London Calling – Die Universität Basel als Sprungbrett für den Master in England
Von der Universität Basel ans University College London: Mit einem Stipendium der Schweizer Studienstiftung im Gepäck wagte Benedikt Schmidt für den Master den Schritt ins Ausland. Wie es dazu kam, welche Schritte erforderlich waren und wie sich der Hochschulbetrieb unterscheidet, erzählt er im Blogbeitrag. Zudem gibt er Einblicke in das Studierendenleben in der pulsierenden britischen Hauptstadt.
Meine Studienzeit in Basel war sehr abwechslungsreich. Ein bedeutender Teil davon fand während der Corona-Pandemie statt. So erlebte ich den historischen Entscheid, die Lehre im Frühjahrssemester 2020 komplett ins Digitale zu verschieben. Damals war ich im zweiten Semester meines Bachelorstudiums in Mathematik und Philosophie. Und meine Auslandspläne waren ein sehr zartes Pflänzchen. Ich dachte eher an ein Semester im Ausland. Das schien mir gross genug. Was ich nicht ahnte: Dass die Pandemie uns noch ein Weilchen beschäftigen und ein Auslandssemester in den nächsten zwei Jahren ein eher schwieriges Unterfangen war.
So zog ich mich erst einmal zurück in meine Heimat, ins Wallis, in den Lockdown. Dort vertiefte ich mich in die beiden unempirischsten Fächer, die die Akademie zu bieten hat. Der intellektuellen Herausforderungen waren das genug. Ich war froh, mich tiefgründiger mit Fragen auseinanderzusetzen, die im Verlauf meines ersten Bachelorstudiums in Medizin, ebenfalls an der Universität Basel, aufgekommen waren. Wie können wir wissen, wie gewisse Interventionen wirken? Welche ethischen Dilemmata bergen neue Technologien in der Medizin? In welchem Verhältnis stehen Körper und Geist?
Durch ein Forschungsprojekt am Institut für Bio- und Medizinethik der Universität Basel und meine Teilnahme am Förderprogramm der Schweizerischen Studienstiftung traf ich inspirierende Menschen, die mir neue Perspektiven aufzeigten. Menschen, die mehrere Studiengänge in verschiedenen Ländern absolviert hatten. Menschen, die über ihre Fächergrenzen hinausdenken. Menschen, für die der gesellschaftliche Wert ihrer Tätigkeit im Vordergrund steht.
Nebenbei engagierte ich mich beim Think-Tank Reatch, der eine wissenschaftsfreundliche Kultur in der Schweiz anstrebt. Was ist die Rolle der Wissenschaften? Gibt es eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik? Im Verlaufe der Corona-Pandemie wurden diese Fragen wahrlich virulent. Ich war inzwischen wieder in Basel, studierte dort mehr oder weniger normal weiter. Und konkretisierte einen Plan, der meine verschiedenen Interessen und Hintergründe zusammenbringt.
Die Mosaiksteine der Bewerbung
Master-Studiengänge können im Vereinigten Königreich in neun bis zwölf Monaten absolviert werden. Im Vergleich zur Schweiz gibt es eine schier endlose Auswahl an spezialisierteren Programmen. Und das alles an global renommierten Universitäten. Das Problem: Die Studiengebühren sind deutlich höher als in der Schweiz.
So bewarb ich mich im Herbst 2022 für den Master-Studiengang «Health, Technology and Public Policy» am University College London. Das Programm fokussiert auf die Rolle der Wissenschaften im politischen Prozess, insbesondere bei Gesundheitsthemen. Die Bewerbung erforderte einiges an Aufwand: ein ausführliches Motivationsschreiben, eine Schreibprobe zu einem Dilemma aus dem Bereich der Gesundheitstechnologien (ich schrieb über die Organzüchtung in Chimären), zwei Referenzschreiben von Dozierenden und allerlei administrative Elemente. Sehr hilfreich war die Unterstützung des Career Service Centers der Universität Basel. Gleichzeitig bewarb ich mich für Stipendien.
