00:00:01:11 - 00:00:35:08 Christopher Geth Der Gesetzgeber hat eigentlich schon seit langem entschieden, dass wir eben eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Tat begangen wurde, verlangen, bis wir eine Verurteilung rechtfertigen können, weil wir lieber jemanden Schuldigen freisprechen, als jemanden Unschuldigen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Die allermeisten Strafverfahren laufen gerecht und fair, würde ich jetzt mal so sagen. Wobei das rein anekdotisch ist und jetzt nicht auf einer wissenschaftlichen Untersuchung basiert, die auch sehr schwierig wäre, in diesem Bereich anzustellen. 00:00:35:10 - 00:00:48:10 Christopher Geth Man könnte auch drüber nachdenken, ob man gesellschaftliche Probleme nicht auch durch andere Möglichkeiten löst, als durch das Schaffen von weiteren Strafnormen. 00:00:48:12 - 00:01:13:09 Catherine Weyer Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissens-Podcast der Universität Basel. Heute mit dem Strafrechtsprofessor Christopher Geth und der Frage, wie gerecht die Justiz ist. Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expert*innen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung. In dieser Staffel sprechen wir über Gerechtigkeit. Herr Geth, ist die Strafjustiz dazu da, für Gerechtigkeit zu sorgen? 00:01:13:11 - 00:01:47:09 Christopher Geth Ja, das Ziel ist natürlich immer, Gerechtigkeit zu erreichen an einem Strafverfahren. Die Frage ist immer nur, wie man das kann. Und natürlich auch von der Idee der Gerechtigkeit her wird man wohl sagen müssen, dass ein gerechter Strafprozess aus unterschiedlichen Verfahrensrollen auch unterschiedliche Anforderungen mit sich bringt. Zum Beispiel: Die Gesellschaft oder das Opfer wird von einem Strafverfahren erwarten, dass es zu einem Abschluss kommt, dass es zu einem Urteil kommt, dass es auch zu einer Verurteilung kommt und möglicherweise auch zur Genugtuung, die dann zu leisten wäre. 00:01:47:09 - 00:01:58:09 Christopher Geth Vom vom Täter gegenüber dem Opfer und der Täter selber, bei dem sie das natürlich anders aus. Der hat andere Ansprüche und andere Erwartungen an einen Strafprozess. 00:01:58:11 - 00:02:05:07 Catherine Weyer Weshalb ist es überhaupt wichtig, dass auch Täter*innen Gerechtigkeit erfahren? Haben sie dies nicht mit ihrer Straftat verwirkt? 00:02:05:09 - 00:02:38:10 Christopher Geth Zunächst einmal denke ich, dass es wichtig ist zu wissen, dass ein Strafverfahren immer geführt wird gegen eine Person, die per definitionem als unschuldig anzusehen ist, weil wir ja noch kein rechtskräftiges Urteil haben. Schuld im strafrechtlichen Sinne setzt immer eine Verurteilung voraus, und die soll ja gerade noch bewirkt werden. Die haben wir ja noch nicht. Deswegen wird ja das Strafverfahren auch geführt und deswegen möchte ich eigentlich auch eher von einer beschuldigten Person sprechen und nicht von dem Täter oder der Täterin, weil das ja erst das Ergebnis eines Strafverfahrens ist. 00:02:38:12 - 00:03:12:02 Christopher Geth Und das bringt nun einige Besonderheiten dann auch mit sich, weil man dann natürlich auch berücksichtigen muss, dass es ja auch sein kann, dass ein Strafverfahren gegen eine Person geführt wird, bei der sich im Nachhinein herausstellt, dass sie eben unschuldig ist. Die Unschuldsvermutung verlangt also auch, dass man ein Verfahren so ausgestalten muss, dass die Konsequenzen auch tragbar sind. Wenn dann das Verfahren eine schliesslich unschuldige Person betroffen hat. Und zu berücksichtigen ist, dann das Ganze vor allem bei den sogenannten Zwangsmassnahmen. 00:03:12:04 - 00:03:41:17 Christopher Geth Wenn also der Staat auch in Grundrechte eingreift von beschuldigten Personen, das kann er verschiedentlich tun. Da gibt es eine ganze Reihe von Zwangsmassnahmen, die das Gesetz kennt, zum Beispiel gibt es Zwangsmassnahmen, die auch die Freiheit beeinträchtigen. Das sind so die gravierendsten Zwangsmassnahmen. Das wäre zum Beispiel die Untersuchungshaft. Und dort muss man die Voraussetzungen dann entsprechend hoch schrauben. Auch damit man dann nicht später zu lange eine Person unschuldig in Untersuchungshaft hatte. 00:03:41:19 - 00:03:46:18 Catherine Weyer Kann bei einem Verbrechen wie beispielsweise einem Mord überhaupt ein gerechtes Urteil gesprochen werden? 