Unisonar S5|EP4: Kirche und Krieg
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, propagierten auch die evangelischen Pfarrer in Deutschland die Wichtigkeit dieses «heiligen Krieges». Und als der Krieg verloren war, wurde die fehlende Frömmigkeit als Grund für die Niederlage genommen. Ein Gespräch mit der Theologin Prof. Dr. Andrea Hofmann über die Kriegslust der Kirche.
Während des Ersten Weltkriegs predigten deutsche Pfarrer regelmässig, dass Gott den Krieg unterstütze und das Deutsche Reich eine besondere göttliche Mission zu erfüllen habe. Predigten wurden zur Kriegspropaganda, in der das deutsche Volk als «neues Israel» dargestellt wurde, welches eine göttliche Prüfung zu bestehen habe. Nationalistische und religiöse Ideen verschmolzen und gaben dem Krieg eine sakrale Bedeutung.
Theologie und Nationalismus vereint
Andrea Hofmann, Professorin für Kirchen- und Theologiegeschichte, erklärt, dass der starke Nationalismus dieser Zeit eng mit der protestantischen Theologie verknüpft war. Die Pfarrer stützten sich oft auf alttestamentliche Geschichten des Volks Israel und propagierten, dass Gott auf der Seite des Deutschen Reichs stehe. Dies führte dazu, dass viele Gläubige die militärische Mobilisierung als heilige Pflicht sahen.
Mit der langen Dauer und den massiven Verlusten des Krieges wuchs die Skepsis – auch unter Pfarrern und Soldaten. Soldatenbriefe und spätere Predigten zeigen, dass die Unterstützung des Krieges langsam nachliess und die religiöse Rechtfertigung zunehmend hinterfragt wurde. Manche Theologen begannen bereits 1917, den Krieg kritischer zu betrachten und einen Frieden zu befürworten.
Das Elsass als gespaltene Region
Im Elsass führten die Kriegspredigten zu einer tieferen Spaltung der Bevölkerung, da die Region zwischen deutscher und französischer Identität zerrissen war. Hofmann zeigt auf, dass der Krieg im Elsass bis heute stärker präsent ist und die Kirchen dort in einem Spannungsfeld zwischen den Nationalitäten agierten. Nach dem Krieg übernahmen französischfreundliche Pfarrer das Predigen und interpretierten den französischen Sieg als Zeichen göttlicher Unterstützung.
Nach dem Kriegsende reagierten die Kirchen unterschiedlich auf die Niederlage Deutschlands, teils mit Busspredigten, teils mit der Suche nach einem Neuanfang. Albert Schweitzer, der aus dem Elsass stammte und als Aussenseiter galt, predigte Versöhnung und die Überwindung nationaler Differenzen. In den folgenden Jahrzehnten bemühte sich die Kirche verstärkt um grenzüberschreitende Zusammenarbeit, besonders im Elsass, um eine friedliche Zukunft zu fördern.