Im Frühjahr 2023 setzten sich die Teile dann schrittweise zusammen. Zuerst erhielt ich eine Zusage für einen Studienplatz am UCL. Allerdings musste ich noch einen Sprachnachweis in Englisch erbringen – ein TOEFL oder IELTS mit relativ solidem Resultat. Dann wurde mir ein Stipendium der Schweizerischen Studienstiftung zugesprochen. Es konnte tatsächlich losgehen! Ich musste, Brexit sei Dank, ein Visum beantragen (was unproblematisch war) und eine Unterkunft finden (was mir aufgrund der vielen Gerüchte um den kompetitiven Immobilienmarkt in London Sorgen bereitete).
Die Facetten des studentischen Lebens in London
Vom beschaulichen, heimeligen Basel in die globale Metropole London – eine aufregende, wenn auch etwas einschüchternde Reise ins Unbekannte. Im September ging es los: Ich bestieg im Wallis den Zug und reiste via Basel (was für eine Symbolik!) und Paris nach London.
Nun bin ich seit vier Monaten in England. Seien wir ehrlich, einiges hätte schiefgehen können: Unterkunft, Studienprogramm, Heimweh. Hätte, denn heute kann ich sagen, dass ich unfassbares Glück hatte: Mit dem Goodenough College wurde meine Bewerbung in einer der lebhaftesten, diversesten und schönsten Unterkünfte für Postgrads angenommen. Und die Menschen, die jetzt mit mir studieren, sind fantastisch. Es sind Leute aus der ganzen Welt, interessiert am Wohl der Gesellschaft, an politischen Fragen und am gemeinsamen Erleben.
Was ich besonders ermutigend fand: Die Qualität der Bildung, die ich an der Universität Basel genoss, kommt mit hier zugute. Im Vergleich zu Basel sind die Vorlesungen und Seminare etwas interaktiver gestaltet hier und das Klischee der britischen rhetorischen Fähigkeiten scheint sich zu bewahrheiten. Jedoch waren das Tempo und die Anforderungen an die Selbstständigkeit der Studierenden am Departement Mathematik und Informatik der Universität Basel sicherlich höher. Die Infrastruktur (Seminarräume, Bibliotheken, Hörsäle) der beiden Unis ist auf einem vergleichbaren Niveau.
Fantastische Möglichkeiten bieten sich in London rund um das akademische Leben. Es gibt zahlreiche Clubs, Fachgesellschaften, Aktivitäten und Events. Auch das Networking zwischen Studierenden, aber auch nach aussen, wird mit Nachdruck gefördert. Ich frage mich, ob sich die akademische Welt hier stärker als gesonderte Schicht, vielleicht sogar als Elite, versteht als in der Schweiz.
London ist für Studierende ein Paradies und gleichzeitig eine wahrhafte Herausforderung: Die Lebenshaltungskosten sind höher als in der Schweiz und das Leben ist sehr intensiv. Es gibt jederzeit zahllose Alternativen: Ein spannender Vortrag, eine Theaterpremiere, ein Museumsbesuch, eine Party, ein Abstecher in einen der formidablen Food Markets – und studieren wollte man ja eigentlich auch noch. Ich frage mich oft, ob ich genug aus meiner Zeit hier mache. Das war in der Schweiz einfacher.
À propos Schweiz: Immer wieder werde ich auf mein Heimatland angesprochen. In verschiedenen Vorlesungen wird die Schweiz als besonders effizientes, gut regiertes Land aufgeführt. Das Interesse am politischen System der Schweiz ist ausserordentlich gross. Teilweise vermisse ich die schweizerische Pünktlichkeit. Dafür scheinen die Leute hier im Allgemeinen zugänglicher. Privater Smalltalk mit Dozierenden ist an der Tagesordnung. Und Inklusivität als Ideal ist im Alltag deutlich präsenter.
Im Verlauf der ersten Wochen hat mich eine ukrainische Kollegin gefragt, weshalb ich hier hergekommen sei und einen solchen Studiengang studiere. In der Schweiz hätten die Leute doch kaum Probleme. Das hat mich nachdenklich gestimmt – und daran erinnert, dass ich ein unglaubliches Privileg auslebe. Damit kommt Verantwortung. Dieser will ich mich stellen.