00:03:46:20 - 00:04:15:11 Christopher Geth Ich denke schon. Also ein Strafverfahren hat eben die Anforderungen, oder muss der Anforderungen gerecht werden, diese Interessen, die widerstreitenden Interessen zwischen der Gesellschaft, dem Opfer und auch der beschuldigten Person in Einklang zu bringen. Und das ist natürlich die grosse Herausforderung, auch gerade bei Verfahren, die dann eben Kapitaldelikte wie Mord oder auch andere schwere Straftaten – Sexualstraftaten beispielsweise – betrifft, dass es das eben gewährleisten muss. 00:04:15:13 - 00:04:45:16 Christopher Geth Und man sagt ja gemeinhin eigentlich, dass ein Urteil dann gerecht ist oder eben nach dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl als gerecht eingestuft werden kann. Wenn es den Schuldigen, also den tatsächlich Schuldigen, dann zu einer angemessenen Sanktion verurteilt und das Verfahren insgesamt fair ist. Und gerade hinter dieser zweiten Sache, hinter der Verpflichtung zur Fairness, stehen eine ganze Reihe von Themen, die in der Praxis nicht ganz einfach sind und die auch schwierige prozessuale Fragen aufwerfen. 00:04:45:18 - 00:04:58:12 Catherine Weyer Das heisst, ein Urteil kann auch dann ungerecht sein, wenn lediglich der Prozess unfair war. Also obwohl am Ende der Täter verurteilt wurde für etwas, das er getan hat, ist das Urteil ungerecht? 00:04:58:14 - 00:05:44:11 Christopher Geth Ja, in Ausnahmefällen, in Sonderfällen ist das, denke ich so Die Prozessordnung kennt diesbezüglich auch Regelungen, die die sogenannte Beweisverwertung betreffen, also Beweise, die auf unzulässige Weise erhoben worden sind. Die dürfen dann nicht gegen die beschuldigte Person verwendet werden. Zu denken ist hier beispielsweise an Fälle von Folter etwa. Da gab es auch schon Urteile, jetzt nicht in der Schweiz zu, aber beispielsweise im Ausland, wo dann eben auch klargestellt wurde, auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass diese Beweise unverwertbar sind oder auch zum Beispiel der Einsatz von halluzinogenen Stoffen, wäre ein solcher Fall oder auch andere verbotene Methoden der Beweisausforschung. 00:05:44:13 - 00:06:05:08 Christopher Geth Solche Beweise dürfen eben nicht herangezogen werden, um Personen zu verurteilen. Und das Problem ist, wenn man keine anderen Beweise hat. Und da gibt es durchaus Fälle, dann kann das eben auch zu einem Freispruch führen. Bzw. eine Verurteilung wäre dann eben unfair, wäre ungerecht, weil sie auf einem Beweis beruht, den man nicht verwenden darf. 00:06:05:10 - 00:06:10:05 Catherine Weyer Auch wenn man letzten Endes den Täter, die Täterin damit überführt. 00:06:10:07 - 00:06:46:17 Christopher Geth Ja, ich denke schon. Wir haben einen Rechtsstaat, an dem wir uns orientieren müssen. Die Regeln sind diesbezüglich auch eindeutig und klar. Nicht jeder Rechtsverstoss führt automatisch zu einem Beweisverlust. Das sind wirklich nur gravierende Verstösse gegen die Prozessordnung, die dann letztlich dazu führen, dass auch in einem Extremfall eine Person freigesprochen werden muss, von der man meint oder jedenfalls Beweise hätte, jetzt unverwertbare Beweise, die dann für die Tat sprechen würden, weil wir eben ein rechtsstaatliches Verfahren haben und Beweise nicht irgendwie gesammelt werden können, sondern eben nur auf Prozessordnungsgemässe Weise. 00:06:46:19 - 00:06:49:15 Catherine Weyer Sie haben dafür auch ein konkretes Beispiel mitgebracht. 00:06:49:17 - 00:07:26:02 Einspieler Am 19. Oktober 2009 wurde Frau A. Um 5:30 vor ihrer Wohnung in Zürich getötet. Der oder die Täter haben aus kurzer Distanz mindestens fünf Mal auf sie geschossen. 2018 wurde der Mann von Frau A. Vom Bezirksgericht Zürich des Mordes für schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil erhob Herr A. Berufung. Er machte geltend, dass seine Selbstbelastungsfreiheit nicht gewahrt wurde und er unter Druck gesetzt worden sei, den Mord an seiner Frau zu gestehen. 