Wozu brauchen wir Tierversuche?
Tierversuche leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Erfolg der Forschungsprojekte an der Universität Basel. Tiere kommen aber ausschliesslich und erst dann zum Einsatz, wenn unsere Forschenden mit alternativen Methoden an ihre Grenzen stossen. Dies ist in der Schweiz auch gesetzlich so vorgeschrieben.
Trotz grosser Fortschritte bei der Entwicklung von innovativen tierfreien Methoden und Techniken − wie etwa Zellkulturen, Computersimulationen oder in vitro Organmodellen – lassen sich nicht alle wissenschaftlichen und medizinischen Fragen ohne Versuche an Tieren beantworten.
Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es um Vorgänge geht, die den ganzen Körper betreffen. Denn nur die Betrachtung des gesamten lebenden Organismus ermöglicht es, das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Organsysteme und Signalwege vollständig zu verstehen. Daher besteht weiterhin die Notwendigkeit von Tierversuchen, besonders im Bereich von hochkomplexen Prozessen wie Krankheiten des Nervensystems (Huntington-Krankheit, Parkinson), der körpereigenen Abwehr (Autoimmunkrankheiten wie Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose), Stoffwechselerkrankungen (Diabetes) und Krebs.
Dank der Forschung an Tieren sind heute schon viele schwere Erkrankungen heilbar oder gut zu behandeln: Dazu gehören beispielsweise die Entdeckung von Antibiotika gegen bakterielle Infektionen, die Herstellung von Insulin gegen Diabetes, erfolgreiche Therapien gegen Leukämie und andere Arten von Krebs. Auch die schnelle Entwicklung von sicheren Impfstoffen gegen das Coronavirus wäre ohne Versuche an Tieren nicht machbar gewesen.
Wo setzt die Universität Basel Tiere ein?
An der Universität Basel werden Tiere für die Grundlagenforschung und für translationale Forschung eingesetzt. Diese zwei Bereiche sind im Forschungsalltag eng miteinander verbunden, da die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung die Basis für den überwiegenden Teil der neuen medizinischen und technischen Entwicklungen bilden.
Die Grundlagenforschung befasst sich mit der Aufklärung von grundlegenden biologischen Zusammenhängen. Die meisten lebenswichtigen Vorgänge beruhen in Tieren auf den gleichen Prinzipien wie im Menschen – von biochemischen Reaktionen innerhalb der Zellen über die Arbeitsweise von Organen bis hin zu komplexen Vorgängen im Gehirn und im Immunsystem. Je mehr wir über die Funktion von tierischen Organismen wissen, desto mehr wissen wir auch über die Prozesse im gesunden (und kranken) menschlichen Körper.
Die translationale Forschung widmet sich der Frage, wie sich die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in der Praxis zur Verbesserung der Diagnostik und Behandlung menschlicher Erkrankungen umsetzen lassen. Denn viele schwere und komplexe Krankheiten sind nach wie vor nicht heilbar. Oder die bis jetzt verfügbaren Medikamente haben starke Nebenwirkungen oder sind nur begrenzt wirksam. Unsere Forschungsgruppen arbeiten auf den verschiedensten Fachgebieten daran, die Mechanismen hinter einer Erkrankung besser zu verstehen sowie effizientere und verträglichere Therapien zu entwickeln.
In folgenden Forschungsfeldern kommen an der Universität Basel Tierversuche zum Einsatz:
Krebsforschung
In der Krebsforschung hat es in den letzten Jahren grosse Fortschritte gegeben – viele Krebsarten lassen sich durch Therapien über lange Zeit in Schach halten, andere sind sogar heilbar. Trotzdem ist Krebs immer noch die zweithäufigste Todesursache in der Schweiz und im Laufe ihres Lebens erkrankt über ein Fünftel der Bevölkerung daran.
Deshalb braucht es noch viel grundlegende Forschung auf diesem Gebiet − etwa um zu verstehen, welche Rolle die Umwelt und die genetische Veranlagung bei der Entstehung von Tumoren spielen. Oder wie es Tumoren gelingt, sich vor dem Immunsystem zu verstecken, und wie sich Metastasen bilden. In der angewandten Forschung suchen unsere Forschungsgruppen nach neuen, wirksameren Behandlungsmethoden, beispielsweise Krebsimmuntherapien. All dies wäre ohne Versuche im ganzen Tier nicht möglich, denn eine Krebserkrankung ist komplex und betrifft den ganzen Körper.
Neurowissenschaften
Das Gehirn gilt nicht umsonst als die Schaltzentrale unseres Körpers: Es steuert lebenswichtige Prozesse wie die Atmung, den Kreislauf oder den Hormonhaushalt. Über die Sinnesorgane sammelt es Eindrücke über unsere Umwelt, verarbeitet in Sekundenbruchteilen unzählige Informationen und gibt über das Nervensystem Befehle an den Körper weiter. Das Gehirn ist aber auch der Sitz unserer Persönlichkeit: Es speichert unsere Erinnerungen, hilft uns beim Lernen, bestimmt unsere Gefühle und unser Sozialverhalten.
Es ist eine der grössten Herausforderungen für die Wissenschaft, die komplexen Prozesse im Gehirn zu verstehen, an denen Milliarden von miteinander vernetzten Nervenzellen beteiligt sind. Versuche mit Tieren ermöglichen Forschenden der Universität Basel jedoch Vorgänge im Gehirn nachzuvollziehen – etwa wie unsere Muskeln kontrolliert werden, wie wir hören oder wie Angst ausgelöst wird. Grundlegende Prozesse wie diese spielen sich bei Mäusen, Fischen oder sogar wirbellosen Tieren sehr ähnlich wie im Menschen ab.
