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«Ich will Medizinroboter bauen, die andere wirklich nutzen wollen.»

Georg Rauter demonstriert einen Roboterarm
Kollaborative Medizinroboter sollen kollisionsfreie, intuitive und leichte Bedienung auch von schwerem Equipment über längere Zeit hinweg ermöglichen. Prof. Dr. Georg Rauter zeigt ein Projekt seiner Teammitglieder Murali Karnam und Dr. Nicolas Gerig. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Georg Rauter entwickelt Mikroroboter als Werkzeuge für Hirnchirurginnen, Zahnärzte und für Operationen an Knochen. Gut vernetzt mit Forschenden in der Schweiz und weltweit möchte er Basel als Hub für Medizinrobotik etablieren.

14. März 2023 | Angelika Jacobs

Georg Rauter demonstriert einen Roboterarm
Kollaborative Medizinroboter sollen kollisionsfreie, intuitive und leichte Bedienung auch von schwerem Equipment über längere Zeit hinweg ermöglichen. Prof. Dr. Georg Rauter zeigt ein Projekt seiner Teammitglieder Murali Karnam und Dr. Nicolas Gerig. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Herr Rauter, was wäre der perfekte Roboter, den Sie in Ihrer Forschungskarriere entwickeln möchten?

Das möchte ich mit einer Anekdote beantworten: Ich hatte ein Schlüsselerlebnis im Rahmen meiner Doktorarbeit an der ETH Zürich. Dort habe ich einen robotischen Rudersimulator entwickelt, mit dem man rudern lernen kann. Das System spürt die Bewegungen, merkt, wo Fehler passieren, und gibt personalisiert Feedback, zum einen grafisch, zum anderen indem es mit Zug und Widerstand den optimalen Ablauf anleitet. Ausserdem gibt es mit Tönen den zeitlichen Ablauf der Bewegungen an. Der Roboter leistet also Ähnliches wie ein menschlicher Trainer. Das Besondere daran war: Wir konnten beweisen, dass ein Roboter autonom einem Menschen etwas beibringen kann und den Lernprozess sogar beschleunigt.

Was ist daraus geworden?

Das Antriebs- und Regelungskonzept des Rudersimulators haben wir dann für einen Reha-Roboter verwendet, der heute unter dem Namen «The Float» auf dem Markt ist. Das System erinnert ein bisschen an einen Klettergurt mit Deckenaufhängung und hilft dabei, das Gehen zu trainieren. «Float» folgt passiv der Patientin oder dem Patienten, aber stützt bei Bedarf oder fängt einen Sturz ab.

Warum war das ein Schlüsselerlebnis?

Ich kam nach langer Zeit mal wieder an die Universitätsklinik Balgrist, wo wir das erste System aufgebaut hatten. Die Therapeutinnen und Therapeuten dort kannten mich natürlich nicht mehr. Sie erklärten mir das Funktionsprinzip und die Vorteile von «The Float» gegenüber konventioneller Gangrehabilitation am Laufband, ohne zu wissen, dass ich das System entwickelt habe. Das war grossartig zu sehen, dass meine Forschung mir nicht nur Publikationen eingebracht hat, sondern dass ich einen Roboter entwickelt habe, den andere wirklich nutzen können und wollen.

Um auf die Frage nach dem perfekten Roboter zurückzukommen: Was müsste der also können?

Das kommt darauf an, was genau gebraucht wird. Die treibende Kraft sind für mich die Bedürfnisse der späteren Nutzerinnen und Nutzer. Das kann im Bereich zellbiologischer Forschung, Reha-Robotik oder im Bereich Laserchirurgie sein. Meine Forschungsgruppe entwickelt vor allem Mikroroboter und begleitet wirklich den ganzen Prozess von der Idee bis zum Produkt. Das ist aussergewöhnlich, dass man mit der akademischen Forschung von Anfang bis Ende dabei ist. Im gesamten Prozess stehen wir immer im engen Austausch mit den Anwenderinnen und Anwendern vor allem aus dem medizinischen Umfeld.

Haben Sie ein Beispiel für ein System, an dem Sie gerade arbeiten?

Da wäre zum Beispiel ein minimalinvasives System für die Chirurgie, das mit Laser Knochen schneiden kann. Dieser Mikroroboter soll so sensibel wie ein menschlicher Finger, sehr beweglich und mit guter Optik ausgestattet sein. Zugleich wollen wir die Bedienung durch Chirurginnen und Chirurgen so einfach wie möglich machen. Was das System autonom erledigen kann, soll es autonom erledigen. Beispielweise würde die Anwenderin dem System sagen «Hier ist die richtige Stelle, jetzt schneide genau hier den Knochen.» – sie muss nicht jede Hin- und Herbewegung des Lasers beim Schneiden vorgeben. Aber auch wenn unser Mikroroboter einiges autonom kann, bleibt er ein Werkzeug und kein Ersatz für Chirurgen. Ich sage es gerne so: Ich baue dumme Roboter für intelligente Menschen.

