Beschädigt, aber nicht besiegt: Bakterien wehren sich mit Nano-Harpunen gegen Angriffe
Einige Bakterien verwenden winzige Harpunen, um sich gegen Angriffe von Rivalen zu wehren. Forschende der Universität Basel haben Bakterien mit einer «Mini-Nadel» gestochen und so einen Angriff simuliert. Auf diese Weise konnten sie zeigen, dass die Bakterien ihre Nano-Waffe erst dann zusammenbauen und abfeuern, wenn ihre Zellhülle bei einem Angriff beschädigt wird.
05. März 2025 | Katrin Bühler
In der Welt der Mikroben gibt es sowohl friedliches Miteinander als auch erbitterter Kampf um Platz und Nährstoffe. Manche Bakterien stechen ihre Konkurrenten aus oder wehren Angreifer ab, indem sie ihnen mit einer winzigen Nano-Harpune – auch als Typ-VI-Sekretionssystem (T6SS) bekannt – einen tödlichen Cocktail injizieren.
Bakterien reagieren auf Schäden der äusseren Zellhülle
Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Marek Basler am Biozentrum der Universität Basel erforscht seit vielen Jahren das T6SS in unterschiedlichen Bakterienarten wie zum Beispiel in Pseudomonas aeruginosa. «Uns war bereits bekannt, dass dieses Bakterium seine Nano-Harpune erst dann einsetzt, wenn es angegriffen wird», erklärt Basler. «Wir wussten jedoch nicht genau, was den Zusammenbau der Nano-Harpune auslöst: Reicht der direkte Kontakt mit Nachbarzellen, sind es toxische Moleküle oder einfach nur Schäden an der Zelle?»
In Zusammenarbeit mit Roderick Lim, Argovia-Professor für Nanobiologie am Biozentrum und am Swiss Nanoscience Institut (SNI), konnten die Forschenden nun zeigen: Die Bakterien schlagen erst dann zurück, wenn ihre äussere Zellhülle mechanisch beschädigt wird, wie etwa beim Durchstechen mit einer sehr spitzen «Nadel». Die Studie erscheint in «Science Advances».
Bakterienhülle mit winziger «Nadel» durchlöchert
Das Labor von Roderick Lim verfügt über langjährige Expertise in der Rasterkraftmikroskopie (AFM). «Mit dem Rasterkraftmikroskop konnten wir einen bakteriellen T6SS-Angriff imitieren», sagt Mitchell Brüderlin, Doktorand an der SNI-Doktorandenschule und Erstautor der Studie. «Mit der nadelartigen Spitze des AFM können wir die Bakterienoberfläche berühren und, indem wir schrittweise den Druck erhöhen, gezielt die äussere und innere Membran der Bakterien durchstossen.»
In Kombination mit Fluoreszenzmikroskopie konnten die Forschenden nachweisen, dass Bakterien auf Schäden in der äusseren Membran reagieren. «Innerhalb von zehn Sekunden bauen die Bakterien ihr T6SS an der beschädigten Stelle zusammen und feuern meist mehrmals mit höchster Präzision zurück», beschreibt Basler. «Unsere Arbeit zeigt ganz klar, dass es ausreicht, wenn allein die äussere Membran beschädigt ist, um den Zusammenbau der T6SS-Harpune in Gang zu setzen.»
Neue Einblicke in bakterielle Abwehrmechanismen
Die grösste Herausforderung waren sowohl die Grösse als auch die Form der Bakterien. «Bisher haben wir mit dem AFM nur eukaryotische Zellen untersucht, darunter auch menschliche Zellen», erklärt Lim. «Die stäbchenförmigen Pseudomonas-Bakterien sind jedoch mehr als zehnmal kleiner als menschliche Zellen. Die richtige Stelle mit der AFM-Spitze zu treffen, war daher äusserst anspruchsvoll.»
In mikrobiellen Ökosystemen ist Überleben eine Frage der Strategie – und Pseudomonas aeruginosa beherrscht die Kunst der Verteidigung zweifellos. «Da die Bakterien nach einem Angriff sehr gezielt und schnell mit dem T6SS zurückfeuern, sinkt das Risiko, dass sie am Gegner vorbeischiessen», so Basler. «Der Aufwand, die Nano-Harpune herzustellen, lohnt sich für die Bakterien insgesamt betrachtet.» Die raffinierte Verteidigungstaktik verschafft Pseudomonas einen Überlebensvorteil. Indem die Bakterien gezielt Angreifer ausschalten, können sie sich auch in einem Umfeld starker Rivalität gut behaupten.
Originalpublikation
Mitchell Brüderlin, Maxim Kolesnikov, Florian Röthlin, Roderick Y. H. Lim, and Marek Basler
Pseudomonas aeruginosa assembles H1-T6SS in response to physical and chemical damage of the outer membrane
Science Advances (2025), doi: 10.1126/sciadv.adr1713