00:07:26:04 - 00:07:57:10 Einspieler Was davor passiert ist: Während der vergangenen Strafuntersuchung, die sich über mehrere Jahre hinzog, betonte der Angeklagte Herr A. immer, dass er seine Frau nicht umgebracht habe. Deshalb wurde gegen ihn eine verdeckte Ermittlung eingesetzt. Dabei konnte ein verdeckter Ermittler das Vertrauen von Herrn A. gewinnen und überredete ihn, eine Wahrsagerin aufzusuchen, die in Wirklichkeit eine zweite verdeckte Ermittlerin war. Die Wahrsagerin setzte ihr Wissen über die polizeilichen Ermittlungen ein, um Herrn A. 00:07:57:10 - 00:08:22:18 Einspieler von ihren magischen Kräften zu überzeugen, und machte sich seine Angst vor übersinnlichen Mächten zunutze. Sie beschwor den bösen Geist des Opfers herauf, das einen negativen Einfluss auf das Leben von Herrn A. nehmen würde. Die Wahrsagerin meinte, dass der Geist immer hartnäckiger werden würde und suggerierte, dass für Herrn A. eine konkrete Gefahr bestehe. Der verdeckte Ermittler, der das Vertrauen von Herrn A. 00:08:22:18 - 00:08:32:19 Einspieler erlangt hatte, überredete diesen schliesslich, den Mord an seiner Frau zu gestehen. Aufgrund dieses Geständnisses wurde er vom Bezirksgericht Zürich verurteilt. 00:08:32:21 - 00:08:35:08 Catherine Weyer Was passierte bei dem Berufungsverfahren? 00:08:35:10 - 00:09:02:06 Christopher Geth Der Mann wurde dann tatsächlich im Berufungsverfahren im September 2020 vollumfänglich freigesprochen, weil das eben der einzige Beweis war oder der wesentliche Beweis war, auf dem das Urteil basierte. Dagegen ist dann die Staatsanwaltschaft vorgegangen und hat sich an das Bundesgericht gewandt, das dann die Frage entscheiden musste, ob dieser Beweis verwertbar ist oder nicht. Das Bundesgericht hat dann einen Verstoss gegen die sogenannte Selbstbelastungsfreiheit angenommen. 00:09:02:08 - 00:09:38:10 Christopher Geth Und dieses Geständnis, das der Ehemann dann abgegeben hatte gegenüber dieser vermeintlichen Wahrsagerin, die ja eben eine verdeckte Ermittlerin war, als unverwertbar eingestuft. Und zwar hat das Gericht so argumentiert, dass es sich um eine sogenannte vernehmungsähnliche Situation gehandelt habe, weil die Befragung, die dann durchgeführt wurde, im Rahmen eben dieser Wahrsagesituation eben eine Situation heraufbeschworen hat, in der der Beschuldigte eben nicht mehr wirklich frei hat. 00:09:38:10 - 00:10:13:18 Christopher Geth aussagen können. Zulässig wäre es gewesen, wenn zum Beispiel die verdeckte Ermittlerin beobachtet hätte und wahrgenommen hätte, dass der Beschuldigte in anderen Kontext ein Geständnis abgibt oder Beweise dafür liefert für diese Tat. Aber hier fand eine eine Einwirkung statt, eine Drucksituation statt auf den Beschuldigten, die dann das Bundesgericht dazu bewogen hat, wie ich finde, auch zu Recht zu sagen, dass da das Mass der zulässigen Einwirkung auf den Beschuldigten hier überschritten sei. 00:10:13:24 - 00:10:40:07 Christopher Geth Also ich kann hier ein paar Beispiele nennen, vielleicht aus dem Bundesgerichtsentscheid, was da passiert ist. Offenbar war es so, dass anlässlich eines Treffens gesagt worden sein soll, dass eben diese Wahrsagerin die Anwesenheit des Geistes des Opfers im Raum, also seiner verstorbenen Ehefrau im Raum, spüre und dass dieser Geist erbost sei, dass er das Heranwachsen der Kinder nicht mehr miterleben könne. 00:10:40:09 - 00:11:18:17 Christopher Geth Und der Geist habe ihr, also der verdeckten Ermittlerin, ausserdem gezeigt, was wirklich passiert sei und dabei eben auch eine Pistole genannt. Und auf der Grundlage dessen, dass dann die Strafverfolgungsbehörden auch wussten, dass der Beschuldigte hier der Spiritualität sehr zugeneigt war und eigentlich auch an diese Form von Wahrsagerei glaubte, legte er dann das Geständnis ab gegenüber der Wahrsagerin und äusserte vorher, noch bevor er das Geständnis abgab, dass er endlich seine Ruhe haben wolle und er auch seine Kinder und ihn vor diesem Geist schützen wolle. 00:11:18:19 - 00:11:47:13 Christopher Geth Und das war dann eine Einwirkung, die auf den Beschuldigten hier vorlag, die das Bundesgericht als zu weit gehend eingestuft hat und quasi diese Drucksituation war dann massgebend dafür, dass diese Aussage nicht mehr frei war, nicht mehr freiwillig war, sondern eben durch gewissen Zwang verursacht. Und das hat dann eben die Selbstbelastungsfreiheit verletzt, weshalb dann letztlich dieser Beweis als unverwertbar eingestuft wurde. 00:11:47:15 - 00:11:51:17 Catherine Weyer Denn der Täter ist noch kein Täter. Es gilt immer noch die Unschuldsvermutung. 00:11:51:19 - 00:12:20:05 Christopher Geth Völlig richtig, die Unschuldsvermutung zwingt den Staat dazu und ich glaube auch zu Recht, die Person so lange als unschuldig anzusehen, bis sie verurteilt wurde. Und es gibt natürlich auch Regeln, die das Beweismass betreffen. Eine Person darf erst dann verurteilt werden, wenn die Schuld mit an Sicherheit grenzender oder jedenfalls mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Wenn keine ernst zu nehmenden Zweifel an der Schuld des Angeklagten mehr bestehen. 