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Neandertaler waren die ersten Künstler der Menschheit

Dorota Wojtczak bei Grabungsarbeiten in La Roche-Cotard
Dorota Wojtczak bei Grabungsarbeiten in La Roche-Cotard. (Bild: zvg)

Strichartige Zeichnungen in einer seit Jahrtausenden verschlossenen Höhle im französischen La Roche-Cotard stammen vom Neandertaler. Das zeigen jüngste Forschungsarbeiten der Basler Archäologin Dorota Wojtczak zusammen mit einem Forschungsteam aus Frankreich und Dänemark. Der Neandertaler war demnach der erste Mensch mit einem Verständnis für Kunst.

21. November 2023 | Christian Heuss

Dorota Wojtczak bei Grabungsarbeiten in La Roche-Cotard
Dorota Wojtczak bei Grabungsarbeiten in La Roche-Cotard. (Bild: zvg)

Als der französische Archäologe Jean-Claude Marquet 1974 die Höhle La Roche-Cotard im Loire-Tal zum ersten Mal betrat, stieg eine Vermutung in ihm auf: Die feinen strichartigen Spuren an der Wand könnten menschlichen Ursprungs sein. Ebenfalls von ihm gefundene Schaber, Spitzen und gezähnte Stücke - alles so genannte Steinartefakte des Moustériens - deuteten auf die Neandertaler als Benutzer der Höhle hin. Waren die Wandspuren Beweise für frühe künstlerische Aktivitäten der Neandertaler? 

Es wäre ein Bruch mit der damaligen Lehrmeinung gewesen, die dem Homo neanderthalensis höhere kognitive Fähigkeiten weitgehend absprach. Aus Furcht, seine Vermutung nicht genügend wissenschaftlich untermauern zu können, liess Marquet die Höhle fast 40 Jahre ruhen.

Spuren an der Wand durch menschliche Finger

Zusammen mit einem internationalen Team wagte er 2016 einen erneuten Versuch. Mit dabei war Dr. Dorota Wojtczak von der Integrativen Prähistorischen und Naturwissenschaftlichen Archäologie (IPNA) am Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel, eine Spezialistin für archäologische Gebrauchsspuren. «Unsere Aufgabe war es, mit modernen Methoden den menschlichen Ursprung dieser Wandgravuren zu beweisen», erzählt Wojtczak in ihrem Büro an der IPNA. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich im Fachmagazin PLOS One.

Wandspuren von Neandertaler in den Höhlen von La Roche-Cotard (Bild: zvg)

Zuerst mit Fotos und Zeichnungen, später mit einem 3D-Scanner wurden die Wandspuren im Tuffstein der Höhlenwand akribisch erfasst. Diese Aufzeichnungen aus der Höhle verglich Wojtczak in ihrem Labor in Basel mit Tuffstein, den sie experimentell mit Werkzeugen aus Holz, Knochen, Stein oder mit den Händen bearbeitet hatte. «Diese Untersuchungen zeigten eindeutig, dass die Höhlenspuren nicht mit Werkzeugen, sondern durch Kratzen mit menschlichen Fingern entstanden sein müssen», sagt Wojtczak. 

Höhle über 50'000 Jahre verschlossen

Gleichzeitig zeigten Untersuchungen der Höhlensedimente von Forscherinnen aus Dänemark, dass die Höhle bis zu ihrer Wiederentdeckung über 50'000 Jahre lang durch Schlammrückstände der Loire und Bodensedimente verschlossen gewesen sein muss. Das macht das Höhlensystem von La Roche-Cotard zu einem ganz besonderen Ort, einer Art Zeitkapsel. «Zu dieser Zeit vor 50'000 Jahren gab es in Europa noch keine modernen Menschen, sondern nur die Neandertaler», sagt Wojtczak. Die Wandspuren und Artefakte können daher nur von diesen Frühmenschen stammen.


Originalpublikation

Jean-Claude Marquet et al.
The earliest unambigous Neanderthal engravings on cave walls: La Roche-Cotard, Loire Valley, France
PLOS One (2023), doi: 10.1371/journal.pone.0286568

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