00:00:00:10 - 00:00:36:15 Daniel Kunzelmann Soziale Medien brauchen Proteste, wie sie ganz viele andere Formen der Beteiligung brauchen, um einfach Öl ins Feuer des digitalen Kapitalismus zu giessen. Die Wahrheit ist tatsächlich etwas, das extrem umkämpft ist. Dadurch, dass die Architektur von sozialen Medien darauf ausgelegt ist, dass prinzipiell jede und jeder seine ihre Meinungen teilen kann. In dem Moment, wo ich verstanden habe, welche Ausmasse, auch negativen Ausmasses soziale Medien haben können, habe ich meinen Konsum und meine Verwendung gewisser Medien ziemlich eingeschränkt. 00:00:36:17 - 00:01:06:04 Catherine Weyer Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissens-Podcast der Universität Basel, heute mit dem Kulturwissenschaftler Dr. Daniel Kunzelmann und der Frage, welche Rolle die sozialen Medien bei Protesten spielen. Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expert*innen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung. In dieser Staffel sprechen wir über Social Media. Herr Kunzelmann, Sie haben für Ihre Dissertation in Spanien nach der Finanzkrise Protestbewegungen untersucht. 00:01:06:05 - 00:01:14:15 Catherine Weyer Dort konnten Sie sehen, wie stark die Wahrheit auf den sozialen Medien verzerrt wurde. Glauben Sie heute noch etwas, das Sie auf den sozialen Medien sehen? 00:01:14:17 - 00:01:39:18 Daniel Kunzelmann Ja, das ist natürlich eine gute Einstiegsfrage. Ja, ich glaube noch Dinge, die ich auf Social Media sehe. Allerdings würde ich sagen, ich habe meinen Default verändert. Ich fang glaube ich jetzt eher an zu sagen: Ich glaube erst mal nicht. Und dann überprüfe ich ein wenig und fuchs mich dahinter und schaue, was steckt dahinter? Und dann akzeptiere ich das, was ich da lese, weil, ich gebe so ein Beispiel aus meiner Forschung damals. 00:01:39:18 - 00:02:03:22 Daniel Kunzelmann Ich habe ja eben politische Aktivisten, Aktivistinnen in Spanien begleitet, teilnehmend beobachtet und einer dieser teilnehmenden Beobachtungen gab es eine Protestkundgebung und einer der Aktivisten kam zu mir und hatte eine von diesen Falschmeldungen, die da im Umlauf waren, hatte er mir gegenüber wiederholt und ich meinte dann: Ja, nein, Also ob er nicht wüsste, dass es sich anders verhalte? Nein, ganz sicher. 00:02:03:22 - 00:02:21:22 Daniel Kunzelmann Das wäre so und so und dann habe ich gemeint, er soll mal mit seinen Kollegen sprechen und dann ist er zu seinen Kollegen gegangen und hat nachgefragt. Und dann meinten die ja, Nein, es ist nicht so, es ist anders. Und er war ganz geschockt, weil er hatte das gelesen und dachte, das muss die Wahrheit sein. Von diesem Moment an gab es unheimlich viele und irgendwann habe ich gemerkt Ja, es ist wirklich. 00:02:21:22 - 00:02:28:03 Daniel Kunzelmann Also Wahrheit ist ein kostbares Gut auf Social Media. Und da sollte man zweimal hinschauen. 00:02:28:05 - 00:02:32:04 Catherine Weyer Wie können denn die sozialen Medien ihre User*innen hinters Licht führen? 00:02:32:06 - 00:03:10:06 Daniel Kunzelmann Ich weiss nicht, ob Sie die User, Userinnen hinters Licht führen. Ich glaube eher, es geht so ein wenig darum, dass es keine Instanz mehr gibt, die die Wahrheit so einfach definieren kann. Also Wahrheit ist tatsächlich etwas, das extrem umkämpft ist. Dadurch, dass die Architektur von sozialen Medien darauf ausgelegt ist, das prinzipiell jede und jeder seine ihre Meinungen teilen kann, ist natürlich auch die Frage, welche Meinung jetzt der Wahrheit entspricht oder der Wahrheit nahekommt und dadurch das soziale Medien zumindest von sich behaupten, dass sie ja nur neutral diese Meinungen wiedergeben und gar nichts damit zu tun haben, was überhaupt jetzt wahr oder was falsch ist. 00:03:10:06 - 00:03:43:21 Daniel Kunzelmann Oder zumindest haben Sie haben die sozialen Medien ganz am Anfang so begonnen und konnten dieses Argument auch ganz lange im Raum, im politischen Raum stehen lassen. Dann haben Sie sich sozusagen von ihrer Verantwortung entzogen, auch zu sagen Ja, Wahrheit hat vielleicht auch etwas zu tun mit Fakten und vielleicht auch mit dem Standpunkt, wo jemand herkommt und muss vielleicht, und da ist der Diskurs jetzt in die Richtung gegangen, es muss vielleicht auch jetzt dahingehend, dass soziale Medien dieser Verantwortung auch gerecht werden und auch markieren, wer denn eine Falschmeldung sagt. 00:03:43:21 - 00:04:05:05 Daniel Kunzelmann Und das war zu Beginn eben nicht und da konnten soziale Medien sich ihrer Rolle weitgehend entziehen. Es gibt jetzt auch noch