00:12:20:07 - 00:12:57:19 Christopher Geth Und insofern ist das eine Situation, die wir noch relativ häufig antreffen, dass es sein kann, dass eine Person, die die Tat tatsächlich begangen hat, nicht verurteilt werden kann, weil die Beweismassstäbe uns daran hindern, sie zu verurteilen. Der Gesetzgeber hat eigentlich schon seit langem entschieden, dass wir eben eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Tat begangen wurde, verlangen, bis wir eine Verurteilung rechtfertigen können, weil wir lieber jemanden Schuldigen freisprechen, als jemanden Unschuldigen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe zu verurteilen. 00:12:57:21 - 00:13:16:04 Catherine Weyer Wie gross ist da eigentlich der Interpretationsspielraum? Also muss man eigentlich davon ausgehen, die Strafverfolgungsbehörden hätten wissen müssen, dass diese Beweise, die sie hier mit der verdeckten Ermittlung erlangen, nicht verwertbar sind. Oder hätte es bei einem anderen Richter, einer anderen Richterin, auch sein können, dass der Entscheid anders ausgeht? 00:13:16:06 - 00:13:53:10 Christopher Geth Na ja, die Tatsache, dass die Vorinstanz, also die erste kantonale Instanz, die Verwertbarkeit angenommen hatte, so nehme ich das jedenfalls dem Bundesgerichtsentscheid, zeigt ja, dass man auch anders hätte entscheiden können. Also es gäbe sozusagen juristisch Argumente, auch anders zu entscheiden. Wobei ich schon sagen muss, dass dieser Fall aussergewöhnlich war und das ist schon, wenn man jetzt die übrige Rechtsprechung des Bundesgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wenn man die sorgfältig studiert, dann gibt es schon gewisse Indizien, dass das jedenfalls ein sehr problematisches Vorgehen war. 00:13:53:12 - 00:14:17:22 Christopher Geth Das Problem in solchen Konstellationen ist ja immer: Die Strafverfolgung ist in der Situation, ansonsten möglicherweise gar keine Beweise zu haben. Das Risiko für die Strafverfolgung ist natürlich vor allem in jenen Situationen dann kleiner, wenn andere Beweise auch noch da sind und man einfach diesen Beweis wie auch noch möchte, weil natürlich ein Geständnis immer ein besonders wertvoller Beweis ist. 00:14:17:24 - 00:14:23:00 Christopher Geth Aber in dieser Konstellation gab es keine anderen und deswegen versuchte man diesen Weg. 00:14:23:02 - 00:14:31:06 Catherine Weyer In diesem Fall bedeutet das aber, dass die Hinterbliebenen kein gerechtes Urteil gegen den Mörder ihrer Mutter, Tochter oder Freundin bekommen haben. 00:14:31:08 - 00:14:54:17 Christopher Geth Das ist richtig. Es ist letztlich Konsequenz des Strafanspruchs, der eben nicht beim Opfer liegt. Bzw in diesem Fall bei den Hinterbliebenen des Opfers, sondern beim Staat selbst. Wenn man das konsequent weiterdenkt und das macht unsere Prozessordnung, dann bedeutet das auch, dass der Staat verantwortlich ist für die Beweiserhebung und damit auch für die Einhaltung der Regeln bei der Beweiserhebung. 00:14:54:19 - 00:15:18:16 Christopher Geth Und wenn gegen diese Regeln verstossen wird, dann hat das natürlich möglicherweise auch Konsequenzen für das Opfer, weil das Opfer dann zum Beispiel Genugtuungsansprüche nicht mehr geltend machen kann. Im Strafverfahren jedenfalls. Und weil das natürlich auch aus Perspektive des Opfers keine Gerechtigkeit erfährt, weil es dem Opfer natürlich auch dem Sinne fast egal ist, auf welche Weise der Staat die Beweise erhebt. 00:15:18:21 - 00:15:31:20 Christopher Geth Es hat an sich ja auch einen Anspruch darauf, dass die Beweise rechtsförmig erhoben werden. Und insofern ist es natürlich schon immer auch ein negativer Reflex für das Opfer, wenn der Staat hier versagt und eben die Beweismittel nicht einhält. 00:15:31:22 - 00:15:45:20 Catherine Weyer Die Justiz behandelt ja nicht nur Verbrechen, bei denen es um Leben und Tod geht, auch zu schnelles Autofahren, kleinere Vermögensdelikte oder andere Streitigkeiten können vor Gericht landen. Wie gross ist bei solch in Anführungszeichen kleinen Vergehen die Gefahr eines ungerechten Urteils? 