Bei komplexen Entscheidungen gilt: Aus viel mach zwei
Wenn wir zwischen drei und mehr Alternativen wählen müssen, richtet sich unsere Aufmerksamkeit meist auf die beiden aussichtsreichsten Kandidaten. Je rascher wir das tun, desto schneller fällen wir unsere Entscheidung. Dies berichten Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel in der Fachzeitschrift «Nature Human Behaviour».
03. Februar 2020
Wie sich in einer Welt mit immer mehr Optionen und Wahlmöglichkeiten schnelle und dennoch effiziente Entscheidungen treffen lassen, fragte sich ein Team der Abteilung Decision Neuroscience der Universität Basel. Als ein wichtiges Element bei dieser Herausforderung identifizierten die Forschenden in den Tests die Aufmerksamkeit der Probanden, deren Augenbewegungen mit der sogenannten Eyetracking-Methode gemessen wurden.
Wahl zwischen Nahrungsmitteln
In zwei Experimenten konnten die insgesamt 139 Probanden in mehreren Durchgängen zwischen drei verschiedenen Nahrungsmitteln wählen, die immer wieder wechselten. Dabei stellten die Psychologen fest, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht gleichmässig verteilen. Vielmehr konzentrieren sie sich mehr und mehr auf die beiden für sie vielversprechendsten Kandidaten. Dies führte zu jeweils schnelleren Entscheidungen: Je leichter es war, die schlechteste Option zu streichen, desto rascher konnten sich die Testpersonen zwischen den beiden übrigen entscheiden.
In früheren Studien hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist zwischen zwei Optionen zu wählen, und seit einigen Jahren werden Entscheide mit drei und mehr Wahlmöglichkeiten zunehmend erforscht. Denn Menschen können sich offenbar ziemlich widersprüchlich und uneinheitlich verhalten, wenn mehrere Möglichkeiten vorhanden sind, die miteinander in einer bestimmten Beziehung stehen. Ein Beispiel: Wer zum Essen zunächst lieber Huhn als Teigwaren wählt, kann seine Vorliebe ändern, wenn eine weitere vegetarische Option wie etwa Salat dazukommt – und findet dann Teigwaren plötzlich attraktiver.
Immer mehr Wahlmöglichkeiten
Solche Ungereimtheiten beim Wählen haben wichtige Auswirkungen auf Entscheidungstheorien in Wirtschaft, Psychologie und Neurowissenschaft. Basierend auf ihren neuen Ergebnissen schlagen die Basler Forschenden ein mathematisches Modell vor, das die dynamischen Wechselwirkungen von Präferenzbildung und Blickbewegungen bei Entscheidungen zwischen mehreren Alternativen beschreibt.
«Ein Ziel unserer Forschung ist es, zu verstehen», sagt Studienleiter Prof. Dr. Sebastian Gluth, «wie sich Menschen in einer Welt mit immer mehr Wahlmöglichkeiten bewegen, etwa in Online-Shops oder grossen Einkaufszentren». Die Ergebnisse der Studie sollen unser Verständnis der Entscheidungsfindung in heutigen realen Umgebungen fördern: «Hier haben wir in der Regel nicht die Wahl zwischen einem Apfel und einer Orange – sondern zwischen zehn oder hundert verschiedenen Äpfeln und Orangen.»
Originalbeitrag
Sebastian Gluth, Nadja Kern, Maria Kortmann, Cécile Liliane Vitali
Value-based attention but not divisive normalization influence decisions with multiple alternatives
Nature Human Behaviour (2020), doi: 10.1038/s41562-020-0822-0
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Sebastian Gluth, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, +41 61 207 06 06, E-Mail: sebastian.gluth@unibas.ch