problematisch bei vielen Medien, weil natürlich diese Logik der Wahrheitsbestätigung, so will ich es mal nennen, dem widerspricht, was soziale Medien ja machen wollen Geld verdienen wollen mit so viel Klicks wie möglich. Und dieses Spannungsverhältnis, das besteht nach wie vor. 00:04:05:06 - 00:04:14:01 Daniel Kunzelmann Aber so ganz naiv können sie nicht mehr tun, die sozialen Medien und sagen: Wir geben nur weiter, was Menschen sagen. Und es hat nichts damit zu tun, ob das wahr oder falsch ist. 00:04:14:03 - 00:04:32:18 Catherine Weyer Diese Problematik, die gibt es heute, die gab es aber auch schon vor zehn Jahren, während des Arabischen Frühlings. Der Spiegeljournalist Mathieu von Rohr war damals als Reporter in Tunesien und im Nahen Osten unterwegs. Er konnte schon damals beobachten, wie sich Informationen ungefiltert über die sozialen Medien verbreiteten. 00:04:32:20 - 00:04:59:19 Einspieler Mathieu von Rohr All diese Länder: Tunesien, Ägypten, auch Syrien usw, die hatten natürlich keine freie Presse und damals auch noch keine Kontrollen, wie sie manche Länder haben. Dass unliebsame Inhalte gesperrt werden. Deswegen hatte Facebook dann die Macht, diese Informationen weiter zu verbreiten. Es hatte aber auch eine gewisse Gefahr. Damals schon fand ich das sehr interessant, weil es eben überhaupt keine Presse gab, kein Korrektiv. 00:04:59:23 - 00:05:30:23 Einspieler Mathieu von Rohr Niemand hatte gelernt, irgendwie mit damit umzugehen, mit der Verifikation von Informationen. Und damals fand ich es schon sehr interessant, in Tunesien zu sehen, wie viele Missinformationen, Fehlinformationen, Fake News, würde man heute sagen, sich über Facebook da verbreitet haben. In diesen Tagen nach der Revolution. Es war wirklich schwierig, vorherzusehen oder herauszufinden, was davon nun stimmt und was nicht. Und ich dachte damals, das könnte bei uns nie passieren. 00:05:31:00 - 00:05:39:21 Einspieler Mathieu von Rohr Und wo wir in den letzten Jahren eines eines Besseren belehrt, weil in gewisser Weise war das ein Vorbote dessen, was bei uns erst noch eintreten würde. 00:05:39:23 - 00:05:49:20 Catherine Weyer Also die Problematik der Fake News, die gibt es seit zehn Jahren und kein Ende in Sicht. Sehen Sie das auch so oder ist es jetzt etwas zynisch formuliert? 00:05:49:22 - 00:06:08:14 Daniel Kunzelmann Nein, ich würde sagen, prinzipiell sehe ich das schon auch so, ich glaube es aber nicht so ganz einfach zu sagen. Es gibt auf der einen Seite ganz klare Fake News und dann gibt es die Wahrheit. Also bei gewissen Dingen ist es tatsächlich so, das stimmen einfach die Fakten nicht. Spannend wird es so dieser ganze Graubereich ist, der ja dann auch der politische Bereich ist. 00:06:08:14 - 00:06:34:03 Daniel Kunzelmann Und da haben meine Forschung jetzt auch angesetzt, nämlich bei diesem Kampf um die Wahrheit. Also was ist denn jetzt wahr am Jenseits der blossen Frage Ist es jetzt ein Faktum, das passiert ist oder nicht passiert ist, sondern ist nämlich die Frage, was Menschen dann mit diesen Fakten machen? Machen, wie sie sich positionieren. Und die Wissensanthropologie zum Beispiel ist eine der Teildisziplinen, mit denen ich mich jetzt beschäftige, die weiss, dass Wissen etwas ist, das per se umkämpft ist. 00:06:34:03 - 00:06:55:12 Daniel Kunzelmann Es gibt verschiedene Formen zu wissen und wirklich dieses Faktenwissen, das Fake News oder nicht Fake News, das ist wirklich nur eine Seite. Eine wichtige Seite, die ich natürlich auch in meinen eigenen Forschungen immer wieder gesehen habe oder die mir den Weg gelaufen ist, wo einfach Falschmeldungen einfach weiterverbreitet wurden und obwohl sie schon entkräftet wurden, immer wieder von den Menschen vor Ort. 00:06:55:14 - 00:07:16:17 Daniel Kunzelmann Die politischen Aktivisten auf der Strasse, die dann darüber gesprochen haben und festgestellt haben das stimmt so nicht, haben sich diese Meinungen einfach weiterverbreitet. Und in meinem Fall war es vor allem Facebook, das Medium der der Wahl der Aktivisten und Aktivistinnen. Und Facebook hat sich natürlich da überhaupt nicht angesprochen gefühlt und gesagt: Ja, wir, wir verbreiten ja, wir vermitteln ja nur Inhalte. 00:07:16:17 - 00:07:46:05 Daniel Kunzelmann Das ist jetzt nicht unsere Aufgabe. Und ich glaube, da hat sich schon was getan in den letzten zehn Jahren, dass man das eben nicht mehr so einfach sagen kann. Ja, wir, wir vermitteln nur weiter. Aber wir sind immer noch da, dass es höchst problematisch ist, dass man gewisse Positionen einfach darstellen kann und dass die das ist auch mit der Geschwindigkeit zu tun hat, dass diese Positionen sich so schnell weiterverbreiten, dass, wenn man an den Punkt kommt und sagt, das ist Fake News, das ist eine Falschmeldung, dann sind die schon in Umlauf und dann sind sie eigentlich nicht mehr zu stoppen. 