Menschen und Tiere
Text: Karen N. Gerig
Wie Bilder unsere Beziehung zu Tieren beeinflussen und wie sie tierethisches Denken und Handeln anstossen, untersucht Friederike Zenker. Sie interessiert auch ganz persönlich, welche Rolle die Bilder im Kampf um Tierrechte haben.
«Singuläre Tiere in den Blick nehmen» lautet der Titel des Projekts, für das Friederike Zenker seit September 2016 am Nationalen Forschungsschwerpunkt Bildkritik/«eikones» forscht. Ausgehend von aktuellen Ansätzen der Tierphilosophie nimmt sie Fotos und Filme unter die Lupe und untersucht sie auf ihre Bedeutung. Im Fokus stehen dabei Fragen rund um die Rolle dieser Bilder in der Tierethik: Welche Funktionen können sie erfüllen? Befördern Emotionen, die etwa von Aufnahmen aus der Massentierhaltung ausgelöst werden, die Debatten? Was tragen Bildtheorie und Filmphilosophie bei?
Dass jemand, der diesen Fragen derart vertieft nachgeht, im Leben besonders auf Respekt gegenüber Tieren achtet und auch kein Fleisch isst, überrascht nicht. Zenker verzichtet seit mehr als einem Jahrzehnt auf jegliche tierischen Produkte. Was hinter ihrem veganen Lebensstil steckt, interessiert sie schon länger. Während ihres Philosophiestudiums in Freiburg/Br. und Glasgow beschäftigte sie sich erstmals mit Tierethik. «Es ging mir darum, ein kulturelles und gesellschaftliches Umbruchphänomen, von dem ich Teil bin, besser verstehen zu können», sagt sie.
Tiere sollen als Individuen angesehen werden, das will die Tierethik über Fragen zum menschlichen Umgang mit Tieren erreichen. In Teilen gleicht die Diskussion der Geschichte anderer Emanzipationsbewegungen: Aristoteles etwa sprach den Frauen Vernunft und Moral ab und stellte sie auf eine Stufe mit den Tieren – eine Ansicht, die bis ins 19. Jahrhundert dominierte. Erst die Frauenbewegung bewirkte ein Umdenken.
Tiere aber haben nicht die Möglichkeit, selbst für ihre Rechte einzustehen. Aktivismus ist zwar nicht Zenkers zentrale Motivation, dennoch hat ihre wissenschaftliche Arbeit eine politische Dimension: «Ich möchte zu einem geschärften Blick und geschärften Begriffen beitragen. Vor allem in der Diskussion darüber, wie wir unseren privaten und öffentlichen Umgang mit Tieren reflektieren können.» Dafür muss zunächst die Wahrnehmung daraufhin überprüft werden, welche Bilder wir von den Tieren haben und wie diese Bilder generiert werden.
Die Wahrnehmung des Menschen, die zu den Bildern in unseren Köpfen führt, entsteht auch über reale Bilder. «Mich interessieren deshalb Tierdarstellungen in Fotografien und Filmen», sagt Zenker. Dabei komme jedoch nicht jedes Foto und jeder Film infrage; im Moment erforscht sie dokumentarische und inszenierte Aufnahmen. «Bambi und Nemo sind also nicht dabei», scherzt sie. Und: «Obwohl es für meine Arbeit nicht direkt relevant ist, fasziniert mich natürlich auch die Präsenz von Tierbildern in den sozialen Medien. Es ist schon sehr spannend, wie solche Bilder unsere Wahrnehmung prägen.»
Also doch vielleicht auch eine Erforschung der schnuckeligen Katzen-Gifs, die unsere Facebook-Timelines füllen? «Dass dieser Blick Tieren nicht gerecht wird, ist einem ja nicht immer im ersten Augenblick bewusst. Die Kategorien, in die Menschen Tiere einteilen, sind mitunter problematisch», erläutert Zenker. Wir würden einige Tiere als Gefährten ansehen, die anderen aber zu Objekten machen oder sie ganz übersehen – häufig aus irrationalen Gründen und ohne unsere aktive Rolle dabei mitzudenken. «Auch Bilder tragen zu solchen Kategorisierungen bei, sie haben aber auch das Potenzial, diese infrage zu stellen.»
Und sie fügt an: «Es ist mir klar, dass ich ein riesiges Feld erforschen will. Hinter jeder Tür befinden sich weitere, die ich aufmachen könnte. Stattdessen werde ich wohl einige schliessen müssen.» Weil es nicht nur unzählige Tierarten gibt, sondern auch Unmengen von Fotos und Filmen, die verwertet werden wollen. Im Moment stehe sie am Anfang, im theoretischen Teil, in dem es etwa um die Frage geht, was es überhaupt bedeuten soll, ein Tier als Individuum und nicht etwa als Objekt oder nur Symbol zu sehen, sagt Zenker.
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