00:15:45:22 - 00:16:14:07 Christopher Geth Ich denke, bei Kapitalverbrechen, und über die haben wir ja bis anhin geredet, ist die Gefahr eines Fehlurteils in dem Sinne, dass eine Person zu Unrecht verurteilt wird, eher kleiner als bei solchen Delikten, die Sie gerade angesprochen haben, nämlich bei jenen, die so im Bereich der Alltagskriminalität liegen. Das hat vor allem prozessuale Gründe. Bei leichteren Delikten nimmt man es bei der Sachverhaltsfeststellung nämlich nicht ganz so genau wie bei den schwerwiegenden Delikten. 00:16:14:07 - 00:16:17:13 Christopher Geth Wo wir auch immer den Einbezug eines Gerichts haben. 00:16:17:15 - 00:16:19:03 Catherine Weyer Wie sieht denn das konkret aus? 00:16:19:05 - 00:16:50:10 Christopher Geth Ja, also es sieht so aus, dass bei Straftaten, die eine Maximalgrenze kennen bzw. bei denen ein Urteil eine Freiheitsstrafe bis maximal sechs Monate vorsehen würde, keine gerichtliche Beurteilung notwendig ist, sondern eben bei zum Beispiel Strassenverkehrsdelikten, kleineren Vermögensdelikten, Ehrverletzungsfällen oder auch Tätlichkeiten. Also im Bereich der Mittel oder kleineren Kriminalität landen diese Fälle in der Regel nicht vor Gericht. 00:16:50:12 - 00:17:19:06 Christopher Geth Die Staatsanwaltschaft, die normalerweise eben nur anklagt und dann entscheidet ein Gericht, urteilt in diesen Fällen eigentlich selber. Und zwar kann sie einen sogenannten Strafbefehl erlassen. Zahlenmässig, wenn man das anschaut, sind das sogar die allermeisten Fälle. Ungefähr 90 bis 95 % aller Straftaten werden nicht durch ein Gericht, sondern durch die Staatsanwaltschaft in einem Strafbefehlverfahren ausgesprochen. Für den Staat ist es natürlich günstig. 00:17:19:07 - 00:17:41:17 Christopher Geth Wir sparen uns das Gericht. Strafbefehle müssen nicht begründet werden, Kommt noch hinzu: Es gibt keine im Gesetz vorgesehene Pflicht, dass man die beschuldigte Person vorher einvernehmen muss, also sie befragen muss zur Sache und Strafbefehle werden auch nur selten mündlich eröffnet. Der Entscheid ergeht schriftlich und wird dann eben per Post zugestellt. 00:17:41:19 - 00:17:47:05 Catherine Weyer Das klingt nach einem pragmatischen Vorgehen für alle Beteiligten. Was ist Ihrer Meinung nach daran problematisch? 00:17:47:07 - 00:18:15:00 Christopher Geth Problematisch ist daran insbesondere, dass die Modalitäten beim Erlass eines Strafbefehls verunmöglichen bzw. in vielen Fällen erschweren, dass sich die beschuldigte Person gegen diesen Strafbefehl zur Wehr setzt. Und zwar ist es zwar schon so, dass man innerhalb von zehn Tagen an ein Gericht gelangen kann, also man kann gegen den Strafbefehl, wenn man ihn erhalten hat, eine sogenannte Einsprache erheben und dann wird das normale gerichtliche Verfahren in Gang gesetzt. 00:18:15:00 - 00:18:45:08 Christopher Geth Das heisst, die Staatsanwaltschaft wird dann aufgefordert, noch einmal Beweise abzunehmen und kann dann entweder noch einem noch einmal einen neuen Strafbefehl erlassen oder auch Anklage beim Gericht erheben. Man hat im Gesetzgebungsverfahren 2011, als man die Strafprozessordnung in Kraft gesetzt hat, auch gesagt, der Strafbefehl sei «ein Angebot zu einer vereinfachten Verfahrenserledigung». Das heisst, die beschuldigte Person solle das dann annehmen können oder eben auch nicht. 00:18:45:08 - 00:19:18:02 Christopher Geth Und wenn sie es nicht annimmt, dann kommt eben das normale Verfahren zum Tragen. Hellhörig macht aber meines Erachtens bereits die Tatsache, dass Einsprachen in der Regel nur sehr selten vorkommen. Etwa 11 % der Fälle sind das. In anderen Fällen bleibt es beim Strafbefehl. Fragt man jetzt die Strafverfolgung, dann wird natürlich gesagt, und ist auch nicht völlig unberechtigt, dass es beweise, dass die Qualität der Strafbefehle hoch sei, weil die beschuldigte Person das akzeptiere, also damit einverstanden sei und in vielen Fällen wird das wohl auch so sein. 00:19:18:02 - 00:19:46:17 Christopher Geth Also denken wir an Blitzerfälle, wo wir auch einen eindeutigen, sachlichen Beweis haben. Da haben wir das Foto, da können wir die Person identifizieren. Da für diese Fälle, glaube ich, ist das auch ein richtiges Vorgehen, dass man das auch verfahrensmässig etwas verkürzt. Das Gesetz, und da beginnt jetzt eigentlich das Problem, geht allerdings einen Schritt weiter. Denn einerseits ist es so, dass ein Strafbefehl verfasst wird in der Sprache der jeweiligen Region, also in der Schweiz 00:19:46:17 - 00:20:20:24 Christopher Geth die drei Landessprachen und es gibt keine Pflicht zur vollständigen Übersetzung des Strafbefehls. Und das erste Problem, also quasi das Verständnis, was denn eigentlich hier genau ausgesprochen wird, ist nicht immer bei allen Empfängern eines Strafbefehls vorhanden. Und das, wie ich finde, noch gravierendere Problem besteht darin, dass ein Strafbefehl nicht zwingend zugestellt werden muss. Er wird zwar mit der Post in der Regel per Einschreiben zugestellt und in den allermeisten Fällen nimmt das auch jemand in Empfang und öffnet den Briefumschlag und kann das anschauen, kann es lesen und möglicherweise verstehen. 