00:07:46:05 - 00:08:07:10 Daniel Kunzelmann Und das würde ich sagen, ist die grosse Schwierigkeit. Und da gibt es, glaube ich, auch keinen einfachen Ausweg. Weil was wäre die Lösung, wenn man diese Meinungen dann letztlich zensiert? Aber dann müsste man ganz strikte Filter einführen und dann ist man wieder relativ schnell bei der Zensur. Deswegen also statt zu sagen, Wahrheit und Lüge, finde ich jetzt persönlich gerade diesen Graubereich dazwischen ganz spannend. 00:08:07:10 - 00:08:16:12 Daniel Kunzelmann Und da, wenn man damit politischen Augen drauf schaut, da ergeben sich natürlich ganz viel spannende Auseinandersetzungen, wie denn jetzt um Wahrheit gerungen wird. 00:08:16:14 - 00:08:21:13 Catherine Weyer Bei den Protestbewegungen, die Sie untersucht haben, welche Rolle spielten dort die sozialen Medien? 00:08:21:15 - 00:08:58:24 Daniel Kunzelmann Die sozialen Medien? Die haben eine essenzielle Rolle gespielt für die Protestbewegung, also bei den Protestbewegungen, die ich untersucht habe. Die haben massiv auf soziale Medien gebaut. Ihre Organisationsstruktur war massiv ausgelegt auf soziale Medien. Das hatte viel damit zu tun, dass das Medienmonopol, das traditionelle Medienmonopol, eben nicht zugänglich war für diese, für diese Protestbewegung also. Sie sind nicht leicht ins Fernsehen oder ins Radio gekommen, und da war Social Media eine wunderbare Möglichkeit, wie sie ihre Meinungen, ihre Protestformen, ihre Aktionen nach draussen an andere Menschen transportieren konnten. 00:08:59:00 - 00:09:22:10 Daniel Kunzelmann Also eine essenzielle Rolle haben diese Medien für die Bewegungen gespielt, die ich untersucht habe. Natürlich sind dann auch einige Probleme mitgekommen, aber ich würde es nicht per se sagen, dass diese Medien schlecht waren für diese Bewegung, sondern sie haben ganz stark profitiert von der Mediennutzung, weil sie eben ein niederschwelligen Einstieg ermöglicht haben den Aktivisten und Aktivistinnen. 00:09:22:12 - 00:09:27:11 Catherine Weyer Der Journalist von Rohr sieht in den sozialen Medien ein Katalysator für die Aufstände. 00:09:27:13 - 00:09:55:04 Einspieler Mathieu von Rohr Meiner Meinung nach hat sich das eigentlich eher noch verstärkt. Diese sozusagen inflammatorische Kraft von sozialen Medien. Es war natürlich damals schon so bei den Aufständen in Tunesien und in Kairo und später in Syrien, Jemen. Es hat sich ja über die ganze arabische Welt verbreitet. Also es war damals schon so, dass natürlich Facebook oder Twitter nicht der Grund war für diese Revolution. 00:09:55:06 - 00:10:19:09 Einspieler Mathieu von Rohr Aber eben wie Sprit, den man ein Feuer wirft. Das hat sehr stark zur Ausbreitung beigetragen. Und das haben wir in den vergangenen Jahren eigentlich immer öfter verfolgen können, dass das passiert, dass eben soziale Medien eine unglaubliche Organisationskraft haben, dass es Bewegungen formt, dass es ihnen hilft, sich zu verbreiten, und zwar auf der ganzen Welt. 00:10:19:11 - 00:10:25:03 Catherine Weyer Würden Sie diesen Vergleich auch benutzen, wenn Sie von sozialen Medien und Aufständen reden? 00:10:25:05 - 00:10:54:24 Daniel Kunzelmann Ich würde dieses Bild nicht benutzen, aber nicht, weil ich dem widersprechen würde. Ich man könnte ihn durchaus als Spirit bezeichnen. Ich spreche in meinen Arbeiten eher von Amplifikatoren, also soziale Medien sind Amplifikatoren, die gewisse Phänomene verstärken, die auch so da wären, funktionieren würden. Verbreitet würden. Ähm, also es ist nichts was was erfunden gemacht wird durch die sozialen Medien, aber es wird verstärkt, es wird verbreitet. 00:10:55:01 - 00:10:59:12 Daniel Kunzelmann Wenn man das Bild, die Metapher des Sprit benutzen möchte, dann kann man das sicher auch so nennen. 00:10:59:14 - 00:11:06:07 Catherine Weyer Glauben Sie, dass es gewisse Proteste bereits früher gegeben hätte, wenn sich die Leute über die sozialen Medien hätten vernetzen können? 00:11:06:09 - 00:11:30:17 Daniel Kunzelmann Das ist natürlich eine spannende Frage. Selbst ethische Frage, die ich als empirischer Kulturwissenschaftler jetzt beantworten würde mit da müsste man auf den Einzelfall schauen. Was ich vielleicht generell sagen könnte zu dieser Frage wäre das Soziale Medien, also die haben es leichter gemacht, die sozialen Medien gewisse Proteste dann auch zu verbreiten, da man eben die Kommunikationsmittel relativ einfach bekommt. 