Zigarettenverkaufsverbote hindern Jugendliche nicht am Rauchen
Wer keine Zigaretten kaufen kann, fängt nicht an zu rauchen, so die Überlegung hinter Verkaufsverboten von Zigaretten an Jugendliche. Eine neue Basler Studie für die Schweiz zeigt jedoch: Die Abgabeverbote machen das Rauchen zwar nicht attraktiver, halten aber auch nicht gross vom Rauchen ab.
05. Juli 2021
Rauchen ist in der Schweiz weiterhin stark verbreitet. So rauchen gegenwärtig etwa 27 Prozent der Schweizer Bevölkerung, 9500 Personen sterben pro Jahr an den Langzeitfolgen des Rauchens. Abgabeverbote an Jugendliche sind eine der zahlreichen Massnahmen zur Tabakprävention, die in der Schweiz auf allen Staatsebenen unternommen werden. Bisher gibt es aber kaum systematische Untersuchungen dazu, wie sich die Abgabeverbote auf die Zahl junger Raucherinnen und Raucher und die Einstellungen Jugendlicher zum Rauchen auswirken.
Die Situation in der Schweiz bietet sich jedoch auf ideale Weise an, um die Konsequenzen von Abgabeverboten zu untersuchen. So haben seit 2006 bis auf Appenzell Innerrhoden und Schwyz alle Kantone Abgabeverbote von Zigaretten an Jugendliche eingeführt, entweder für unter 16- oder gar für unter 18-Jährige. Die unterschiedlichen Einführungszeitpunkte nutzen die Studienautoren Armando Meier, Reto Odermatt und Alois Stutzer, Ökonomen an den Universitäten Basel und Lausanne, für umfassende Vorher-Nachher-Vergleiche. Generelle nationale Trends über die Zeit rechneten sie heraus, zum Beispiel den Preisanstieg für Zigaretten.
Verbote zeigen geringe Wirkung
Zwischen 2001 und 2016 wurden schweizweit über 80’000 Jugendliche unter 21 Jahren zu ihrem Zigarettenkonsum und ihren Einstellungen zum Rauchen befragt. In den Umfragedaten zeigt sich, dass das Abgabeverbot höchstens zu einer kleinen Reduktion des Tabakkonsums geführt hat. Der kleine und statistisch unscharfe negative Durchschnittseffekt scheint dabei durch jene Kantone getrieben, die ein Abgabeverbot bis zum Alter 18 anwenden.
Für junge Erwachsene, die als Jugendliche aufgrund eines geltenden Abgabeverbots keine Zigaretten kaufen konnten, finden die Autoren längerfristig keine tiefere Rauchneigung. Eine grosse durchschnittliche Verringerung des Tabakkonsums durch Zigarettenverkaufsverbote an Jugendliche kann die Studie deshalb mit grosser statistischer Wahrscheinlichkeit ausschliessen.
Zudem stellen die Autoren fest, dass das Rauchen und Raucher bei Gleichaltrigen heute nicht als cooler gelten als vor der Einführung von Abgabeverboten. Vielmehr verliert das Rauchen dadurch eher an Attraktivität – allerdings nicht mit messbarem Einfluss auf das Rauchverhalten. Auf der anderen Seite führen die Massnahmen auch nicht dazu, dass die Jugendlichen das Rauchen als schädlicher einschätzen.
Zigaretten aus dem Freundeskreis
«Eine mögliche Erklärung für die geringe Wirkung ist, dass Jugendliche die Abgabeverbote umgehen», sagt Alois Stutzer Einerseits weisen die Umfragedaten darauf hin, dass die Jugendlichen bei einem Abgabeverbot tatsächlich weniger oft an einem Kiosk Zigaretten kaufen. Andererseits scheint der Zugang zu Zigaretten insgesamt dennoch wenig erschwert, da Jugendliche stattdessen Zigaretten über Kolleginnen und Kollegen beziehen.
Dieses Umgehungsverhalten scheint ein wichtiger Grund zu sein für die geringe Wirkungskraft der Abgabeverbote. «Man sollte sich daher bewusst sein, dass Abgabeverbote – zumindest, wenn sie nicht mit polizeistaatlichen Massnahmen umgesetzt werden – kaum zu einer grossen Verringerung der Rauchprävalenz beitragen», so Stutzer.
Anders sind die Erfahrungen beim Alkohol: Dort zeigen die Abgabeverbote an Jugendliche Wirkung. «Künftige Untersuchen sollten sich daher den möglichen Gründen für diese Diskrepanz widmen», schreiben die Studienautoren.
Originalpublikation
Armando N. Meier, Reto Odermatt and Alois Stutzer
Tobacco Sales Prohibition and Teen Smoking
Journal of Economic Behavior & Organization (2021), doi: 10.1016/j.jebo.2021.06.002
Weitere Auskünfte
- Prof. Dr. Alois Stutzer, Universität Basel, Wirtschaftswisssenschaftliche Fakultät, Politische Ökonomie, Tel. +41 61 207 33 61, E-Mail: alois.stutzer@unibas.ch
- Dr. Armando Meier, Universität Lausanne und Universität Basel, Tel. +41 79 368 53 46, E-Mail: armando.meier@unil.ch