Entweder – Oder: Warum Krafttraining auf Kosten der Ausdauermuskeln geht
Der Botenstoff brain-derived neurotrophic factor (BDNF) sorgt im Muskel dafür, dass beim Krafttraining die Ausdauermuskulatur verringert wird. Eine Forschungsgruppe am Biozentrum der Universität Basel hat den Botenstoff aus der Gruppe der Myokine genauer untersucht. Das Team konnte zeigen, dass dieser vom Muskel hergestellt wird und wie er auf Muskeln und Synapsen einwirkt. Die im Fachblatt PNAS veröffentlichten Resultate liefern auch neue Erkenntnisse für den Abbau von Muskelmasse im Alter.
25. Juli 2019
Die Branche der Fitnessstudios boomt: Neue Studios schiessen regelrecht wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Menschen sind bemüht, ihre Muskeln aufzubauen und zu stärken. Doch was genau passiert im Muskel, wenn er trainiert wird? Die Forschungsgruppe von Prof. Christoph Handschin vom Biozentrum der Universität Basel hat nun Kraftmuskeln und den Botenstoff BDNF, der für die Bildung der Kraftmuskelfasern eine wichtige Funktion übernimmt, genauer untersucht.
Das Team konnte zeigen, dass der Botenstoff eigens vom Muskel hergestellt wird und die neuromuskulären Synapsen – Nervenverbindungen zwischen Motorneuron und Muskeln – umformt. Der BDNF bewirkt dabei nicht nur, dass die Kraftmuskulatur zunimmt, sondern sorgt im Gegenzug auch dafür, dass die Ausdauermuskulatur abgebaut und damit verringert wird.
Botenstoff wirkt auf Muskeln und Synapsen
Insgesamt unterscheidet man zwei verschiedenen Formen von Muskeln, abhängig von den Fasertypen, aus denen sie bestehen: Zum einen gibt es die sich langsam kontrahierenden, ausdauernden Fasern, die vor allem beim Ausdauersport gebildet werden. Bei Marathonläufern sind in erster Linie diese Ausdauermuskeln trainiert. Weitaus weniger gut untersucht wurde bisher die zweite Muskelform, die aus sich schnell kontrahierende Fasern besteht. Diese Kraftmuskeln legen beim Krafttraining an Volumen zu und vermögen es, eine besonders grosse Kraft aufbringen.
Das Team von Handschin hat nun einen hormonähnlichen Botenstoff aus der Familie der Myokine im Mausmodell untersucht. Myokine werden vom Muskel bei seiner Kontraktion ausgeschüttet. «Interessant ist, dass dieser neu identifizierte BDNF selbst vom Muskel gebildet wird und nicht nur auf den Muskel einwirkt. Er bildet gleichzeitig auch die neuromuskulären Synapsen um, also die Verbindungen zwischen Motorneuron und Muskel», erklärt Handschin.
Botenstoff wandelt Ausdauermuskeln in Kraftmuskeln um
Diese Umformung der neuromuskulären Synapsen beim Krafttraining hat zur Folge, dass der Körper vermehrt Kraftmuskulatur aufbaut. Jedoch erfolgt der Zuwachs an Kraftmuskeln auf Kosten der Ausdauermuskulatur. «Genauer gesagt werden durch die Ausschüttung des BDNF die Ausdauermuskeln in Kraftmuskulatur umgewandelt», so Handschin. Damit ist BDNF ein Faktor, dem nachgewiesen werden kann, dass er eigens vom Muskel hergestellt wird und Einfluss auf die Muskelfaserform hat.
Wichtig für Muskelschwund im Alter
Die neuen Erkenntnisse über den Botenstoff BNDF liefern auch eine mögliche Erklärung für die verringerte Ausdauermuskulatur als Folge des Krafttrainings. Diese Korrelation wird bereits in Trainingsplänen von Hochleistungssportlern berücksichtigt. Zumal Sportarten wie das Rudern, die auf Kraft und auf Ausdauer ausgerichtet sind, im Training die Muskelumformung berücksichtigen müssen.
In einer weiteren Untersuchung zeigt das Forschungsteam, dass sich bei nicht vorhandenem BDNF im Muskel der altersbedingte Rückgang der Muskelmasse und -funktion verringert. «Dieses Resultat haben wir so nicht erwartet», sagt Handschin. «Es macht die Ergebnisse natürlich auch für therapeutische Ansätze bei Muskelschwund im Alter interessant.»
Originalbeitrag
Julien Delezie, Martin Weihrauch, Geraldine Maier, Rocío Tejero, Daniel J. Ham, Jonathan F. Gill, Bettina Karrer-Cardel, Markus A. Rüegg, Lucía Tabares, and Christoph Handschin
BDNF is a mediator of glycolytic fiber-type specification in mouse skeletal muscle
PNAS (2019), doi: 10.1073/pnas.1900544116
Weitere Auskünfte
- Prof. Dr. Christoph Handschin, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 23 78, E-Mail: christoph.handschin@unibas.ch
- Heike Sacher, Universität Basel, Biozentrum, Kommunikation, Tel. +41 61 207 14 49, E-Mail: heike.sacher@unibas.ch
Illustration
Ein hochaufgelöstes Bild zu dieser Medienmitteilung finden sich in der Mediendatenbank.