00:11:30:17 - 00:11:57:12 Daniel Kunzelmann Man hat eine Plattform, die bietet diese an, das Geschäftsmodell basiert ja darauf, dass man Kommunikationsmöglichkeiten bereitstellt. Die Ziele dafür sind erst mal offen. Also für diejenigen, die die Medien nutzen. Und hier ist es, was tatsächlich passiert, ist, dass Menschen nun viel leichter ihre politischen Meinungen an ganz viele Menschen verbreiten können. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist natürlich, dass das nicht nur eine Partei oder eine Bewegung kann, sondern ganz viele Menschen. 00:11:57:12 - 00:12:24:17 Daniel Kunzelmann Und dann haben wir plötzlich ein Kanalsystem von unzähligen Meinungen und politischen Protestformen, das in gewisser Weise ja auch miteinander in Kompetition steht, also im Wettbewerb miteinander steht. Und dann ist die Frage sozusagen Was ist denn jetzt der wirklich wichtige oder interessante politische Protest und wie gelingt es dieser, dieser Form oder dieser Protestbewegung, sich so darzustellen, dass sie sagen Das ist aber jetzt wirklich das relevante Thema? 00:12:24:19 - 00:12:31:12 Catherine Weyer Bei den sozialen Medien spielen Bilder eine sehr wichtige Rolle. Sind die auch nötig für die Mobilmachung von Protesten? 00:12:31:14 - 00:12:55:17 Daniel Kunzelmann Bilder sind für die Mobilmachung der Proteste essentiell, würde ich sagen. Das Schöne an Bildern ist und das Mächtige an Bildern ist, dass wir fühlen, was wir auf diesen Bildern sehen. Wir können uns direkt identifizieren mit diesen Dingen auf den Bildern. Wir fühlen vielleicht Abneigung, Wut oder ein anderes Gefühl gegenüber das, was auf den Bildern passiert, die direkte Faust, die nach oben gestreckt wird und der Blick nach unten. 00:12:55:17 - 00:13:33:10 Daniel Kunzelmann Viele von uns kennen dieses Bild von Olympia, wo Aktivisten, Aktivistinnen eben für die Bürgerrechtsbewegung eingestanden sind. Die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA und dieses Bild, das ist so ins kollektive Bewusstsein sickern. Und das sorgt häufig dafür, dass wir aktiv werden, dass wir Stellung beziehen und soziale Medien machen es natürlich relativ einfach, uns diese Stellung zu beziehen. Nämlich Wir können Dinge klicken, liken, verbreiten und all die technischen Features, die einprogrammiert sind in soziale Medien und können dann wunderbar diese Emotionen, die über die Bilder in uns hervorgerufen wurden, aufgreifen und sozial weiterverbreiten. 00:13:33:12 - 00:13:36:19 Catherine Weyer Und wie wichtig sind die Proteste für die sozialen Medien? 00:13:36:21 - 00:14:02:07 Daniel Kunzelmann Ja, hier würde ich tatsächlich auf die Treibstoffmetapher zurückkommen. Hier würde ich, glaube ich, sagen das passt tatsächlich. Also soziale Medien brauchen Proteste, wie sie ganz, ganz viele andere Formen der Beteiligung brauchen, um einfach, wie soll ich sagen, Öl ins Feuer des digitalen Kapitalismus zu giessen. Also für soziale Medienunternehmen ist es erst mal unerheblich, ob ich jetzt mich politisch beteilige oder ob ich ein Produkt preise oder kaufe. 00:14:02:07 - 00:14:25:03 Daniel Kunzelmann Wichtig ist, dass man klickt und sich beteiligt und mitmacht und jeder, jeder Klick, jede Beteiligung sorgt dafür, dass die Algorithmen der sozialen Medien mehr über diese Personen lernen, die sich daran beteiligt. Und wir hatten es ja gerade über die Emotionalisierung und die Bilder. Und je stärker der Impuls ist, mich zu beteiligen, desto eher bin ich vielleicht auch bereit, wieder zurückzukehren, um mich wieder zu beteiligen. 00:14:25:03 - 00:14:55:21 Daniel Kunzelmann Und ich werde emotional angesprochen und werde vielleicht wütend oder werde traurig und finde das schlimm, was da passiert, wenn ich Bilder sehe. Also gehe ich auf die sozialen Medien und teile auch meine Meinung. Also teile wirklich im wortwörtlichen Sinne, dass ich auf bestimmte Knöpfe drücke und dann meine Meinung weiterverbreiten möchte. Und all das hält mich natürlich bei der Stange, bei dem sozialen Medium meiner Wahl. Damit, das ist auch wichtig zu sagen, damit möchte ich nicht sagen, dass sozialen Medien per se egal ist, welche Form des Protests da stattfindet. 