bürger in vielen Fällen selber drauflegen. 00:25:39:17 - 00:26:13:24 Cornelius Friedemann Moriz Und jetzt können wir natürlich schauen, welche empirischen Indizien wir finden dafür, wie wahrscheinlich so ein Verhalten denn ist. Und ein Indiz könnte eben zum Beispiel sein, wie viel sozialökologisches Konsumverhalten zeigen die Bürgerinnen und Bürger oder die Konsumentinnen und Konsumenten denn jetzt schon freiwillig? Also wie gross sind beispielsweise die Marktanteile für sozial und ökologisch halbwegs fair produzierte Güter? Und diese Marktanteile bewegen sich im unteren einstelligen Bereich. 00:26:14:01 - 00:26:39:14 Cornelius Friedemann Moriz Und in Deutschland beispielsweise ist aufgrund der Inflation im vergangenen Jahr der Anteil der Bioprodukte deutlich wieder zurückgegangen. Oder wenn man sich ansieht, wie das Flugverhalten der Menschen ist, also nach der Pandemie, ist es jetzt so, dass das im Prinzip ähnlich hohe Flugzahlen wieder zu sehen sind wie vor der Pandemie. Natürlich gibt es viele engagierte Menschen, was ich sehr begrüsse. 00:26:39:16 - 00:27:07:02 Cornelius Friedemann Moriz Es gibt die Fridays for Future-Bewegungen, es gibt. Es gibt zahllose kleinere und grössere Gruppen, die sich da stark machen. Vielleicht ändert sich das irgendwann. Aber bislang ändert es am grossen Bild noch nicht allzu viel. Und der zweite Grund, warum ich zwar nicht sage, dass die Staaten überhaupt keinen Einfluss haben, aber begrenzt bin. Dass wir sozusagen im grossen Stil für absolut gerechte Verhältnisse sorgen können. 00:27:07:02 - 00:27:41:04 Cornelius Friedemann Moriz Auf nationalstaatlicher Ebene ist eben, dass die Nationalstaaten die politischen Systeme nach wie vor territorial und damit lokal gebunden sind. Während aber die Ökonomie, die für eine Vielzahl sowohl der sozialen als auch ökologischen Probleme massgeblich verantwortlich ist, längst globalisiert ist. Das heisst, sie haben immer das Problem, dass sie beispielsweise, wenn Sie jetzt in der Schweiz einen Mindestlohn von 22 Franken durchsetzen, dann ist das zwar sehr gut für die Schweizerinnen und Schweizer, die davon profitieren. 00:27:41:06 - 00:28:13:09 Cornelius Friedemann Moriz Aber dann ist es eben so, dass arbeitsintensive Tätigkeiten ausgelagert werden an die verlängerte Werkbank irgendwo in Asien oder im globalen Süden, wo man eben günstiger produzieren kann. Also die Unternehmen haben immer die Möglichkeit, mit der Verlagerung ihres Standorts zu drohen, so dass die nationalstaatlich gebundenen politischen Systeme nur einen begrenzten Einfluss ausüben können und solange eben die Produkte dann auch konsumiert werden. 00:28:13:11 - 00:28:45:10 Cornelius Friedemann Moriz Wir haben ja alle Handys mit Coltan aus dem Kongo oder einen Grossteil der Kleidung, die wir tragen, wird unter Bedingungen hergestellt, die keine Schweizerinnen und Schweizer für sich akzeptieren würde. Und solange also die Ökonomie diesen Absatz hat, sehe ich wenig, also nicht keine, aber wenige Möglichkeiten für die nationalen politischen Systeme, da umfassend etwas daran zu ändern. Es bräuchte dann transnationale Organisationen und Ähnliches gibt es ja auch. 00:28:45:10 - 00:28:53:05 Cornelius Friedemann Moriz Es geht in diese Richtung. Die EU beispielsweise operiert in diese Richtung. Aber es ist schwierig, auf jeden Fall nicht unmöglich, aber schwierig. 00:28:53:07 - 00:29:07:18 Catherine Weyer Nach all dem, was Sie jetzt gesagt haben, gibt es in unserem kapitalistischen System noch die Chance oder die Hoffnung auf ein bisschen Gerechtigkeit? Oder müssten wir für Gerechtigkeit unser kapitalistisches System über den Haufen werfen? 