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«Der Schritt zur Firmengründung ist kein vorgegebener Weg»

Porträt von Simon Ittig vor einem Labor.
Dr. Simon Ittig führt als CEO das Spin-off T3 Pharma, das aus der Universität Basel hervorgegangen ist. (Foto: T3 Pharma, David Walter – senn.com)

Ende 2023 feierte die universitäre Innovations-Initiative ihren ersten Grosserfolg: Das Spin-off T3 Pharmaceuticals wurde von Boehringer Ingelheim für bis zu 450 Millionen Franken übernommen. Wie es zum Verkauf an den Pharmakonzern kam und was sich damit verändert hat, erzählt CEO Dr. Simon Ittig im Interview.

30. April 2024 | Natalia Chtanova

Porträt von Simon Ittig vor einem Labor.
Dr. Simon Ittig führt als CEO das Spin-off T3 Pharma, das aus der Universität Basel hervorgegangen ist. (Foto: T3 Pharma, David Walter – senn.com)

Herr Ittig, seit November 2023 ist T3 Pharma Teil des deutschen Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Was hat sich für die Firma seitdem verändert?

Auf strategischer Ebene ist Boehringer Ingelheim präsent, wir pflegen einen regelmässigen Austausch. Doch im täglichen Arbeitsablauf hat sich nicht viel verändert. Unsere Tätigkeit, die technischen Herausforderungen und auch die Menschen in der Firma sind dieselben geblieben.

Wo sehen Sie die grössten Vorteile des Zusammengehens?

Der Verkauf brachte nebst der Entlastung unserer Finanzplanung vor allem viele Möglichkeiten, die Forschung an innovativen Produkten und deren Entwicklung auszubauen. Es gibt viele Berührungspunkte ab den frühen Phasen der Forschung und Entwicklung und ganz generell mehr Möglichkeiten durch den Austausch. Weit in die Zukunft gedacht, kriegen wir einen grösseren Marktzugang. Zudem gibt es neben den F&E-Aspekten ganz viele Bausteine, um die man sich als kleine Firma sonst allein kümmern muss. So profitieren wir nun auch bei der technischen Weiterentwicklung von unserer Partnerschaft mit Boehringer Ingelheim, zum Beispiel im IT-Bereich, wo wir auf ihre Infrastruktur zugreifen können. Insgesamt kann man sagen, dass wir uns in unserem Fachbereich und bei allem darüber hinaus, was uns weiterbringt, mit Boehringer Ingelheim austauschen. Wir haben ja ein gemeinsames Ziel: die T3-Technologie voranzubringen.

Wie kam es zum Verkauf an Boehringer Ingelheim?

Boehringer Ingelheim hatte sich bereits 2019 und 2020 über seinen Venture Fund bei zwei Finanzierungsrunden von T3 Pharma beteiligt und war seither aktiv im Verwaltungsrat präsent. Seit einigen Jahren arbeiteten wir zudem auch direkt mit Boehringer Ingelheim in Forschungskollaborationen zusammen. Eine erfolgreiche Partnerschaft erfordert gegenseitiges Vertrauen, dieses haben wir so aufbauen können. Auf technologischer, wissenschaftlicher und persönlicher Ebene muss vieles übereinstimmen. Auch das Timing spielt eine Rolle, denn die Welt muss für eine bestimmte Technologie bereit sein. Die Vorbereitungen für den Verkauf im letzten Jahr waren intensiv, aber es hat sich gelohnt. Auch für unsere Technologie war dies ein bedeutender Schritt nach vorne. Wir können als Team die Technologie kontinuierlich weiterentwickeln, aber mit einem grösseren Hebel im Erfolgsfall.

Wie liefen die Vorbereitungen für den Verkauf ab?

Wie es branchenüblich ist, haben wir eine sogenannte «Due-Diligence»-Prüfung durchlaufen, bei der unsere Firma sorgfältig auf wissenschaftliche, patentrechtliche, rechtliche, steuerliche und finanzielle Verhältnisse analysiert wurde. Wir mussten dabei viele Fragen beantworten, und das Unternehmen wurde von allen Seiten durchleuchtet. Gleichzeitig sollte unser Tagesgeschäft nahtlos weiter funktionieren. Das war ziemlich anspruchsvoll, von der Arbeitsbelastung fast eine Grenzerfahrung. Uns war es aber auch wichtig zu sehen, wie die potenziellen Käufer mit uns umgehen und ob sie Verständnis für unsere Anliegen haben. Für mich zeigte sich auch in den anstrengenden Phasen, dass die Beziehung mit Boehringer Ingelheim gut funktioniert. Sie haben zudem ein realistisches Verständnis unserer Technologie. Mir war wichtig, dass sie nicht «zu klein träumen», jedoch auch die Risiken richtig einschätzen können. Im gesamten Verlauf zeigte sich, dass wir ein transparentes, respektvolles Miteinander pflegen. Sie sehen also, dass das genaue Abtasten offensichtlich in beide Richtungen abläuft – wir haben uns den Käufer auch von möglichst vielen Seiten angeschaut. Wir waren und sind überzeugt, dass wir mit Boehringer Ingelheim den perfekten Partner für unsere Technologie und unser Team gefunden haben. Der Aufwand hat sich also gelohnt.