00:14:55:23 - 00:15:19:12 Daniel Kunzelmann Natürlich glaube ich schon, dass gewisse Protestformen auch den sozialen Medien jetzt nicht egal sind und dass nicht aller Protest vielleicht von sozialen Medienunternehmen gewollt ist. Aber per se ist erst mal für das soziale Medium, egal ob hier protestiert wird oder etwas gekauft wird, es sorgt für Beteiligung und Beteiligung sorgt für Klicks und Klicks sind die Währung würde ich sagen der des digitalen Kapitalismus. 00:15:19:14 - 00:15:23:02 Catherine Weyer Welche Proteste wären denn nicht gewollt in den sozialen Medien? 00:15:23:04 - 00:15:50:17 Daniel Kunzelmann Ja, Proteste, die nicht gewollt sind in sozialen Medien. Also da können wir an ziemlich viele Dinge denken. Nennen wir ein Beispiel: Neonazis. Ich glaube, dass soziale Medienunternehmen, wenn man die direkt fragen würde: Seid ihr einverstanden, dass hier Menschen auf die Strasse gehen und Hass verbreiten und gegen andere agitieren? Dann würden diese Medienunternehmen sagen: Sind wir absolut dagegen. Nichtsdestotrotz gibt es Inhalte von Neonazis auf sozialen Medien. 00:15:50:19 - 00:16:07:20 Daniel Kunzelmann Und jetzt ist die Frage Warum verschwinden diese Inhalte da nicht? Da sind wir eben bei der Frage: Wer bestimmt darüber, was Wahrheit ist? Und wer kann dann die Macht nutzen und gewisse Positionen, die wir sagen, das ist keine Wahrheit, dann von diesen Medien verschwinden zu lassen. 00:16:08:01 - 00:16:14:17 Catherine Weyer Wie schwierig ist es denn, solche Proteste nicht darzustellen, ohne sofort in die Zensur abzurutschen? 00:16:14:19 - 00:16:34:00 Daniel Kunzelmann Also es ist tatsächlich sehr schwierig, diese Meinungen in der Gänze dann auch, ja wie soll ich sagen, von den sozialen Medien wegzubekommen, weil da die Folge dieser Medien schon ist, dass Menschen erst mal ihre Meinung sagen können. Und in dem Moment, wo wir freie Meinungsäusserung haben, dann können wir gewisse Menschen erst mal nicht daran hindern, diese Meinungen zu verbreiten. 00:16:34:04 - 00:16:55:21 Daniel Kunzelmann Aber sobald die Meinung dann draussen ist, dann gibt es natürlich schon entsprechende Möglichkeiten. Und die sozialen Medienunternehmen sind ja dann auch gesetzlich angewiesen, gewisse Meinungen wieder von dem Medium wegzunehmen, runter zu nehmen. Also da gibt es dann auch technische Möglichkeiten bis zu einem gewissen Grad. Das Problem ist, wenn sich diese Meinungen schon verselbstständigt haben, dann können nämlich die ursprünglichen Meinungen oder Meinungsgeber vielleicht gesperrt werden. 00:16:55:21 - 00:17:23:22 Daniel Kunzelmann Aber dann sind die Meinungen, die sie verbreitet haben, schon in Umlauf und die Algorithmen machen sozusagen ihre Arbeit. Und da wirklich technische Systeme zu entwickeln, die perfekt unterscheiden können zwischen: Das ist jetzt aber eine rechtsextreme Meinung, die Hass verbreitet. Und das ist jetzt eine Meinung, wo gerade noch grenzwertig freie Meinungsäusserung ausgeübt wird. Das ist extrem schwierig und das ist, glaube ich auch eine Frage, die sich letztlich erst im Diskurs entscheidet, wenn man gemeinsam darüber spricht: Welche Meinungen sind denn überhaupt sagbar? 00:17:23:22 - 00:17:45:11 Daniel Kunzelmann Also was ist denn überhaupt im Bereich des Sagbaren? Und da ein komplett technisches System zu entwickeln, glaube ich, ist ziemlich schwierig und da könnte man wirklich Gefahr neigen, dass man dann in das andere Extrem überschlägt und dann Zensur Mechanismen kreiert, die dann vielleicht auch Inhalte vom Netz nehmen. Aus den sozialen Medien nehmen, wo wir sagen würden aber das ist doch schon eine legitime Meinungsäusserung. 00:17:45:13 - 00:17:53:20 Catherine Weyer Steht diese Emotionalität ein bisschen in einem Widerspruch mit einer Wahrheitsfindung, die ja auf den sozialen Medien stattfindet oder stattfinden könnte? 00:17:53:22 - 00:18:15:13 Daniel Kunzelmann Ja, ich glaube, was diese Emotionalität tatsächlich macht, ist: Sie sorgt dafür, dass wir oftmals gar nicht dazu kommen, zu reflektieren. Also Reflexion ist ja eine kognitive Leistung, wo wir erst mal im besten Fall auch ein bisschen Abstand brauchen und vielleicht auch noch anderen Input brauchen, andere Dinge gelesen haben, andere Meinungen gehört haben und dann mit Abstand schauen wir noch mal drauf. 00:18:15:13 - 00:18:40:19 Daniel Kunzelmann Wir denken drüber nach. Und die Emotionalität und die Aktivierung der Emotionen über soziale Medien sorgt dafür, dass häufig dieser Prozess gar nicht stattfinden kann, sondern wir gehen instinktiv davon aus, dass etwas so ist, wie es ist. Diese Emotionen, die wir fühlen, Emotionen sind ja etwas, das selbst validierend ist. Also wir fühlen jetzt diese Wut und dann drücken wir die auch gleich aus und klicken und können mit einem Klick dieser Emotion dann auch Ausdruck verleihen. 