So vielfältig wie die Aufgaben des Gehirns sind auch die Krankheiten, die das Gehirn und das Nervensystem betreffen: Hirntumore, Schlaganfälle, neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Multiple Sklerose, psychiatrische Leiden wie Angststörungen und Psychosen. In der angewandten Forschung suchen Arbeitsgruppen der Universität Basel nach den Ursachen und nach neuen Therapien für diese schwerwiegenden Krankheiten – oft mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mäusen, mit denen sich ein bestimmtes Krankheitsbild simulieren lässt.
Stoffwechsel und Kreislauf
Ein Drittel der Todesfälle in der Schweiz sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Diese Krankheiten, zu denen beispielsweise Herzinfarkte und Hirnschläge gehören, sind damit nach wie vor die häufigste Todesursache. Umso wichtiger ist es, mehr über die Auslöser und den Verlauf dieser Krankheiten herauszufinden. Nicht nur, um neue Therapien zu entwickeln, sondern auch um eine Erkrankung durch richtige Vorbeugung von vorneherein zu verhindern.
Eng mit dem Kreislaufsystem verknüpft ist der Stoffwechsel – so gilt beispielsweise ein erhöhter Cholesterinwert im Blut als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenfalls einen engen Zusammenhang gibt es zwischen Herz- und Gefässkrankheiten, Diabetes und dem Immunsystem. Um die vielfältigen und komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Organen und Körpersystemen besser zu verstehen, setzen Forschende der Universität Basel auch Versuche mit Tieren ein.
Entwicklungsbiologie, Stammzellbiologie und regenerative Medizin
Die Entwicklungsbiologie ist eines der Forschungsgebiete, auf dem ohne Tierversuche kaum Fortschritte zu erzielen sind. Denn die Entstehung eines vielzelligen Wesens aus einer einzelnen befruchteten Eizelle geschieht durch ein komplexes Zusammenspiel von Genen, Signalwegen und äusseren Faktoren. Diese lassen sich nur am ganzen Organismus nachvollziehen. Geht bei dem Prozess etwas schief, so kann dies Fehlbildungen und Krankheiten auslösen.
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines Embryos spielen die Stammzellen, aus denen sich die verschiedenen Zelltypen, Gewebe und Organe ausbilden. Auch im Körper von Erwachsenen finden sich noch Stammzellen: So bilden etwa die Blutstammzellen ein Leben lang neue Blutkörperchen und Stammzellen finden sich auch in bestimmten Nischen im Gehirn.
Für die Medizin sind diese Stammzellen von besonderem Interesse: Zum einen sind sie an der Entstehung von Krebskrankheiten, etwa der Leukämie, beteiligt. Zum anderen bieten sie aber auch die Hoffnung, verloren gegangenes Körpergewebe zu ersetzen. Auf einigen Gebieten – etwa dem Ersatz von Knorpel bei Arthrose – macht die regenerative Medizin schon grosse Fortschritte. Für andere Anwendungen braucht es noch Grundlagenforschung − beispielsweise für die Erneuerung von Hirnzellen, die durch einen Schlaganfall oder Alzheimer verloren gegangen sind.
Infektionsbiologie und Immunologie
In der Infektionsbiologie liegt der Schwerpunkt der Forschung an der Universität Basel auf bakteriellen Infektionen. Diese stellen ein wachsendes Problem dar: Neuartige Erreger breiten sich im Zuge der Globalisierung rasant aus, antibiotikaresistente Bakterien fordern jedes Jahr etwa eine Million Todesopfer und immer mehr alte Menschen leiden an einer Immunschwäche.
Für die Abwehr von Infektionskrankheiten ist das Immunsystem zuständig, das körpereigene Strukturen von fremden unterscheiden kann. Oft löst das Immunsystem aber auch Erkrankungen aus: wenn es etwa bei Autoimmunkrankheiten den eigenen Körper angreift. An der Immunantwort ist eine Vielzahl von Zelltypen und Organen beteiligt, die sich in vitro nicht vollständig abbilden lassen. Daher tragen Versuche mit Tieren entscheidend zum Verständnis Verständnis der zellulären und molekularen Prozesse während der Immunantwort bei und schaffen die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapieansätze.
Ökologie und Umweltwissenschaften
Mit Fragen zur Ökologie und Umwelt beschäftigen sich an der Universität Basel Forschende aus der Biologie und den Geowissenschaften. Das gemeinsame Ziel ist zu verstehen, wie das «System Erde» entstanden ist, wie es heute funktioniert und wie es sich in Zukunft entwickeln wird. Eine wichtige Frage ist auch, wie sich menschliche Eingriffe auf das Leben auf der Erde auswirken. Die Erkenntnisse sollen dabei helfen, wirksame Massnahmen zum Schutz der Natur und zum nachhaltigen Umgang mit der Umwelt zu finden.
Mit Hilfe von Fischen und Wasserflöhen wollen die Forschenden beispielsweise herausfinden, wie sich im Laufe der Evolution verschiedene Arten entwickelt haben, die optimal an ihre Lebensräume angepasst sind. Durch Experimente mit Tieren lässt sich aber auch abschätzen, wie Ökosysteme auf Umweltverschmutzung, Globalisierung und Klimawandel reagieren.