00:20:21:01 - 00:20:49:12 Christopher Geth Das ist zahlenmässig sicherlich der überwiegende Anteil, aber das Gesetz lässt es auch zu, dass dann der Strafbefehl als zugestellt gilt, wenn der Strafbefehl eben nicht abgeholt wird bei der Post, also wenn ein Einschreiben eingesendet wird und es nicht zugestellt werden kann, dann wird es bei der Post eingelagert. Und wenn es dann eben nicht abgeholt wird, dann gilt der Strafbefehl auch als zugestellt. 00:20:49:12 - 00:21:29:24 Christopher Geth Mit der Folge, dass man dann, wenn man diese zehn Tage eben nicht aktiv wird, kein Rechtsmittel mehr hat. Also der Strafbefehl wird dann eben zu einem rechtskräftigen Urteil. Wenn man jetzt aber berücksichtigt, dass hier möglicherweise gar keine vorherige Befragung stattgefunden hat, also der Beschuldigte vielleicht gar nicht genau weiss, dass er jetzt diesen Strafbefehl mit dieser Strafe, mit der Sanktion usw. erhalten hat, dann kann man eben auch nicht mehr wirklich von einem Angebot auf eine verkürzte Verfahrenserledigung sprechen, das man annehmen oder ablehnen kann, weil eben dann diese Zustimmung fingiert wird. 00:21:30:01 - 00:21:49:00 Christopher Geth Und da gibt es jetzt also durchaus Fälle, in denen auch Personen dann plötzlich überrascht sind, dass sie zu einer unbedingten, also zu vollziehenden Freiheitsstrafe verurteilt wurden, obwohl sie den Strafbefehl selber noch nie gesehen haben, obwohl sie das auch nicht wissen und möglicherweise ein Rechtsmittel ergriffen hätten, wenn sie es gewusst hätten. 00:21:49:06 - 00:21:54:01 Catherine Weyer Können Sie Beispiele von Straftaten nennen, die so eine unbedingte Freiheitsstrafe mit sich ziehen? 00:21:54:03 - 00:22:29:23 Christopher Geth Ja, also da gibt es natürlich verschiedene Fallkonstellationen, in denen dann unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen werden können. Das sind etwa im Bereich von Körperverletzungsdelikten oder auch schwerwiegenderen Vermögensdelikten, Diebstahl von etwas höherwertigeren Gütern, Einbruchsdiebstähle beispielsweise oder auch Situationen, die aus dem Ausländergesetz oder einem Ausländer und Integrationsgesetz entstehen können. Also unerlaubte illegale Einreise etwa. Das sind so Fälle, in denen eben auch unbedingte Freiheitsstrafen möglich sind bzw. in der Praxis auch ausgesprochen werden. 00:22:30:00 - 00:23:08:19 Christopher Geth Die Konsequenzen sind ja oftmals nicht nur eine Strafe, sondern das können auch beispielsweise andere staatliche Folgewirkungen sein, die damit verknüpft sind, wie beispielsweise das Sistieren oder möglicherweise auch eben nicht mehr Fortführen von Einbürgerungsverfahren. Das kann sein, dass man durch den Eintrag im Strafregister dann Schwierigkeiten hat im beruflichen Fortkommen, bei Mieten, einer Wohnung usw. Das sind also alles Reflexwirkungen, die mit einer Strafe noch einhergehen, die eine Person innerhalb von dieser kurzen Frist von zehn Tagen nicht wirklich vollumfänglich überblicken kann. 00:23:08:21 - 00:23:30:22 Christopher Geth Und ich erinnere noch mal daran, dass der Strafbefehl eben auch einen Strafrahmen bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe kennt. Das heisst im schlimmsten Fall, diese Fälle sind denkbar, zwar nicht häufig, aber sie sind denkbar. Und sie sind auch schon vorgekommen. Kann es sein, dass eine Person zu einer zu vollziehenden, also vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt wird, ohne jemals von der Staatsanwaltschaft befragt worden zu sein. 00:23:30:24 - 00:23:52:13 Christopher Geth Ohne den Strafbefehl verstehen zu können. Weil er in einer Sprache verfasst wurde, die er nicht versteht, und ohne den Strafbefehl jemals gesehen zu haben. Und ich glaube, eine solche Konstellation würde ich klar als unfair einstufen, weil eben da die Verteidigungsmöglichkeiten in einem Masse eingeschränkt sind, was höchst heikel ist. 00:23:52:15 - 00:23:56:14 Catherine Weyer Haben Sie einen Vorschlag, wie die Handhabungen solcher Strafen besser vonstattengehen könnte? 