00:18:40:21 - 00:19:09:14 Daniel Kunzelmann Und wenn wir gewartet hätten, oder wenn wir manchmal warten und dann noch mal darüber nachdenken, eine Nacht drüber schlafen, dann würden wir vielleicht sagen, es ist so, würden wir es vielleicht nicht formulieren. Und soziale Medien möchten uns diese Zeit gar nicht geben. Sie brauchen diese Intensität der Klicks und dann hat man vielleicht auch mal schnell was verbreitet, wo man eigentlich, wenn man länger drüber nachdenkt, sagen würde Das stimmt ja eigentlich gar nicht so und in dem Sinne würde ich schon sagen, dass sie zumindest der Wahrheitsfindung keinen Gefallen tun. 00:19:09:16 - 00:19:16:04 Catherine Weyer Mathieu von Rohr sagt, dass der arabische Frühling keine langfristigen Veränderungen erzielen konnte. 00:19:16:06 - 00:19:46:02 Einspieler Mathieu von Rohr Diese Menschenmassen zusammenzubringen, das hat ganz stark sich vereinfacht durch soziale Medien. Die interessante Frage ist so ein bisschen, was davon eigentlich am Ende geblieben ist, welche Revolutionen am Ende eigentlich erfolgreich waren oder welche dieser Bewegungen, die sich über soziale Medien formiert haben. Am Ende ist mein Eindruck, dass die Staatsmacht vielerorts es dann doch geschafft hat, diese Proteste einzudämmen und dass wenige dieser Revolutionen wirklich erfolgreich waren. 00:19:46:02 - 00:19:59:08 Einspieler Mathieu von Rohr Selbst da, wo sie erfolgreich waren, wie im Nahen Osten, wie in Ägypten oder Tunesien, sehen wir ja das jetzt, zehn Jahre später, letztlich diese ganzen demokratischen Reformen entweder sehr früh oder spätestens jetzt zunichte gemacht wurden. 00:19:59:10 - 00:20:07:04 Catherine Weyer Welche Erfahrung konnten Sie in Ihren empirischen Studien machen? Gab es dank der Protestbewegungen langfristige und tiefgreifende Veränderungen? 00:20:07:06 - 00:20:40:23 Daniel Kunzelmann Also bei den von mir erforschten Protestbewegungen würde ich schon sagen, dass es langfristige Änderungen gab. Das würde ich schon sagen. Und zwar sind einer der Gründe, warum in Spanien im Nachklang der Finanzkrise so viele 100'000 Menschen auf die Strasse gegangen sind. Waren die Zwangsenteignungen, die stattgefunden haben, im Nachgang an die Finanzkrise und es gab ein ziemlich krasses Gesetz zur Zwangsenteignung, was dazu geführt hat in Spanien, dass die Menschen ihre Hypotheken weiterhin bezahlen mussten, obwohl ihnen das erworbene Wohneigentum weggenommen wurde. 00:20:41:04 - 00:21:02:08 Daniel Kunzelmann Also muss man sich erst mal vorstellen, das war wirklich ein sehr krasses Gesetz, eine Gesetzgebung, und das wurde geändert. Also die politische Protestbewegung, die ich begleitet habe und die dann sich transformiert hat in eine Partei. Diese Partei hat mit dafür gesorgt, dass dieses Gesetz geändert wurde, dass die Zwangsenteignung nicht mehr so stattfindet, wie sie vor diesen Protestformen stattgefunden hat. 00:21:02:08 - 00:21:35:00 Daniel Kunzelmann Und ich würde sagen, das ist keine kleine Änderung gewesen. Und die Aktivisten und Aktivisten, die haben dafür gesorgt, dass diese Änderung stattfindet. Und die sozialen Medien, die haben natürlich ein kleinen Teil dazu beigetragen, dass sie diese Message nach draussen bringen konnten. Wenn wir uns so grosse Veränderungen anschauen, wie wenn wir zum Beispiel den sogenannten Arabischen Frühling anschauen. Ja, es ist natürlich immer die Frage, wenn so ein grosser, idealistischer Wurf angefangen wird und am Ende gelingt dieser Wurf nicht in diesen 100 %, dann ist man natürlich geneigt zu sagen, da ist nichts passiert. 00:21:35:02 - 00:21:47:02 Daniel Kunzelmann Ich bin jetzt kein Experte, was genau diesen Protest angeht, aber ich würde schon sagen, dass trotzdem gewisse Dinge angestossen wurden, die jetzt auch nachhaltig noch wirken, wenn vielleicht auch nicht in diesem ganz grossen Rahmen. 00:21:47:04 - 00:21:52:14 Catherine Weyer Aber Sie würden sagen, dass kleinere Veränderungen dank den sozialen Medien doch immer wieder möglich sind. 00:21:52:20 - 00:22:28:24 Daniel Kunzelmann Ich würde nicht sagen, dass die kleinen Veränderungen dank den sozialen Medien möglich sind. Aber ich würde es sagen, dass kleine Veränderungen über politischen Protest möglich sind und soziale Medien heute von politischem Protest zu trennen, ist quasi unmöglich. Das ist eine der Medienformen, die politische Bewegungen benutzen. Und insofern sind sie natürlich hilfreich für die politischen Bewegungen und tragen ihren kleinen Teil dazu bei, aber nicht per se, als weil sie als soziale Medien Veränderungen hervorrufen, sondern weil sie ein Kommunikationsmedium sind, was relativ einfach zugänglich ist für politische Bewegungen. 