Expansion der Agrarflächen gefährdet Klima und Biodiversität
Nahrung, Futtermittel, Faserstoffe und Bioenergie: Die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen steigt. Wie lassen sich zusätzliche Anbauflächen mit dem Naturschutz vereinbaren? Forschende der Universität Basel haben ein Landnutzungsmodell entwickelt, das Antworten liefert.
13. August 2024
Bis 2030 werden sich die weltweiten Anbauflächen um 3,6 Prozent ausdehnen, die globale landwirtschaftliche Produktion um zwei Prozent erhöhen. Davon gehen die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD aus.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Florian Zabel und Prof. Dr. Ruth Delzeit am Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel hat untersucht, welche Gebiete weltweit am stärksten durch zukünftige landwirtschaftliche Expansion betroffen sind. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift «Nature Sustainability» veröffentlicht.
Höhere Produktion, mehr Treibhausgase
Die Forschenden entwickelten ein Landnutzungsmodell, das weltweit die profitabelsten Flächen für eine zukünftige landwirtschaftliche Expansion identifizierte. Dabei berücksichtigt es sowohl sozio-ökonomische als auch agrar-ökologische Kriterien. Anschliessend bewerteten die Forschenden, welche wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen eine Landnutzungsänderung auf diesen Flächen hätte. Das Entstehen neuer Agrarflächen ist demnach zukünftig vor allem in den Tropen zu erwarten, wo trotz Klimawandel noch grosse Potenziale zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion vorhanden sind.
Weil Ackerfläche jedoch viel weniger Kohlenstoff speichert als die ursprüngliche Vegetation, würden laut der Studie die Landnutzungsänderungen langfristig etwa 17 Gigatonnen CO2 freisetzen. Das ist fast die Hälfte der derzeitigen jährlichen CO2-Emissionen weltweit. In den von den Landnutzungsänderungen betroffenen Gebieten würde es ausserdem zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt um 26 Prozent führen. «Die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen wäre also insbesondere für den weltweiten Klimaschutz und die Bemühungen, die Biodiversität zu erhalten, eine besorgniserregende Entwicklung», sagt Co-Studienleiter Florian Zabel.
Naturschutz lohnt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht
Angesichts der jüngsten politischen Bestrebungen, Natur, Wälder und Biodiversität global zu schützen, bewerteten die Forschenden auch die Auswirkungen verschiedener Szenarien einer globalen Naturschutzpolitik und deren Folgen. Dabei zeigte sich, dass Naturschutzmassnahmen auch unerwünschte Nebeneffekte haben können: Wenn man per Gesetz verhindert, dass sich landwirtschaftliche Flächen in Wälder, Feuchtgebiete und bestehende Schutzgebiete ausdehnen, verschiebt sich die Expansion der Landwirtschaft überwiegend auf Grasland. Dies wiederum kann einen negativen Effekt auf die dortige biologische Vielfalt haben, weil Grasland in der Regel eine höhere Diversität aufweist als andere Flächen.
Auf der anderen Seite kann es sich auch wirtschaftlich lohnen, am Naturschutz festzuhalten, denn: «Entgegen unserer Erwartungen wirkt sich der Erhalt von Wäldern, Feuchtgebieten und bestehenden Schutzgebieten kaum auf das Bruttoinlandsprodukt der entsprechenden Regionen aus. Auch die globale landwirtschaftliche Produktion verringert sich dadurch nur geringfügig. Im Gegenzug reduzieren sich die durch die Expansion entstehenden Treibhausgasemissionen jedoch erheblich», so Erstautorin Julia Schneider von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Diese Erkenntnis sei insbesondere auch im Kontext der weltweiten Ernährungssicherheit relevant: Es zeigt sich, dass sich die Zielkonflikte zwischen der Bereitstellung von Agrargütern und dem Umweltschutz verringern lassen.
Bessere Planung von Schutzgebieten
Die Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur Beantwortung der Frage, welche Flächen besonders schützenswert sind. Im Kunming-Montreal-Biodiversitätsabkommen hat sich die internationale Gemeinschaft nämlich das Ziel gesetzt, bis 2030 30 Prozent der globalen Landoberfläche unter Schutz zu stellen.
Die aktuelle Studie identifiziert zukünftig besonders bedrohte Regionen und zeigt die potenziellen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Expansion auf Wirtschaft und Umwelt auf. «Damit können Schutzgebiete so geplant werden, dass sie eine möglichst breite Wirkung auf möglichst viele Zielsetzungen wie Klima- und Biodiversitätsschutz erreichen, und gleichzeitig ökonomische Interessen berücksichtigt werden», sagt Florian Zabel.
Originalpublikation
Julia M. Schneider et. al.
Effects of profit-driven cropland expansion and conservation policies
Nature Sustainability (2024), doi: 10.1038/s41893-024-01410-x