Unisonar S2|EP1: Wie gerecht ist unsere Strafjustiz?
Der Strafrechtsprofessor Christopher Geth spricht über Gerechtigkeit in der Strafjustiz. Er erklärt, weshalb Täter manchmal trotz Geständnis nicht verurteilt werden dürfen, warum die Strafjustiz nicht auf Effizienz getrimmt werden sollte und wieso er Strafen nicht immer sinnvoll findet.
Im Podcast spricht Strafrechtsprofessor Christopher Geth über die Herausforderungen und Grundsätze der Strafjustiz und wie diese Gerechtigkeit gewährleisten soll. Er beleuchtet grundlegende Prinzipien wie die Unschuldsvermutung, die Bedeutung fairer Prozesse und die Balance zwischen den Interessen von Gesellschaft, Opfern und Beschuldigten. Dabei zeigt er auch praktische Probleme und Schwächen im Strafsystem auf.
Ein zentraler Punkt ist die Unschuldsvermutung, die besagt, dass Beschuldigte bis zu einer Verurteilung als unschuldig gelten. Dies verlangt faire Verfahren, die gewährleisten, dass unschuldige Personen nicht zu Unrecht belastet werden. Geth betont, dass Zwangsmassnahmen wie Untersuchungshaft nur unter strengen Bedingungen zulässig sind, um die Rechte der Beschuldigten zu schützen.
Probleme bei der Beweiserhebung
Ein ausführliches Fallbeispiel zeigt die Schwierigkeiten bei der Beweiserhebung: Ein Mann, der durch manipulative Methoden zu einem Geständnis gedrängt wurde, wurde später freigesprochen, da die Beweise unzulässig waren. Dies unterstreicht die Bedeutung rechtsstaatlicher Vorgaben, auch wenn dadurch manchmal keine Verurteilung möglich ist. Die Einhaltung von Regeln bei der Beweisführung hat Vorrang vor schnellen Urteilen.
Geth kritisiert das Strafbefehlsverfahren, das in der Schweiz häufig angewendet wird, insbesondere bei geringeren Vergehen. In diesem Verfahren trifft die Staatsanwaltschaft oft ohne Anhörung der Beschuldigten Entscheidungen, was deren Verteidigungsrechte erheblich einschränkt. Geth schlägt Reformen vor, darunter die verpflichtende Anhörung und die Übersetzung von Strafbefehlen in die Sprache der Beschuldigten.
Systemische Herausforderungen und Verbesserungsbedarf
Abschliessend beleuchtet Geth die Frage nach der generellen Gerechtigkeit im Strafsystem. Er argumentiert, dass die meisten Verfahren fair und korrekt ablaufen, es jedoch weiterhin Verbesserungspotenzial gibt. Dazu zählt insbesondere die Stärkung der Verteidigungsrechte und eine bessere Balance zwischen den Rollen von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Eine Entkriminalisierung bestimmter Bagatellen könnte zudem Ressourcen für schwerwiegendere Fälle freisetzen.
Obwohl Geth die Schweizer Strafjustiz als grundsätzlich gerecht einschätzt, sieht er Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung. Einzelfälle und strukturelle Schwächen zeigen, dass Gerechtigkeit im Strafprozess eine ständige Optimierung erfordert, um den hohen rechtsstaatlichen Ansprüchen zu genügen.