Wie der Wald mit dem Hitzesommer zurechtkommt
Zwischen April und August hat die Schweiz die regenärmsten Sommermonate seit Messbeginn 1864 erlebt. Besonders der Wald scheint unter der Trockenheit zu leiden: Bereits im August haben die Bäume begonnen, sich braun zu verfärben. Eine Studie der Universität Basel deutet nun darauf hin, dass die heimischen Bäume besser als erwartet mit der Trockenheit umgehen können. Doch für eine Entwarnung ist es noch zu früh.
29. August 2018
Bäume sind darauf angewiesen Photosynthese zu betreiben, um Zucker für ihren Stoffwechsel zu produzieren. Dazu müssen sie durch kleine Poren an den Blättern Kohlenstoffdioxid (CO2) aufnehmen. Dabei verdunsten erhebliche Mengen Wasser: Bei einer ausgewachsenen Buche können das täglich bis zu 400 Liter sein.
Dieses Wasser muss der Baum jeden Tag ersetzen, indem er es über die Wurzeln aufnimmt und über Leitbahnen im Stamm in die Blätter führt. Für den Transport in die Höhe sorgt ein Unterdruck, der durch den Wasserverlust in den Blättern entsteht und das Wasser aus dem Boden nach oben saugt.
Vertrocknen oder verhungern
Trocknet der Boden aus, wird diese Saugspannung immer grösser. Wird sie zu gross, können die Leitbahnen erheblichen Schaden nehmen, sodass kein Wasser mehr zu den Blättern gelangt und der Baum vertrocknet.
Um dies zu verhindern, verschliessen die Bäume bei Trockenheit ihre Poren. Dadurch reduzieren sie den Wasserverlust und vermeiden extreme Saugspannungen in den Leitbahnen.
Doch das hat seinen Preis: Die Photosynthese wird dadurch eingeschränkt. Bleiben die Poren längere Zeit geschlossen, kann der Baum keinen Zucker mehr synthetisieren und droht letztlich zu verhungern. Bis jetzt ist man daher davon ausgegangen, dass Bäume bei extremer Trockenheit Gefahr laufen, entweder zu vertrocknen oder zu verhungern. Verlässliche Daten gab es bisher jedoch nicht.
Bäume physiologisch gut gerüstet
Forscher der Universität Basel konnten nun zeigen, dass die wichtigsten heimischen Baumarten erstaunlich gut in der Lage sind, bei extremer Trockenheit durch den Verschluss der Poren Schäden an ihren Leitbahnen und damit ein Austrocknen zu verhindern. Dies berichten sie auf Basis einer dreijährigen Studie, die das Jahr 2015 einschliesst, welches ebenfalls durch einen extrem heissen und trockenen Sommer gekennzeichnet war. Die Forscher fanden auch keine Anzeichen dafür, dass der lang anhaltende Porenschluss zu einer Reduktion der Zuckerspeicher im Baum führen würde.
Die Forscher schliessen aus ihren Untersuchungen, dass die Bäume durch effizienten Porenschluss und durch ausreichende Zuckerreserven physiologisch erstaunlich gut gerüstet sind, um extreme Trockenheitsereignisse wie den Sommer 2015 zu überleben. Erste Daten aus dem Hitzesommer 2018 bestätigen diese Ergebnisse.
Kontrollierter biologischer Prozess
Wieso aber verfärbt sich der Wald dennoch gelb, wenn unsere Bäume gut gegen Trockenheit gerüstet sind? «Das vorzeitige Abwerfen der Blätter ist eine weitere Sicherheitsmassnahme der Bäume, um sich vor Austrocknung zu schützen. Es ist ein kontrollierter biologischer Prozess und ist zunächst nicht bedenklich», so Studienleiter Prof. Dr. Ansgar Kahmen vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel.
«Zwar können die braunen Blätter keine Photosynthese mehr betreiben, aber die Zuckerspeicher sind zu dieser Jahreszeit bereits schon recht voll, sodass der Baum auch so gut über den Winter kommen sollte», erläutert der Pflanzenwissenschaftler.
Entscheidend ist, dass die Blattknospen die Trockenheit ohne Schäden überdauern. «Die Knospen sind bereits jetzt angelegt, um im kommenden Jahr neue Blätter austreiben zu lassen. Ob dies der Fall ist, können wir erst im kommenden Frühjahr beurteilen.»
Zu früh für Entwarnung
Trotz der erstaunlichen Fähigkeit der Bäume, eine Dürreperiode zu überdauern, geben die Forscher keine Entwarnung. Zwar können unsere Bäume mit Einzelereignissen wie den Hitzesommern 2015 oder 2018 offensichtlich gut umgehen. Es ist jedoch unklar, ob ihre Sicherheitsmechanismen ausreichen, um auch einer starken Zunahme von Trockenheitsereignissen widerstehen zu können.
Die Forscher geben auch zu bedenken, dass Bäume zwar ein einzelnes Trockenheitsjahr überleben können, daraus jedoch geschwächt hervorgehen können und so zum Beispiel für Insektenbefall anfällig werden.
Originalbeitrag
Lars Dietrich, Sylvain Delzon, Guenter Hoch, Ansgar Kahmen
No role for xylem embolism or carbohydrate shortage in temperate trees during the severe 2015 drought
Journal of Ecology (2018), doi: 10.1111/1365-2745.13051
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Ansgar Kahmen, Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Tel. +41 61 207 35 71, E-Mail: ansgar.kahmen@unibas.ch
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