00:29:07:20 - 00:29:36:21 Cornelius Friedemann Moriz Ich hoffe, das ist vorhin nicht zu kurz gekommen. In mancherlei Hinsicht sind westliche Demokratien durchaus weit gekommen, also die persönlichen Freiheitsrechte, die wir geniessen können. Die sind aus meiner Sicht jedenfalls eine ganze Menge wert. Auch die wohlfahrtsstaatlichen Errungenschaften, die wir haben, die möchte ich nicht, die möchte ich nicht kleinreden. Na ja, wie's auf globaler Ebene aussieht, da habe ich es ja schon angedeutet. 00:29:36:21 - 00:30:14:01 Cornelius Friedemann Moriz Da bin ich dann eben doch auch wieder skeptischer. Können wir da mehr erreichen? Probieren sollten wir es in jedem Fall, aber es ist eben schwierig. Ich habe das mehrfach schon gesagt Gerechtigkeitsfragen sind immer auch Machtfragen. Und wenn ich mir anschaue, und zwar insbesondere im globalen Massstab, also jetzt nicht in der Idylle der schweizerischen Gesellschaft oder Deutschlands, sondern wenn ich mir ansehe, wer denn eigentlich in globalem Massstab besonders profitieren würde von mehr Gerechtigkeit, dann sind das beispielsweise Minenarbeiter in Afrika. 00:30:14:03 - 00:30:47:12 Cornelius Friedemann Moriz Oder es sind Näherinnen und näher in Sweatshops in Südostasien. Oder es sind Zwangsprostituierte in europäischen Bordellen und andere, viele andere Gruppen, die man sich da noch dazudenken muss. Und wenn ich mich dann frage, welche realen politischen Macht Chancen diese genannten und andere Gruppen haben, um wirklich mehr Gerechtigkeit wohlgemerkt auf globaler Ebene einzufordern. Und es müsste auf globaler Ebene sein, weil die Lieferketten und der Handel längst globalisiert ist. 00:30:47:14 - 00:31:30:10 Cornelius Friedemann Moriz Dann muss man ernüchtert feststellen, dass diese Gruppen, die am meisten davon profitieren würden ich will nicht sagen ohnmächtig, aber doch sehr begrenzt sind in ihren Machtchancen, in ihren faktischen Machtschancen. Deswegen schrieb Günther Dux von allem Anfang an Macht, nicht Gerechtigkeit. Das erste Medium, das Gesellschaft organisiert, es Macht und eben nicht Gerechtigkeit. Und das gilt, fürchte ich, auch heute noch stellt sich die Frage, inwieweit andere Gruppen sozusagen als Fürsprecherin und Fürsprecher die Interessen dieser angesprochenen Gruppen sich zu eigen machen könnten, um eben für sie, für mehr Gerechtigkeit einzutreten. 00:31:30:12 - 00:31:56:12 Cornelius Friedemann Moriz Und auch das haben wir schon angesprochen. Da könnten wir eine ganze Menge tun, also beispielsweise, indem wir anders konsumieren, vielleicht auch weniger konsumieren, indem wir mehr auf weniger Naturzerstörung achten, auf weniger CO2 Emissionen, weniger Fliegen, weniger Fleisch usw und so fort. Aber ich bin eben Soziologe und schau, wie es da aussieht und stelle da fest, dass es zwar sehr aus meiner Sicht jedenfalls sehr begrüssenswerte Ansätze gibt. 00:31:56:14 - 00:32:14:08 Cornelius Friedemann Moriz Es gibt gerade in den in der jüngeren jüngeren Generation also viele Leute, die das sehen, also die wahrnehmen, dass da vieles wirklich im Argen liegt. Aber man wird hoffen müssen, dass das noch mehr wird, damit sich das gesamtgesellschaftlich auch wirklich spürbar an Geltung verschafft. 00:32:14:10 - 00:32:15:18 Catherine Weyer Aber sie geben die Hoffnung nicht auf? 00:32:15:19 - 00:32:18:12 Cornelius Friedemann Moriz Natürlich nicht. Natürlich nicht. 00:32:18:14 - 00:32:45:09 Catherine Weyer Herr Moriz, vielen herzlichen Dank! Das war Unisonar, der Wissens-Podcast der Universität Basel. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. In der nächsten Folge spricht die Genderforscherin Bianca Kapitel über gerechte Daten, weshalb Algorithmen immer die Vorurteile der Vergangenheit übernehmen und wieso Herzinfarktsymptome nicht auf alle Menschen anwendbar sind. Bis bald.