Weltweit älteste Handschrift eines Christen ist in Basel
Ein Brief in der Basler Papyrussammlung beschreibt ganz alltägliche Familienangelegenheiten und ist doch einzigartig in seiner Art: Er überliefert wertvolle Einblicke in die Welt der ersten Christen im römischen Reich, die aus keiner anderen historischen Quelle bekannt sind. Der Brief konnte in die 230er Jahre nach Christus datiert werden und ist somit älter als alle bislang bekannten christlich-dokumentarischen Zeugnisse aus dem römischen Ägypten.
11. Juli 2019
Die ersten Christen im römischen Reich werden üblicherweise als weltabgewandte und von Verfolgung bedrohte Sonderlinge dargestellt. Im Kontrast dazu steht der Inhalt des Basler Papyrusbrief P.Bas. 2.43. Er gibt Hinweise, dass Christen schon im frühen dritten Jahrhundert abseits der Städte im ägyptischen Hinterland zu finden waren, wo sie politische Leitungsfunktionen einnahmen und sich auch ansonsten in ihrem alltäglichen Leben nicht von ihrer heidnischen Umwelt unterschieden.
Familie mit christlicher Gesinnung
Der Papyrus P.Bas. 2.43 befindet sich bereits seit über 100 Jahren im Besitz der Universität Basel. Er überliefert einen Brief von einem Arrianus an seinen Bruder Paulus. Das Dokument sticht aus der Masse der erhaltenen Briefe des griechisch-römischen Ägyptens durch seine abschliessende Grussformel heraus: Nachdem der Briefschreiber über alltägliche Familienangelegenheiten berichtet und um die beste Fischsosse als Mitbringsel bittet, wünscht er seinem Bruder in der letzten Zeile, dass es ihm wohlergehen werde «im Herrn». Dabei verwendet der Autor die abgekürzte Schreibweise der christlichen Formel «Ich bete, dass es Dir gut geht ‚im Herrn‘».
«Die Verwendung dieser Abkürzung – wir sprechen hier von einem sogenannten nomen sacrum – lässt keinen Zweifel an der christlichen Gesinnung des Briefschreibers», so Sabine Huebner, Professorin für Alte Geschichte an der Universität Basel. «Es handelt sich dabei um eine exklusiv christliche Formel, die uns aus neutestamentarischen Abschriften überliefert ist.» Auch der Name des Bruders sei aufschlussreich, erklärt Huebner. «Paulus ist ein zu dieser Zeit äusserst seltener Name und wir dürfen daraus ableiten, dass die im Brief genannten Eltern bereits Christen waren und ihren Sohn schon um 200 n. Chr. nach dem Apostel benannt hatten.»
Datierung und Herkunft
Mittels umfangreicher prosopographischer Forschungen konnte Huebner den Papyrus auf die 230er Jahre n. Chr. datieren. Der Brief ist damit mindestens 40-50 Jahre älter als alle übrigen weltweit bekannten christlich-dokumentarischen Briefe. Er liefert zudem bedeutende Details zur sozialen Herkunft dieser frühen christlichen Familie: Arrianus und sein Bruder Paulus waren junge gebildete Söhne der Lokalelite, Landbesitzer und Träger öffentlicher Ämter.
Auch der Fundort des Papyrus konnte rekonstruiert werden: Er stammt aus dem Dorf Theadelphia in Mittelägypten und gehört zum berühmten Heroninos-Archiv, dem grössten Papyrusarchiv aus römischer Zeit.
Der Papyrusbrief steht im Zentrum von Huebners neuer Monographie «Papyri and the Social World of the New Testament». Ihr Buch wendet sich an ein breites Publikum und zeigt, wie die Papyri des griechisch-römischen Ägyptens helfen können, die soziale, politische und wirtschaftliche Lebenswelt der ersten Christen anschaulich zu machen. Darüber hinaus erscheinen dieses Jahr alle Basler Papyri in einer Erstedition im Druck in den Beiheften des Archiv für Papyrusforschung; die digitale Veröffentlichung ist bereits im Juni 2019 auf der internationalen Plattform Papyri.info erfolgt.
Originalbeitrag
Sabine R. Huebner
Papyri and the Social World of the New Testament
Cambridge University Press, Cambridge 2019, 214 Seiten.
doi: 10.1017/9781108556453
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Sabine Huebner, Universität Basel, Departement Altertumswissenschaften, Professur für Alte Geschichte, Tel. +33 78 2627 602, E-Mail: sabine.huebner@unibas.ch
Bildmaterial
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Die Basler Papyrussammlung
Im Jahr 1900 war die Universität Basel eine der ersten deutschsprachigen Universitäten und die erste der Deutschschweiz, die sich eine Papyrussammlung zulegte. Zu dieser Zeit boomte die Papyrologie gerade – man hoffte, mehr über die Entwicklung des frühen Christentums zu erfahren und verloren geglaubte Werke antiker Autoren wiederzuentdecken. Für den Ankauf der Papyri stellt der Freiwillige Museumsverein der Stadt Basel damals 500 Franken zu Verfügung, ein Betrag, der heute etwa 5000 Franken entspricht.
Die Basler Sammlung umfasst 65 Schriftstücke in fünf Sprachen aus ptolemäischer, römischer sowie spätantiker Zeit. Die meisten Schriftstücke in der Sammlung sind dokumentarische Papyri, die vor allem in sozial-, kultur- und religionsgeschichtlicher Hinsicht interessant sind, da sie den Alltag der «einfachen» Leute vor 2000 Jahren dokumentieren. Der Grossteil der Basler Papyri wurde noch nicht veröffentlicht und blieb von der Forschung bislang weitgehend unbeachtet. Das dreijährige von Prof. Huebner geleitete Editionsprojekt wurde vom Schweizerischen Nationalfond gefördert und erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Digital Humanities Lab der Universität Basel.