00:22:29:01 - 00:22:32:24 Daniel Kunzelmann Und dadurch können diese politischen Bewegungen dann Veränderungen hervorrufen. 00:22:33:01 - 00:22:42:13 Catherine Weyer Ein neueres Phänomen sind Prominente, die ihre Accounts und ihre Reichweite verschenken. Wird Reichweite zu einer neuen Währung oder ist das eher PR in eigener Sache? 00:22:42:15 - 00:23:08:12 Daniel Kunzelmann Ja, es gibt ja jetzt das Phänomen, dass sogenannte Influencer, Influencerinn, Promis ihre Accounts bereitstellen, um damit vielleicht Menschen zu erreichen, die sich vielleicht nicht oder nicht in dem Masse so jedenfalls das ist die Aussage, interessieren würden. Für gewisse politische Themen und hier würde ich sagen, da werden sicher Zielgruppen angesprochen, die vielleicht nicht so einfach sich mit diesen Themen auseinandergesetzt haben. 00:23:08:14 - 00:23:34:01 Daniel Kunzelmann Ist jetzt erst mal eine These, aber man könnte schon sagen, dass das passiert und das würde ich sagen, ist es so ein zweischneidiges Schwert. Im ersten Moment würde ich sagen, es ist auf jeden Fall mal positiv, dass Dinge, die richtig krass sind, die da draussen in der Welt passieren, dass man auf die hingewiesen wird. Und wenn es dazu Menschen braucht, die gewisse Reichweiten haben, die von der Währung Gebrauch machen können, die soziale Medien bieten, dann ist das eine gute Sache. 00:23:34:03 - 00:23:56:13 Daniel Kunzelmann Zweischneidig deswegen, weil die Frage natürlich ist, inwieweit es dann nachhaltige Effekte hat, also inwieweit dann die Aktivisten, Aktivistinnen zum Beispiel im Iran wirklich davon profitieren. Wenn jetzt jemand wie David Beckham politisch wird und Dinge verbreitet, neben all den anderen Posts, die ich gar nicht weiss, er so genau postet, aber alles, was er sonst von sich gibt, ja was denn 00:23:56:13 - 00:24:27:15 Daniel Kunzelmann sozusagen die Auswirkungen sind nachhaltig. Und hier würde ich schon sagen, das würde ich bezweifeln, ob das dann nachhaltig ist. Deswegen ein zweischneidiges Schwert. Es bringt auf jeden Fall was. Also es trägt dazu bei, dass an gesellschaftliche Diskurs angestossen wird, aufrechterhalten wird, dass sich so ein Diskursschwerpunkt bildet. Da haben dann auch traditionelle Medien spielen dann auch eine Rolle, die vielleicht dann auch eher geneigt sind zu sagen ja, wenn jetzt auch noch so viele Influencer, Influencer, Prominente darauf aufspringen, dann muss es ein wichtiges Thema sein. 00:24:27:17 - 00:24:49:08 Daniel Kunzelmann Es schafft so ein Gesamtbild, wo dann gesagt wird, das ist wichtig. Darüber sollten wir in unserer Gesellschaft sprechen. Es trägt dazu bei, inwieweit dann diese Menschen, die dann diese Nachrichten wiederum konsumieren, dann auch wirklich politisch aktiv werden, das ist eine andere Frage. Da habe ich jetzt auch noch keine Antwort oder keine einfache Antwort drauf und ein zweischneidiges Schwert, so würde ich es vielleicht beschreiben. 00:24:49:10 - 00:25:06:02 Catherine Weyer Wir benutzen die sozialen Medien ja nicht nur für politische Kommunikation. Das Smartphone ist ein ständiger Begleiter von den meisten von uns. Was würden Sie sagen? Worauf müssen wir achten, damit die Emotionalität dieser Inhalte nicht Überhand nimmt, sei das jetzt im politischen Rahmen, aber auch ganz grundsätzlich ja. 00:25:06:02 - 00:25:36:08 Daniel Kunzelmann Ein anderes Konzept, mit dem ich gearbeitet habe, als ich versucht habe zu verstehen, was passiert da in Spanien und mir die Social Media Nutzung angeschaut habe, ist das Konzept der Egomedien? Man kann soziale Medien als Egomedien verstehen in dem Sinne, dass sie uns immer das zeigen, was uns gut tut. Sie blenden sozusagen die kognitive Dissonanz aus, also dass wir Widersprüchliches vielleicht finden und dann sagen: Ja Moment, aber das ist doch irgendwie widersprüchlich und lass uns drüber nachdenken. 00:25:36:08 - 00:25:57:24 Daniel Kunzelmann Sondern die Algorithmen der sozialen Medien, die sorgen häufig dafür, dass uns genau das gezeigt wird, was wir ohnehin schon gut finden, also was unser Ego sozusagen schmeichelt. Und das ist sicherlich die eine Gefahr, dass wir, wenn wir in so Echokammern gefangen sind, uns ziemlich bewusst sind, dass wir dann gar nicht mehr geneigt sind, vielleicht auch Dinge wahrzunehmen, die jenseits von unserer eigenen Meinung stattfinden. 