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Geschlechterverhältnis im Kulturbetrieb

Selten: Eine Frau als Dirigentin.
Dass eine Frau ein Orchester dirigiert, ist ein seltenes Bild.

Ein Orchester dirigieren, ein Theaterstück inszenieren oder einen Musikpreis gewinnen – stehen diese Möglichkeiten Frauen genauso offen wie Männern? Und verdienen sie dabei gleich viel? Eine Untersuchung des Fachbereichs Gender Studies der Universität Basel zeigt: Es gibt Nachholbedarf.

23. Juni 2021

Selten: Eine Frau als Dirigentin.
Dass eine Frau ein Orchester dirigiert, ist ein seltenes Bild.

In der Schweiz ist wenig systematisches Wissen darüber vorhanden, wie sich die Geschlechterverhältnisse im Kulturbereich präsentieren. Geschlechterspezifische Daten und Statistiken fehlen in vielen Kulturbetrieben und in der Kulturförderung.

Verschiedene Akteurinnen und Akteure aus dem Kulturbereich und der Kulturpolitik fordern deshalb seit einiger Zeit eine umfassende Studie zum Thema Chancengleichheit, zumal die angemessene Vertretung der Geschlechter in der Kulturbranche ein Ziel der Kulturpolitik des Bundes ist (Kulturbotschaft 2021–2024).

Schlechte Datenlage

Um zu eruieren, wo gegebenenfalls Nachholbedarf besteht, haben Forschende des Fachbereichs Gender Studies der Universität Basel gemeinsam mit der Social Insight GmbH die Situation in der Schweiz im Rahmen einer Vorstudie genauer untersucht. Dies geschah im Auftrag der Stiftung Pro Helvetia und des Swiss Center for Social Research.

Die Forschenden haben sich die Sparten Darstellende Künste (Tanz und Theater), Literatur, Musik und Visuelle Kunst vorgenommen. Dabei analysierten sie Daten von insgesamt 38 Kulturhäusern und -betrieben, 16 Betriebs- und Produktionsverbänden sowie 17 Berufsverbänden. In die Untersuchung miteinbezogen wurden auch 828 Preise und Stipendien, die der Bund und 14 Kantone in den Jahren 2000 bis 2020 vergeben hatten.

Die Datenlage ist allerdings schlecht. «Dass so wenige Zahlen vorhanden sind, hat uns erstaunt», sagt Projektleiterin Dr. Andrea Zimmermann. Vor allem wenn es um Löhne und Honorare geht, gibt es kaum Informationen.

Tabuthema Lohn

Um die quantitativen Ergebnisse interpretieren zu können, haben die Forschenden verteilt auf die vier Sparten zusätzlich 27 qualitative Interviews und 14 Fachgespräche geführt. Dabei wurde deutlich: Das Stereotyp des männlichen Genies ist noch sehr präsent und hält sich hartnäckig, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. «Das macht es einerseits den Frauen schwerer, in der Kulturbranche Fuss zu fassen, andererseits baut es auch für die Männer enormen Druck auf», resümiert Andrea Zimmermann. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist mit der Künstlerfigur, die unabhängig ist und nur für die Kunst lebt, schlecht zusammenzubringen.

Das spiele auch beim Lohn eine Rolle: «In der Szene gilt immer noch: Über Geld spricht man nicht. Kunst macht man aus Leidenschaft», so die Geschlechterforscherin. Das führe zu Intransparenz oder gar zu Lohndumping.

Prekäre Einkommen kamen im Rahmen der der Vorstudie geschlechterübergreifend zur Sprache und es gebe Hinweise auf einen Gender Pay Gap. Allerdings liegen kaum konkrete Zahlen aus den einzelnen Sparten zu den aktuellen Lohnverhältnissen vor. Weitere Erhebungen seien hier folglich dringend notwendig.

Die Musikbranche ist das Schlusslicht

Überrascht hat die Forscherin auch, wie wenig Frauen in einer Leitungsposition den Kulturbetrieb mitgestalten. In der Sparte Musik zeichnet sich eine besonders prekäre die Situation ab, sowohl in Bezug auf Frauen als Entscheidungsträgerinnen als auch auf die Sichtbarkeit von Künstlerinnen und ihrer Werke.

Auf der Bühne sind sie vor allem in den Bereichen Rock und Pop sowie im Jazz wenig sichtbar. Am ausgewogensten ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern hingegen in der Sparte Literatur. In manchen Bereichen sind hier die Frauen gar in der Überzahl – eine absolute Ausnahme im Rahmen der Vorstudie.

Nun sind Taten gefragt

Die Forschenden empfehlen aufgrund ihrer Erkenntnisse aus der Vorstudie, die Lohnthematik unter die Lupe zu nehmen. Auch der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte man in struktureller Hinsicht nachgehen. Zudem fehlt Wissen über Berufsverläufe von Kulturschaffenden: Warum haben sich Künstler und Künstlerinnen für oder gegen die Fortsetzung einer künstlerischen Laufbahn entschieden?

Weiter sollten die Bereiche der Förderung auf verschiedenen Ebenen sowie die Ausbildung und die Hochschulen näher betrachtet und in die Auswertungen miteinbezogen werden. Es gelte ferner, die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zu reflektieren. «Die Ergebnisse werden zu Diskussionen führen», so Zimmermann. Sie nehme in der Branche durchaus eine grosse Bereitschaft für Veränderungen wahr. Vieles werde bereits diskutiert.

Um einen strukturellen Wandel voranzutreiben, sei es jedoch nötig, umfassendere Daten zu den Geschlechterverhältnissen im Schweizer Kulturbetrieb zu erheben. «Nur wenn die offensichtlich gewordenen Wissens- und Datenlücken gefüllt werden, lassen sich gezielte Massnahmen entwickeln und umsetzen», ist Andrea Zimmermann überzeugt. Ein nachhaltiges Monitoring der Zahlen liesse zudem Schlussfolgerungen zu, welche Massnahmen wie greifen.

Weitere Informationen: 

Zu den detaillierten Ergebnissen der Vorstudie
Zum Projekt im Fachbereich Gender Sudies

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