00:23:56:19 - 00:24:24:23 Christopher Geth Ich glaube, man müsste beim Strafbefehl Verfahren eigentlich zwei verschiedene Verfahren differenzieren. Wir haben ja vorhin auch über diese Blitzerfälle gesprochen und da gibt es noch vergleichbare andere Fälle Konsum von Betäubungsmitteln, also leichten Betäubungsmitteln. Das sind alles Fälle, die im Bereich von sogenannten Übertretungen liegen, also Bussen nach sich ziehen im Bereich von 100 bis 500 Franken etwa, wo die Konsequenzen nicht so schwerwiegend sind und wo auch kein Eintrag ins Strafrecht erfolgt. 00:24:25:00 - 00:24:56:10 Christopher Geth Für diese Fälle, und das sind zahlenmässig die meisten im Strafbefehlsverfahren, habe ich wenig Mühe damit, dass man ein ich würde jetzt mal sagen pragmatischeres vorgehen auch rechtsstaatlich rechtfertigen kann. Heikel finde ich es allerdings eben dann, wenn eben diese Personen dann beispielsweise in Haft kommen würden, also wenn Freiheitsstrafen ausgesprochen würden. Oder aber auch, wenn diese ganzen neben strafrechtlichen Folgen auch noch dazu kommen oder drohen, dazu zu kommen. 00:24:56:12 - 00:25:26:06 Christopher Geth Für diese Verfahren würde ich eigentlich drei Dinge verlangen, nämlich erstens, dass sichergestellt ist, dass der Strafbefehlsempfänger versteht, und zwar in der Sprache, die er beherrscht, was eigentlich dem Strafbefehl zugrunde liegt. Also er muss verständlich sein, in der Sprache verfasst sein, die der Beschuldigte spricht. Dann muss zweitens gewährleistet sein, dass man vorher die Möglichkeit hatte, sich zu äussern, also der Anspruch auf sogenanntes rechtliches Gehör. 00:25:26:06 - 00:25:48:22 Christopher Geth So wird das genannt. Das muss gewährleistet werden. Also es muss eine Befragung stattgefunden haben bei der Staatsanwaltschaft, die dann später eben die Entscheidung trifft, dass ist der zweite Punkt und der dritte Punkt ist, dieser Strafbefehl muss auch tatsächlich zugehen, das heisst, die Person muss ihn sehen, muss ihn lesen können. Und wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, dann könnten wir, glaube ich, einen Schritt weitergehen. 00:25:49:02 - 00:26:17:09 Christopher Geth Dann haben wir ein rechtsstaatlicheres Strafbefehl zu fahren. Das hat man diskutiert, auch im Rahmen der aktuell laufenden oder vor kurzem beschlossenen Revision, also Überarbeitung der Strafprozessordnung, und hat sich dann immerhin dazu durchgerungen, eine kleine Änderung vorzunehmen in der Prozessordnung nämlich, dass man bei zu vollziehenden, also bei unbedingten Freiheitsstrafen neuerdings verlangt oder ab 2024 verlangen wird, dass eine Befragung bei der Staatsanwaltschaft durchgeführt wird. 00:26:17:14 - 00:26:35:08 Christopher Geth Also eins von diesen drei Zielen. Das wird bezogen auf die unbedingten Freiheitsstrafen umgesetzt werden oder ist umgesetzt worden. Aber die anderen beiden Punkte, die sind aus meiner Sicht noch offen und da würde ich mir etwas mehr noch wünschen, dass sich in diese Richtung etwas bewegt. 00:26:35:10 - 00:26:40:23 Catherine Weyer Wie erklären Sie sich diese Entscheidung? Liegt das einfach daran, dass es finanzielle Folgen mit sich zieht? 00:26:41:00 - 00:27:13:06 Christopher Geth Ganz klar. Also man muss natürlich sehen, dass die Strafverfolgungsbehörden aktuell auch recht überlastet sind oder jedenfalls belastet sind. Und das betrifft auch und vielleicht sogar insbesondere auch die Staatsanwaltschaften. Und das ist natürlich eine Arbeitslast, die dann bei den Staatsanwaltschaften anfallen würde. Und insofern kann ich natürlich aus fiskalischer Sicht schon verstehen, dass die Entscheidungen so getroffen werden. Der Staat muss ja auch überlegen, entscheiden, in welche Bereiche der Gesellschaft wird wie viel Geld investiert. 00:27:13:08 - 00:27:45:15 Christopher Geth Was ist uns eine rechtsstaatlich saubere Strafverfolgung wert? Was würde es bedeuten, wenn das Geld in diese Richtung geschoben wird, statt in eine andere Richtung? Insofern sehe ich natürlich die gesamte Bandbreite, quasi der der staatlichen Aufgaben, schon auch und sehe auch, dass man das Geld nicht ohne Weiteres in eine Richtung schieben kann, weil es eben auch endlich ist. Auf der anderen Seite denke ich, dass es auch Möglichkeiten geben würde, dem etwas entgegenzuwirken. 