Unisonar S2|EP3: Wie gerecht ist der Kapitalismus?
Kann Kapitalismus gerecht sein? Darüber sprechen wir mit dem Soziologen Dr. Cornelius Friedemann Moriz. Er spricht über unterschiedliche Interpretationen von Gerechtigkeit, ob unser Wirtschaftssystem oder doch eher die Politik dafür da sind, für Gerechtigkeit zu sorgen und was Gerechtigkeit und Kriminalität in einer Gesellschaft miteinander zu tun haben.
Im Podcast der Universität Basel diskutiert Dr. Cornelius Friedemann Moriz die Frage, wie gerecht der Kapitalismus ist. Im Zentrum stehen die verschiedenen Prinzipien von Gerechtigkeit, ihre Widersprüche und die Herausforderungen, die sich in modernen Gesellschaften stellen. Moriz erläutert die Rolle von sozialen Strukturen und Machtverhältnissen und wie diese die Wahrnehmung und Umsetzung von Gerechtigkeit beeinflussen.
Moriz beschreibt vier zentrale Gerechtigkeitsprinzipien: Gleichheit, Chancengleichheit, Leistungsgerechtigkeit und Bedarfsgerechtigkeit. Während jedes Prinzip hohe Zustimmung in der Gesellschaft findet, führt ihre praktische Umsetzung oft zu Widersprüchen. So kann das Leistungsprinzip soziale Ungleichheit legitimieren, während das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit Umverteilung fordert, um Armut zu verhindern. Die Spannung zwischen diesen Prinzipien macht deutlich, dass Gerechtigkeit immer ein politischer Kompromiss ist.
Ungleichheit und ihre Auswirkungen
Die Diskussion wendet sich der sozialen Ungleichheit zu, die in Ländern wie der Schweiz besonders ausgeprägt ist. Moriz erklärt, dass Vermögen und Chancen oft innerhalb privilegierter Schichten bleiben, während die untere Hälfte der Bevölkerung kaum von Wohlstand profitiert. Diese Ungleichheit hat nicht nur ökonomische, sondern auch soziale und gesundheitliche Folgen. Studien zeigen, dass ungleiche Gesellschaften häufiger mit Kriminalität und psychischen sowie physischen Erkrankungen konfrontiert sind.
Der Kapitalismus folgt laut Moriz einer eigenen Logik, bei der Unternehmen primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind. Soziale oder ökologische Ziele können Unternehmen nur verfolgen, wenn sie diese wirtschaftlich rechtfertigen können. Diese strukturelle Begrenzung macht deutlich, dass Marktmechanismen allein keine umfassende soziale Gerechtigkeit gewährleisten können. Hier sind politische Eingriffe und wohlfahrtsstaatliche Massnahmen erforderlich.
Globale Perspektiven und die Rolle der Macht
Auf globaler Ebene zeigt sich, dass vor allem marginalisierte Gruppen von mehr Gerechtigkeit profitieren würden. Doch ihre Macht, Veränderungen durchzusetzen, ist begrenzt. Moriz betont, dass Gerechtigkeitsfragen immer auch Machtfragen sind und dass echte Veränderungen nur durch breite gesellschaftliche Unterstützung möglich sind. Dies erfordert ein Umdenken im Konsumverhalten und stärkeren politischen Willen, globale Standards für soziale und ökologische Gerechtigkeit durchzusetzen.
Trotz der Herausforderungen bleibt Moriz optimistisch, dass Fortschritte möglich sind, insbesondere durch das Engagement der jüngeren Generation. Er sieht in den bestehenden Demokratien viele Errungenschaften, wie persönliche Freiheitsrechte und wohlfahrtsstaatliche Systeme, die als Basis für weitere Verbesserungen dienen können. Der Weg zu einer gerechteren Gesellschaft ist jedoch lang und erfordert kontinuierliche Anstrengungen.