T3 Pharma ist ein Spin-off der Universität Basel. Wie unterstützend war das universitäre Umfeld bei der Gründung?

Die Idee zur Produktentwicklung hatte ich 2012, als ich mein Doktorat am Biozentrum der Universität Basel abschloss. Christoph Kasper, mein Geschäftspartner, und ich arbeiteten bis zur Firmengründung 2015 als Postdoktoranden an unserem Projekt. In der Anfangszeit brauchten wir viel Support, denn aus der Grundlagenforschung ist der Schritt zur Firmengründung kein vorgegebener Weg. Die Unterstützung der Universität Basel war entscheidend. Ohne die Räumlichkeiten am Biozentrum und die Unterstützung des damaligen Direktors Erich Nigg hätten wir keinen erfolgreichen Start gehabt. Auch die nötigen Fördermittel hätten wir nicht erhalten. Das Zusammenspiel von Infrastruktur und finanzieller Unterstützung brachte uns weiter und so fühlten wir uns mit unserem Spin-off an der Uni Basel willkommen. Es gab eine Handvoll Exponenten der Universität, welche uns früh und kontinuierlich sehr tatkräftig unterstützt haben – diesen Personen bin ich unglaublich dankbar.

Gibt es noch andere Faktoren, die wichtig sind, damit Jungunternehmen in den Life Sciences erfolgreich sind?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass uns am Biozentrum die nötige Zeit gegeben wurde, um die Technologie und das Know-how reifen zu lassen. In den Life Sciences ist langfristiger Anschubsupport erforderlich, damit junge Unternehmen die richtigen Investoren finden und erfolgreich sein können.

Ist die Nähe zur Universität Basel auch heute noch wichtig für Sie?

Ja, definitiv. Nach unserer langen gemeinsamen Geschichte besteht ein solides Vertrauen, und wir arbeiten regelmässig mit dem Biozentrum und dem Departement Biomedizin zusammen. Wir stehen zudem in Kontakt mit dem Innovation Office der Universität Basel. Da wir selbst stark von der Universität profitiert haben, freue ich mich, wann immer möglich etwas zurückzugeben und anderen mit meinem Rat zu helfen.

Die Entwicklung der Firma T3 Pharmaceuticals

  • 2012: Simon Ittig und sein späterer Geschäftspartner Christoph Kasper beginnen als Postdoktoranden am Biozentrum der Universität Basel, Erkenntnisse aus ihrer Grundlagenforschung technologisch umzunutzen.
  • 2015: Simon Ittig und Christoph Kasper gründen mit Marlise Amstutz und Helmut Kessmann die T3 Pharmaceuticals GmbH, um ihr Projekt kommerziell weiter voranzutreiben. Bereits ein paar Monate später stellt das Start-up die ersten Mitarbeitenden ein.
  • 2016: T3 Pharma wird eine Aktiengesellschaft. Gleichzeitig erfolgt die erste Finanzierungsrunde. Dank dieser kann das Start-up erste Wirkstoffkandidaten in die präklinische Entwicklung bringen. Zudem gewinnt es den ersten Preis der Startup-Förderorganisation Venture.ch und wird von der Kommission für Technologie und Innovation KTI mit dem KTI Startup-Label ausgezeichnet. Auch personell wächst die Firma weiter.
  • 2018–2019: In der zweiten Finanzierungsrunde erhält T3 Pharma über 12 Millionen Franken. Diese Mittel werden für die Komplettierung der präklinischen Arbeiten und für die Planung und Initiierung der klinischen Studien gebraucht. T3 Pharma wird von Falling Walls Venture zum 2018 Science Start-Up of the Year ernannt.
  • 2019: Claire Barton verstärkt als Chief Medical Officer die Geschäftsleitung von T3 Pharma. Im gleichen Jahr gewinnt die Firma mit dem Förderpreis der W.A. de Vigier Stiftung die höchstdotierte Auszeichnung für Jungunternehmen in der Schweiz. 
  • 2020: Die dritte Finanzierungsrunde bringt T3 Pharma über 25 Millionen Franken ein.
  • 2021: T3 Pharma braucht mehr Platz und zieht um vom Biozentrum der Universität Basel nach Allschwil. Mit dem Swiss Economic Award 2021 in der Kategorie Hightech/Biotech folgt eine weitere Auszeichnung. 
  • 2023: Das deutsche Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim kauft T3 Pharma für bis zu 450 Millionen Franken. Der Betrieb von T3 Pharma verbleibt nach der Übernahme mit demselben Team in der Region Basel.
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