00:27:45:15 - 00:28:06:06 Christopher Geth Und zwar könnte man auch – Stichwort Entkriminalisierung – könnte man auch darüber nachdenken, ob man gesellschaftliche Probleme nicht auch durch andere Möglichkeiten löst, als durch das Schaffen von weiteren Strafnorm. Und das ist halt die Tendenz, die wir so in den letzten 20, 30 Jahren verspüren, dass es der Gesetzgeber als vermeintlich billiges und günstiges Mittel ansieht, eben auch Straftaten zu schaffen. 00:28:06:06 - 00:28:21:16 Christopher Geth Und wer halt Straftaten schafft, gerade auch im Bereich von Bagatellkriminalität, der schafft natürlich auch Arbeit für die Strafverfolgungsbehörden. Und das könnte man ja auch in diese Richtung vielleicht denken und würde dann auch für die sozusagen echten wirklichen Straftaten auch etwas mehr Geld investieren können. 00:28:21:18 - 00:28:41:09 Catherine Weyer Bei Strafverfahren gibt es immer Opfer und Täter*innen. Es gibt professionelle Strafverfolgungsbehörden, die gegen Privatpersonen ermitteln. Es gibt Anwält*innen, die mit unterschiedlichen Mitteln ihre Mandant*innen verteidigen. Und es gibt Urteilssprüche, die von einer höheren Instanz gekippt werden. Nach allem, was wir jetzt besprochen haben: Glauben Sie, dass die Strafjustiz gerecht ist? 00:28:41:11 - 00:29:14:20 Christopher Geth Ja, das ist eine schwierige Frage, zumal ich selber auch in der Justiz tätig bin, nebenamtlich als Richter und insofern auch mich ein bisschen als befangen einstufe. Ich glaube, man muss da wahrscheinlich zwei Ebenen unterscheiden. Das eine ist, und das ist für viele natürlich wichtig und betrifft auch auch die mediale Aufmerksamkeit zu Recht auch sind quasi Einzelfälle, ja Einzelfälle müssen natürlich möglichst richtig, möglichst rechtskonform und aber auch opferrechtskonform erledigt werden. 00:29:14:22 - 00:29:44:01 Christopher Geth Es braucht Verfahrensrechte, die eingehalten werden usw. Darüber haben wir gesprochen. Das glaube ich, dass wir das im Gros schon haben. Also ich glaube, die allermeisten Strafverfahren laufen gerecht und fair, würde ich jetzt mal so sagen. Wobei das rein anekdotisch ist und jetzt nicht auf einer wissenschaftlichen Untersuchung basiert, die auch sehr schwierig wäre in diesem Bereich anzustellen. Trotzdem lassen sich auch einzelne Fehlurteile, also auch zum Beispiel die Verurteilung von Unschuldigen, lassen sich nie ausschliessen. 00:29:44:01 - 00:30:16:07 Christopher Geth Das ist zwar so, dass man versucht, das zu verhindern, aber es lässt sich nicht ausschliessen. Dazu gibt es auch Forschung, die im Bereich der Fehlurteile angesiedelt ist, auch international. Da ist die Schweiz nicht alleine. Das betrifft jedes Land. Und auf der zweiten Ebene, glaube ich, ist die für mich noch wichtigere Frage zu diskutieren, ob denn unsere Prozessordnung auch das Rüstzeug dafür gibt, ein solches Verfahren zu gewährleisten, also auf der Metaebene gewissermassen, und damit auch das Risiko von ungerechten oder von falschen Urteilen möglichst minimiert wird. 00:30:16:09 - 00:30:43:06 Christopher Geth Und wir haben jetzt verschiedene Probleme angesprochen, über das Strafbefehlsverfahren gesprochen. Es gibt aber auch noch andere Bereiche, wo man möglicherweise Verbesserungsbedarf sehen könnte. Und da würde ich jetzt zum Beispiel bei den Verteidigungsrechten ansetzen und dann natürlich auch generell die Frage des Zurückdrängen der Gerichte gegenüber den Staatsanwaltschaften, die eine ausgebaute Position bekommen haben nach 2011, nachdem wir dieses neuere Prozessrecht haben. 00:30:43:08 - 00:31:03:00 Christopher Geth Das ist etwas, was letztlich aber natürlich basiert auf rechtspolitischen Entscheidungen, die getroffen wurden. Und die Praxis muss das Wie ausjustieren. Dass das insgesamt als faires Verfahren dann eingestuft werden kann. Ich glaube, grundsätzlich haben wir das, eben aber mit Verbesserungspotenzial in gewissen Bereichen. 00:31:03:02 - 00:31:29:05 Catherine Weyer Herr Geth, vielen herzlichen Dank! Danke auch das war unisono der Wissens Podcast der Universität Basel. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. In der nächsten Folge spricht der Bildungswissenschaftler Markus Neuenschwander über Gerechtigkeit in der Bildung, weshalb Jungs in Mathe besser sind als Mädchen und wie schwer es ist, einen besseren Schulabschluss als die eigenen Eltern zu machen. 00:31:29:07 - 00:31:29:22 Catherine Weyer Bis bald.