Bei Robotikforschung denken viele an Zürich und Lausanne. Sind Sie hier in Basel auf einsamem Posten?

Nein, wir sind sehr gut vernetzt und haben erfolgreiche Zusammenarbeiten mit anderen Standorten in der Schweiz und weltweit. Mit unseren medizinischen Mikorobotern im Bereich zwischen 0,1 und 2 Zentimetern ergänzen wir die Schweizer Robotik-Landschaft. Weltweit sind wir einzigartig im Bereich robotische Laserchirurgie und pflegen Partnerschaften mit Industrie, Forschung und Medizin.

Wie erleben Sie die Basler Forschungsumgebung?

Die Wege zu den Anwenderinnen und Anwendern sind hier sehr kurz. Gerade die direkte Einbettung in der Medizinischen Fakultät der Universität Basel ist ein grosser Vorteil: Durch den unmittelbaren Austausch mit Kolleginnen und Kollegen mit medizinischem Hintergrund können wir unsere medizinischen Mikroroboter zeitnah zur Anwendung bringen. Wir haben enge Kooperationen beispielsweise mit dem Universitäts-Kinderspital beider Basel und dem Universitätsspital Basel. Das sind sehr fruchtbare Projekte, bei denen uns die Klinikerinnen und Kliniker Informationen über den genauen Bedarf und die Daten zur Verfügung stellen und wir anhand dessen Prototypen entwickeln können, die wir wiederum mit ihrer Hilfe testen.

Georg Rauter mit einem Neuroendoskop an einem Modell des Gehirns
Georg Rauter erklärt die Vorteile des flexiblen robotischen Neuroendoskops seines Doktoranden Lorin Fasel. (Foto: Universität Basel, Eleni Kougionis)

Worum geht es da zum Beispiel?

Mit dem Neurochirurgen Prof. Dr. Raphael Guzman vom Unispital entwickeln wir beispielsweise ein Neuroendoskop, das mehrere Gelenke hat, leicht manövrierbar ist und dessen Steifigkeit man ändern kann. Wo man das Gewebe nicht verletzen möchte, gibt das Endoskop nach, wo es effektiv zum Einsatz kommen soll, wird es fester. Es soll sich also ähnlich verhalten wie ein menschlicher Finger und ebenso haptisches Feedback geben, also der Chirurgin oder dem Chirurgen vermittelt, wie das Gewebe beschaffen ist.

Wie lange dauert es etwa, bis sowas auf den Markt kommt?

Vom ersten Konzept bis zur Marktreife rechnen wir mit ungefähr zehn Jahren. Man muss bedenken, dass viele Entwicklungsschritte dahinterstecken: Analyse des Bedarfs, Design, Prototyp, Test, neuer Prototyp, Test und so weiter. Bei unserem Reharoboter «The Float» hatten wir es damals in etwa sechs Jahren geschafft, das Gerät auf den Markt zu bringen.

Basel bietet also viele Möglichkeiten für Zusammenarbeiten. Wie sieht es über Basel hinaus aus?

Dank des Nationalen Forschungsschwerpunkts für Robotik (NCCR Robotics), den der Schweizerische Nationalfonds finanziert hat, konnten sich die Robotiker in der Schweiz gut vernetzen. Das Programm ist allerdings im November 2022 nach zwölf Jahren ausgelaufen und wir versuchen nun die Zusammenarbeit der Robotikerinnen und Robotiker in der Schweiz mit einem von Innosuisse unterstützten nationalen Netzwerk namens NTN Innovation Booster Robotics weiter auszubauen. Daran ist nicht nur akademische Forschung beteiligt, sondern auch die Industrie. Schön wäre auch, wenn die Politik hier stärker vertreten wäre, um sich für die Bedürfnisse im Bereich Robotik im Allgemeinen und natürlich auch Medizinrobotik im Speziellen zu sensibilisieren.

Was würde es brauchen, damit Basel auch mehr als Standort für Robotik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt?

Der Forschungsgemeinschaft ist Basel als Standort für Robotikforschung durchaus bewusst. Wir arbeiten daran, Systeme erfolgreich in die Klinik zu bringen, damit Basel der Schweizer Bevölkerung beim Stichwort Robotik ebenso schnell in den Sinn kommt wie beispielsweise Zürich oder Lausanne.

Zur Person

Georg Rauter ist seit März 2022 Associate Professor für Surgical Robotics am Department of Biomedical Engineering der Universität Basel. Zuvor hatte er bereits seit 2016 eine Assistenzprofessur im Rahmen des Projekts Miracle (Minimally Invasive Robot-Assisted Computer-guided LaserosteotomE) inne, die während fünf Jahren durch die Werner Siemens-Stiftung finanziert wurde. Für Interessierte bietet er regelmässig Führungen durch sein Labor an.

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