NFS QSIT
Zusammen mit der ETH Zürich leitet das Departement Physik der Universität Basel den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) QSIT zur Entwicklung neuartiger Quantensysteme
Der NFS QSIT – Quantum Science and Technology ist eine kollaborative Plattform um das Fundament sowie die Werkzeuge und Methoden zu schaffen, die es ermöglichen, grundlegende Fortschritte in den Quantenwissenschaften in grundlegend neue Technologien umzusetzen.
Eine der herausragenden Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte in der Physik ist die zunehmende Fähigkeit, mit einzelnen Quantenteilchen wie Photonen oder Atomen arbeiten zu können.
Dies ebnete den Weg zu völlig neuen Denkweisen hinsichtlich zukünftiger Technologien. Laser, Solarzellen und die Halbleitermaterialien, welche die moderne Elektronik ermöglichen – diese und andere etablierte Technologien beruhen implizit auf quantenmechanischen Effekten. Im Gegensatz dazu stehen bei «Quantentechnologien» jedoch Quanteneffekte im Mittelpunkt. Letztere bauen auf Systemen auf, deren Quanteneigenschaften geändert, gesteuert und in Anwendungen genutzt werden können, von Sensoren mit beispielloser Empfindlichkeit und Präzision bis zu potenziell «disruptiven» Technologien zur Verarbeitung, Übertragung und Speicherung von Information.
Der Sprung von der Nutzung des Quantenverhaltens von vorhandenen Materialien zur Konzeption, Schaffung und Erforschung von neuartigen Quantensystemen erfordert neue Ebenen an theoretischem Verständnis, experimentellen Fähigkeiten und technischer Kompetenzen. Ein solches Unterfangen kann deshalb nur erfolgreich sein, wenn Anstrengungen über Disziplinen hinweg koordiniert werden. In der Schweiz ist der NFS «QSIT» die treibende Kraft hinter ebensolchen Anstrengungen.
Ziele und Errungenschaften
Um Quantensysteme in neuartigen wissenschaftlichen und technologischen Anwendungen nutzen zu können, kombiniert der NFS «QSIT» Konzepte aus Physik, Chemie, Ingenieurwesen und Informatik. Einerseits werden Systeme geschaffen, in denen Quantenzustände mit massgeschneiderten Eigenschaften realisiert werden können. Dafür werden hochreine und präzise strukturierte Materialien hergestellt, von eindimensionalen Nanodrähten und Ionenketten über zweidimensionale Elektronensysteme und supraleitenden Schaltkreise bis zu nano- und mikromechanischen Oszillatoren sowie atomaren Gasen in optischen Gittern. Eine spezifische Stärke des QSIT-Netzwerkes ist es, verschiedenartige Quantensysteme – entwickelt von separaten Gruppen – miteinander zu koppeln.
Andererseits werden diese Quantensysteme auf verschiedenste Arten genutzt. Zum Beispiel können sie mit ihrer Umgebung auf eine Weise wechselwirken, die sich grundlegend vom Verhalten klassischer Systeme unterscheidet. Darauf basierend lassen sich Sensoren entwickeln, die in Sachen Empfindlichkeit und Präzision konventionellen Systemen überlegen sind, und bis zu den Grenzen des physikalisch Erlaubten vorstossen. Diese Vorteile können genutzt werden, um Grössen wie magnetische und elektrische Felder, Zeit und Frequenz, Kraft und Verschiebung oder Temperatur zu messen. Um dieses Potenzial für ultraempfindliche Messungen voll ausschöpfen zu können, müssen zusammen mit neuartiger Quanten-Hardware auch grundlegende Theorien für Quantenmessungen entwickelt werden.
Dieses Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment kennzeichnet auch die Forschung im Bereich Quantenrechnen und Quantenkommunikation. Quantencomputer haben das Potenzial, Probleme in der Quantenphysik, im Materialdesign und in der Chemie zu lösen, die selbst die leistungsstärksten konventionellen Computer nicht knacken können. Die Quantenkommunikation hingegen bietet Möglichkeiten, Informationen mit beispielloser Abhörsicherheit zu übertragen. Forschende des NSF «QSIT» ebnen den Weg zu diesen Zielen mit der Entwicklung von Quantensystemen, die später als Bausteine für leistungsstarke Technologien dienen.
Ähnliche Methoden und Systeme werden auch in sogenannten Quantensimulatoren genutzt. Dabei wird ein Quantensystem, das präzise gesteuert und manipuliert werden kann, dazu genutzt, das Verhalten eines anderen Quantensystems zu simulieren, dessen Eigenschaften und Verhalten sich nicht direkt untersuchen lassen. Dadurch lassen sich neue Einblicke in Materialien, technologische Systeme wie auch theoretische Modelle gewinnen.
Über diese vielfältige Forschungsagenda hinaus versteht sich der NFS «QSIT» auch als Katalysator für die Schaffung einer neuen Community. Als eine der ersten Initiativen weltweit, die sich spezifisch der Erforschung zukünftiger Quantentechnologien widmet, verfolgt das Netzwerk seit 2011 ein breites Lehrprogramm zur Ausbildung zukünftiger Generationen von Quantenforschenden sowie verschiedene Technologietransferaktivitäten, um zu helfen, intellektuelle und technologische Fortschritte auf den Markt und letztendlich in die Gesellschaft zu tragen.
Als sich das Gebiet der Quantenwissenschaften und -technologien während der Laufzeit des NFS «QSIT» zunehmend etablierte, waren seine Mitglieder zudem massgeblich an der Initiierung weiterer innovativer Initiativen beteiligt, darunter des Masters in Quantum Engineering an der ETH Zürich und des NFS «SPIN» unter der Leitung der Universität Basel und von IBM Research Zürich.
Interdisziplinäres Netzwerk
Im NFS «QSIT» sind im Wesentlichen sämtliche Hauptakteure auf dem Gebiet der Quantenwissenschaft und -technologie in der Schweiz vertreten. Derzeit sind über 30 Forschungsgruppen Mitglieder, aus der ETH Zürich, der Universität Basel, der Universität Genf, von IBM Research Zürich, aus der EPF Lausanne, der USI Lugano und der Universität Bern.
Der NFS «QSIT» vermittelt intensive Interaktionen zwischen seinen Mitgliedern und hilft, Grenzen zwischen verschiedenen Ansätzen zu überwinden. Auf diese Weise können zentrale Stärken des Netzwerks, Komplementarität und Breite, genutzt werden, um neue Ideen und Kooperationen zu schaffen – und damit immer neue Möglichkeiten in einem immer lebendiger werdenden Forschungsgebiet.
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützte den NFS «QSIT» in der ersten und zweiten Förderphase 2011 bis 2018 mit 37 Millionen Franken, für die dritte Förderperiode 2019 bis 2022 werden weitere 15 Millionen Franken eingesetzt.