Universität und Museen: Gemeinsam Wissen schaffen
Dass der Kunsthistoriker mit dem Kunstmuseum zusammenarbeitet, liegt auf der Hand. Auch, dass die Ägyptologin im Antikenmuseum ein- und ausgeht. Doch was macht zum Beispiel der Informatiker in der Kunsthalle? Dieses Jahr findet an der Universität Basel eine Ringvorlesung statt, welche die vielfältigen Forschungsprojekte der Basler Museen und der Universität zeigt – denn in den Museen wird nicht nur ausgestellt, sondern auch geforscht.
27. März 2018
Die Idee zur Vorlesung stammt von Anna Schmid, der Direktorin des Museums der Kulturen, und Michael Kessler-Oeri, dem Leiter des Pharmaziemuseums. «In der Konferenz der Basler Museumdirektoren ist die Frage aufgekommen, welche Fokusthemen wir dieses Jahr behandeln möchten. Wir haben den Bereich Forschung vorgeschlagen und dann eine Umfrage gestartet, was die einzelnen Mitglieder von einer Ringvorlesung halten», berichtet Schmid. Und Kessler-Oeri ergänzt: «Die Idee stiess auf extrem fruchtbaren Boden.»
Die zweisemestrige Ringvorlesung an der Universität bietet den Museen und ihren Partnern eine Plattform, auf der sie ihre aktuelle Forschung präsentieren können. Insgesamt 22 Projekte stellen sich vor, wobei das Pharmaziemuseum den Einstieg gemacht hat. Als universitäre Institution befindet es sich genau an der Schnittstelle zwischen Universität und Museum und diente damit als idealer Anfang der Vortragsreihe.
Tal der Könige in Basel
Als Nächstes präsentierte sich eine Kooperation, die momentan im Antikenmuseum Basel zu sehen ist. Die Ausstellung «Scanning Sethos – Die Wiedergeburt eines Pharaonengrabes» ist aus der Zusammenarbeit von Ägyptologin Susanne Bickel und André Wiese, Kurator der Ägyptenabteilung im Antikenmuseum, entstanden. Es ist das bisher grösste gemeinsame Projekt der beiden Institutionen, erklärt Wiese: «Der Anstoss war das 200–Jahr-Jubiläum der Grabentdeckung von Sethos I.»
Die Universität Basel forscht seit rund 20 Jahren im Tal der Könige in Ägypten. 2008 wurde das «University of Basel Kings‘ Valley Project» ins Leben gerufen, das seither eine Gruppe von unterirdischen Grabanlagen untersucht, unter anderem auch die 140 Meter lange Grabkammer von Sethos I. In der aktuellen Ausstellung wird diese Forschungsarbeit präsentiert.
Am Ende der Ausstellung können die Besucher einen Abschnitt der Grabkammer Sethos‘ betreten. Die Firma Faktum Arte, welche dank der Universität Zugang zum Tal der Könige erhalten hat, produziert Eins-zu-eins-Reproduktionen des Grabes, mit dem Ziel, die stark beschädigten Originale in Ägypten vor dem Massentourismus zu schützen. Das komplette Faksimile der Grabkammer soll schliesslich am Eingang zum Tal der Könige aufgebaut werden.
Wie vielfältig die Zusammenarbeiten bereits innerhalb einer Institution sein können, zeigt ein weiteres Projekt des Antikenmuseums: Gemeinsam mit der klassischen Archäologie der Universität Bern führt das Haus diesen Herbst ein Seminar zum Thema Kulturgüterschutz im Kriegsgebiet Syrien durch. Zivilpersonen wie auch die Mitarbeitenden des syrischen Antikenministeriums werden dabei im Bereich Museumsarbeit und Prävention geschult.
Ein lebendiges Archiv
Eine weitere, sehr fruchtbare Kooperation ist vor sechs Jahren zwischen dem Digital Humanities Lab der Universität und der Kunsthalle Basel entstanden. «Das Digital Humanities Lab digitalisiert seit den 90er-Jahren Kunst und stellt die Digitalisate auf einer Plattform zur Verfügung», erklärt Lukas Rosenthaler, Leiter des Labs. Sören Schmeling, verantwortlich für das Fotoarchiv der Kunsthalle, kam deshalb auf ihn zu: «Mir war klar, dass unser Fotoarchiv digitalisiert werden muss. Zum einen, um es für die Forschung zugänglicher zu machen, zum andern aber auch, um die Werke niederschwellig zu vermitteln. Ein Archiv lebt nur, wenn es auch benutzt wird.»
Um die Zugänglichkeit zum Archiv und die Recherche im Archiv zu erleichtern, holte Rosenthaler den Informatikprofessor Heiko Schuldt von der Universität Basel ins Boot: «Wir haben in unserer Forschungsgruppe in den letzten Jahren ein System entwickelt, das grosse Multimedia-Kollektionen durchsuchen kann. Es sucht nach Bildern, Videos, Audiodateien, aber auch 3-D-Objekten.» Das System nennt sich «vitrivr», und das Besondere daran ist, dass man nicht nur mit Text oder Bild recherchiert, sondern auch mit Skizzen oder Bildausschnitten suchen kann. Das Programm erlaubt es, nach Dingen zu suchen, die bisher nicht suchbar waren. Der erste Höhepunkt dieser Kooperation bildete letzten Herbst die von Schmeling kuratierte Ausstellung «Exposed Exhibitions – Fotoarchiv der Kunsthalle Basel». Neben fünf künstlerischen Arbeiten wurden ausgewählte Digitalisate gezeigt, und das Programm «vitrivr» konnte getestet werden.
Gelebte Interdisziplinarität
«Diese Zusammenarbeit ist für mich gelebte Interdisziplinarität. Wir haben es geschafft, in den letzten Jahren einen Dialog aufzubauen, der praktische Auswirkungen hat», sagt Rosenthaler. Und es soll weitergehen: «Unsere Vision ist, die Grenzen zwischen den Disziplinen weiter zu überwinden und gemeinsam nach neuen Möglichkeiten suchen, um mit der Kunstwelt und der Wissenschaft neue Ideen zu entwickeln.»
«Das Spannende ist wirklich, dass es komplett unterschiedliche Herangehensweisen sind», sagt Schuldt. Zwei Faktoren seien zentral für solche Kooperationen: «Nötig ist eine gewisse Offenheit, denn der Wissenschaftsbegriff wird in den verschiedenen Disziplinen sehr unterschiedlich angewendet», meint Rosenthaler. Und Schmeling ergänzt: «Es braucht auch Mut zur Initiative, denn ohne diesen hätte das alles nicht entstehen können.» Die Museen und die Universität Basel bieten dafür das ideale Umfeld, sind sich die drei einig.
Ringvorlesung: Wissen schaffen – Forschung und Museum/ Forschung im Museum. Die Ringvorlesung findet bis am 14. Mai jeden Montag um 18.15 Uhr im Hörsaal 102, Kollegienhaus, Petersplatz 1, in Basel statt und wird im Herbst fortgesetzt (17. September bis 10. Dezember). Die Vorlesung steht allen Interessierten offen.
Nächster Vortrag: Out of the Box: Archiv, Kunst und Wissenschaft vernetzen. Vortrag von Sören Schmeling (Kunsthalle Basel), Prof. Dr. Lukas Rosenthaler und Prof. Dr. Heiko Schuldt (beide Universität Basel), 9. April 2018.