Im Fokus: Simon Tobias Bühler blickt durch Mosaike in vergangene Gesellschaften der Levante
Texte geben Einblick in andere Welten und vergangene Zeiten. Simon Tobias Bühler fokussiert sich aber lieber auf Bildwelten und forscht an der Schnittstelle von Archäologie und Kunstgeschichte. Die Begeisterung für alte Kulturen bekam er schon als Kind mit.
08. August 2024 | Noëmi Kern
In den sozialen Netzwerken wie Instagram und Tiktok begegnet uns täglich eine regelrechte Flut an Bildern. Und spätestens seit sich mit künstlicher Intelligenz Bilder generieren lassen, müssen wir uns fragen, ob tatsächlich echt ist, was wir sehen. «Bilder beeinflussen unsere Wahrnehmung der Welt. Ich finde es deshalb sehr wichtig, nach der Absicht hinter einem Bild zu fragen. Bilder sorgfältig zu analysieren, geht im Alltag jedoch oft vergessen», sagt Simon Tobias Bühler.
Er ist Doktorand im Graduiertenprogramm «eikones», dem «Zentrum für die Theorie und Geschichte des Bildes». An der Universität Basel studierte er Klassische Archäologie und Kunstgeschichte im Bachelor, das Masterstudium absolvierte er in «Classical Art and Archaeology» an der Universität Cambridge. «Im deutschsprachigen Raum sind die Forschungsdisziplinen der Kunstgeschichte und Archäologie oft voneinander losgelöst: Viele Kontexte und Objekte, welche aus der Antike und den ersten Jahrhunderten nach Christus stammen, werden dem Fachgebiet der Archäologie zugeordnet. Im anglo-amerikanischen Raum sind die Grenzen fliessender. Kunstgeschichte und Archäologie gehen Hand in Hand und das begrüsse ich sehr», erläutert Bühler.
In seiner Doktorarbeit forscht er an der Schnittstelle von Archäologie und Kunstgeschichte. Im Zentrum seines Interessens stehen Mosaikbilder aus der spätantiken östlichen Levante, also dem heutigen Jordanien und Syrien, zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert nach Christus.
Bilder als Kommunikationsform
Die Levante ist geprägt von verschiedenen religiösen und kulturellen Einflüssen: Die Region war bis ins ausgehende 5. Jahrhundert geprägt von der östlichen Aussengrenze des Römischen Reiches. Einhergehend mit dem Bedeutungszerfall der römischen Limes-Grenze wurden zahlreiche Befestigungsanlagen umfunktioniert und unter anderem prunkvoll dekorierte Kirchenbauten errichtet.
Spätestens mit der Ausbreitung des Islams im frühen 7. Jahrhundert ist die östliche Levante um eine weitere kulturelle Dimension reicher geworden. «Diese Entwicklungen brachten eine multikulturelle Gesellschaft hervor. Das zeigt sich wiederum in den Bildwelten: Das Bild ist ein Mittel, um kulturelle Beziehungen zu verhandeln. Der politische und religiöse Kontext beeinflusste diese Bilderwelten massgeblich und liess so etwa neue Bildformen entstehen», sagt Bühler. Mit seiner Dissertation will er herausfinden, welche Themen die Levante zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert prägten.
Er widmet sich insbesondere Fussbodenmosaiken. Sie zeigen religiöse, politische und geografische Dimensionen und sind Teil einer grösseren visuellen Kultur. Es gibt biblische Darstellungen, aber auch Alltagszenen, Pflanzen- und Tierwelten zusammen mit vielen geografischen und kartographischen Bezügen. «Die Mosaike sind Ausdruck des Verständnisses des geografischen und gesellschaftlichen Raums zur damaligen Zeit. Wer auf ihnen lief, entdeckte die dargestellte Landschaft und war damit selber an ebendiesem Raum beteiligt», sagt Bühler.
In den Mosaiken kommt auch Schrift vor, etwa Ortsnamen oder mit den Landschaften verwobene Geschichten und Erzählungen. Text und Bild ergänzen einander. «Die Beschriftung der Landschaft ist wichtig. Die gezeigten Bilder und Landschaften sind untrennbar mit Erzählungen verwoben. Sie zeigen, welche Bedeutung diesen Erzählungen zukommt und welche Rolle sie für das gängige Verständnis der Landschaft gehabt haben dürften», sagt Bühler und ergänzt: «Bilder sind Teil der sozialen Kommunikation. Sie werden nicht nur gesehen, sondern auch in Diskurse einbezogen, auch und besonders dann, wenn wir mit und über Bilder sprechen.»
Schokolade und Taschenmesser im Gepäck
Um die archäologischen Funde zu betrachten, reist der 27-Jährige immer wieder in die Levante. «Die Ausgrabungen und Mosaike haben für die Einheimischen einen hohen Stellenwert und werden gut gepflegt und geschützt.»
Die verschiedenen kulturellen Einflüsse prägen die Menschen in der Levante bis heute. Sie sind sich ihrer Geschichte bewusst und wollen, dass diese wahrgenommen wird. «Im Allgemeinen sind die Leute sehr offen und unterstützend und ich werde freundlich aufgenommen», so der Doktorand. Dazu trägt er seinen Teil bei: «Ich trinke mit den Leuten vor Ort Tee, spiele Fussball mit den Kindern, führe Gespräche und tausche mich mit ihnen aus. Ich möchte mehr über ihre Ideen und ihr Engagement hören und lernen, welche Bedeutung die archäologischen Hinterlassenschaften für sie haben.» Er spricht ein bisschen Arabisch, das für die einfache Kommunikation reicht. «Das öffnet mir Türen.»
Auch hat er immer zahlreiche Gastgeschenken im Gepäck: Schweizer Schokolade und Taschenmesser sind gern gesehen. Zudem überlegt er sich im Vorfeld, wen er trifft und was diese Menschen brauchen könnten. «Gerne bringe ich Kindern in der Wüste auch mal Stirnlampen mit, da freuen sie sich immer sehr.»
Vernetzen über den eigenen Tellerrand hinaus
Das Flair für den arabischen Raum entwickelte Simon Tobias Bühler auf Reisen mit seiner Familie in nordafrikanische Länder und in den Iran. Auch die Faszination für das Altertum und die Archäologie entstand in der Kindheit.
Aufgewachsen im basellandschaftlichen Gelterkinden, war er mit den Eltern und den beiden älteren Schwestern regelmässig in der Region unterwegs. «Wenn die Äcker frisch gepflügt waren, suchten wir als Kinder nach Feuerstein-Spitzen. Gefunden haben wir selten etwas, höchstens kleine Splitter.» Am Gymnasium lernte er Latein und Altgriechisch und hatte über die überlieferten Texte Einblick in diese Kulturen.
Zu seiner Heimat hat er einen starken Bezug und so war es auch klar, dass er nach dem Jahr in Cambridge in die Region Basel zurückkehren wird. «Hier bin ich vernetzt. Das ist mir wichtig», sagt er. So ist er zum Beispiel aktiv in der freiwilligen Feuerwehr Gelterkinden. «Das ist eine ganz andere Art von Arbeit, die mir ebenfalls sehr gut gefällt, mir einen Ausgleich bietet und mir viel bedeutet.» Dadurch begegnet er Menschen mit einem anderen Hintergrund. Austausch mit anderen zu pflegen, findet er spannend – sowohl im Rahmen der Forschung als auch ausserhalb der Universität.
Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel
Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.