00:25:57:24 - 00:26:29:24 Daniel Kunzelmann Das ist sicherlich eine Gefahr, wenn man das politisch anschaut. Und die andere Gefahr für die Einzelnen, die haben mit dem zu tun, was ich auch beobachtet habe. Während meiner Forschung, nämlich den Activist Burn out, also die Aktivisten, Aktivistinnen, die haben tatsächlich so eine Form von, das haben sie in Gesprächen mir gegenüber auch immer wieder betont von so einem Burnout gehabt, weil sie eben ständig mobilisiert, emotionalisiert waren von ihren Protesten und auch dieses Mobilisieren und Emotionalisieren selbst betreiben mussten und eigentlich unter so einem Dauerfeuer standen. 00:26:30:01 - 00:26:49:11 Daniel Kunzelmann Von sozialen Medien und den Inhalten, die da auf sie zukam. Sie waren quasi immer mit ihrer Timeline beschäftigt und das hat dann zu einem Überforderungsgefühl mit beigetragen. Und ich glaube, dieses Gefühl kennen wir auch alle, wenn wir mal so richtig gesättigt sind von dem, was da draussen in der Welt passiert, was uns dann auf unserer Timeline gespiegelt wird. 00:26:49:15 - 00:26:57:10 Daniel Kunzelmann Und das ist, glaube ich, auf lange Sicht sicher nicht gesund für uns und sicher auch nicht für unsere Produktivität. 00:26:57:12 - 00:27:02:07 Catherine Weyer Das heisst weg von den sozialen Medien oder regelmässige Pausen einlegen? 00:27:02:09 - 00:27:32:07 Daniel Kunzelmann Ich würde tatsächlich dafür plädieren, dass wir ein wenig digitalen Minimalismus walten lassen, also dass wir uns ganz genau überlegen, welche Medien möchten wir brauchen? Wir müssen wir für etwas verwenden. Und dann verwenden wir diese Medien, weil wir sie brauchen, weil wir es müssen und lassen sie dann aber auch wieder links liegen, wenn wir sie nicht mehr brauchen. Also dass wir uns wirklich bewusst achtsam könnte man auch sagen, mit diesen Medien auseinandersetzen und dann Dinge, die uns nicht gut tun, auch einfach sein lassen. 00:27:32:07 - 00:27:55:03 Daniel Kunzelmann Das ist überhaupt nicht einfach. Wir alle kennen dieses vielleicht Gefühl ist auch Bestätigung oder vielleicht auch dieses Suchtgefühl, wenn man wieder so in so einer Schleife drin hängt. Auf Social Media rumhängt und es dann sein zu lassen, ist gar nicht mal so einfach. Aber wenn wir ein bisschen Abstand gewinnen von diesen Medien und vielleicht auch beobachten, was sie in uns hervorrufen, was sie mit uns machen, dann können wir auch sagen, die Medien brauchen wir eigentlich für das gar nicht. 00:27:55:03 - 00:28:29:11 Daniel Kunzelmann Also sie dann wieder links liegen lassen, gewisse Medien vielleicht komplett abbestellen, wenn wir uns bewusst sind, dass wir sie nicht mehr brauchen. Ich habe zum Beispiel, das war so eine Konsequenz aus meinen Forschungen, in dem Moment, wo ich verstanden habe, welche Ausmasse auch negativen Ausmasses soziale Medien haben können, habe ich meinen Konsum und meine Verwendung gewisser Medien ziemlich eingeschränkt. Ich bin digital minimal geworden, wenn man so will, ohne sie komplett sein zu lassen, weil die Medien, die ja, die sind natürlich auch wichtig über all die Dinge, die, über die wir gesprochen haben und wir sollten sie gezielt verwenden. 00:28:29:13 - 00:28:33:14 Catherine Weyer Wie sehr werden die sozialen Medien Sie in Ihrer künftigen Forschung begleiten? 00:28:33:16 - 00:28:59:00 Daniel Kunzelmann Ja, ich glaube, es bleibt spannend. Soziale Medien, die werden uns nicht verlassen, da bin ich ziemlich sicher. Das heisst, wir werden lernen müssen, weiter mit ihnen umzugehen. Und in meiner jetzigen Forschung, da geht es vor allem darum, was soziale Medien, was digitale Mediennutzung mit der mobilen Arbeit macht. Da sind wir während Corona schon darauf hin gewiesen worden, hingeleitet worden, dass sich gewisse Arbeitsformen anders organisieren lassen. 00:28:59:00 - 00:29:12:17 Daniel Kunzelmann Und da sind wir massiv weiterhin auf soziale Medien, digitale Medien angewiesen. Die werden uns weiter begleiten und ich interessiere mich dann dafür, was diese Medien mit unserer Gesundheit und Produktivität macht. Und ich glaube, da wird es weiterhin spannend bleiben. 00:29:12:19 - 00:29:14:20 Catherine Weyer Herr Kunzelmann, vielen herzlichen Dank! 00:29:14:22 - 00:29:16:05 Daniel Kunzelmann Vielen Dank! 00:29:16:07 - 00:29:36:12 Catherine Weyer Das war Unisonar, der Wissens-Podcast der Universität Basel. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. Dies ist das Ende der ersten Staffel. Neue Folgen zu einem neuen Thema gibt es Anfang Mai 2023. Hier und überall, wo es Podcasts gibt. Bis bald.