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Angst. (01/2022)

Bleibt die hohe Inflation?

Text: Sarah Lein

Nach vielen ruhigen Jahren hat sich die Entwertung des Geldes seit letztem Jahr wieder beschleunigt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Was diese Entwicklung bremsen kann.

Inflation wird immer wieder mit hohen Preisen verwechselt, bezeichnet aber die Wachstumsrate des Preisniveaus. Steigt etwa ein Preis in einem Jahr von 10 auf 15 Franken und bleibt dann so, liegt die Inflation im ersten Jahr bei 50 Prozent und dann bei 0 Prozent. Auch wenn der Preis permanent höher ist, ist die Inflation nur temporär. Hohe Inflation bedeutet also, dass Preise kontinuierlich stark ansteigen.

Drei Faktoren bestimmen die Inflation

Erstens gibt es sogenannte Angebotsschocks, die Preise ansteigen lassen, weil es zu einer Verknappung von bestimmten Gütern kommt. Dies führt zu höheren Inflationsraten und erhöht die Lebenshaltungskosten. Beispiele dafür haben wir jüngst gesehen: Der Anstieg des Erdölpreises im Jahr 2021 erhöhte die Produktions- und Transportkosten und damit die Preise für Güter – eine Entwicklung, die der Krieg in der Ukraine noch verschärfte. Auch Engpässe und Unterbrüche in den Lieferketten haben zu Preisanstiegen geführt.

Zweitens gibt es eine konjunkturelle Komponente: In einem Boom steigt die Nachfrage schneller als das Angebot und führt damit zu schneller wachsenden Preisen. Umgekehrt sieht das Bild übrigens für Rezessionen aus. Hier nimmt die Nachfrage schneller ab, als das Angebot gesenkt werden kann. Das Überangebot führt zu stagnierenden oder sogar fallenden Preisen.

Drittens gibt es die Inflationserwartungen der Wirtschaftsteilnehmenden. Diese sind relevant, weil Preise und Löhne typischerweise nicht von Tag zu Tag neu gesetzt werden, sondern für längere Zeitperioden. Dabei zählen auch die Erwartungen für diese Zeitspanne. So überlegen Firmen beispielsweise, wie sich ihre Produktionskosten und die Preise ihrer Konkurrenten entwickeln, wenn sie ihre Preise bestimmen. In Lohnverhandlungen gehen ebenfalls Erwartungen darüber ein, wie stark sich die Kaufkraft durch Inflation abschwächen wird. Die Erwartungen über die künftige Inflation beeinflussen somit die heute festgesetzten Preise und Löhne, die somit die heutige Inflation bestimmen.

Was ist die Rolle der Zentralbank?

Die Zentralbank soll Preisstabilität gewährleisten. Bei Preisanstiegen aufgrund von Angebotsschocks, die durch Pandemie oder Krieg entstanden sind, kann die Zentralbank wenig tun, um diese Schocks direkt abzumildern. Hebel ansetzen kann sie nur bei der konjunkturellen Komponente und den Inflationserwartungen. Bei Ersterer, indem sie die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen drosselt (und damit die Wirtschaft insgesamt), indem sie beispielsweise die Zinsen anhebt. Der Zusammenhang ist allerdings ein relativ komplexer und indirekter. Mit dem Anstieg der Zinsen werden Kredite teurer und damit Investitionen weniger attraktiv. Bei höheren Zinsen wird auch mehr gespart und damit weniger konsumiert. Auch wertet die inländische Währung auf, was dämpfend auf die Nachfrage nach Exportgütern wirkt. Dieser abschwächende Effekt in der Nachfrage sollte die Inflation sinken lassen, wenn die Zinsen genügend stark angehoben werden.

Dieser Prozess ist aber schwierig zu steuern: Nicht immer reagiert die Nachfrage gleich stark und es dauert oft lange, bis sich die Wirkung der Zinsanstiege in der Nachfrage und letztendlich in der Inflation widerspiegelt. Jüngste Studien zeigen auch, dass die Nachfrage relativ stark gedrückt werden müsste, um die Inflation nach unten zu bringen.

Etwas direkter lässt sich die Inflation in einer offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz mit dem Wechselkurs beeinflussen. Etwa ein Viertel der in der Schweiz konsumierten Güter und Dienstleistungen sind importiert. Somit sind die Importpreise ein substanzieller Anteil aller Preise. Lässt die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber den ausländischen Währungen zu, dann führt diese relativ schnell und direkt zum Rückgang der Preise für Importgüter und dämpft damit die Inflation in der Schweiz.

Der wahrscheinlich wichtigste Einfluss, den die Zentralbank auf die Inflation hat, ist der auf die Inflationserwartungen. Da es ihr Auftrag ist, die Inflation tief zu halten (bei einem von ihr definierten Zielwert, in der Schweiz liegt dieser zwischen 0 und 2 Prozent), ist es zentral, dass sie Firmen und Haushalte überzeugen kann, dass sie ihre Aufgabe auch erfüllt. Nehmen wir an, alle sind überzeugt, dass die Zentralbank die Inflation zum Zielwert zurückführt, wenn sie einmal zu hoch wird. Dann werden zwar Unternehmen die Preise für ihre Produkte zum Beispiel aufgrund der höheren Energiekosten anheben. Sie werden aber darauf verzichten, auch noch zukünftige weitere Preisanstiege vorwegzunehmen, weil sie für die Zukunft wieder mit einer tiefen Inflation rechnen. Wenn alle Firmen entsprechend verfahren, kommt es zwar zu temporär erhöhten Inflationsraten aufgrund der Preisanstiege für Energie, aber nicht zu permanenter Inflation. Diese würde auch bei unverändert hohen, aber nicht weiter steigenden Energiepreisen wieder zurück zum Zielwert kommen.

Als negatives Gegenbeispiel nehmen wir an, die Firmen trauen der Zentralbank nicht zu, dass sie ihre Aufgabe erfüllt, sondern erwarten, dass eine höhere Inflation dieses Jahr auch eine höhere Inflation nächstes Jahr bedeutet. Diese Erwartung werden sie in den Preisen bereits vorwegnehmen und die höhere Inflationserwartung erfüllt sich praktisch von selbst.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass die Zentralbank glaubwürdig und konsequent ihre Ziele verfolgt und auch klar kommuniziert, dass sie handeln wird, und das auch tut, wenn es erforderlich ist. Mit dieser Glaubwürdigkeit wird ein Anker für die Inflationserwartungen beim Zielwert geschaffen. Eine erfolgreiche Geldpolitik manifestiert sich somit vor allem auch in stabilen und tiefen Inflationserwartungen. Letztere sind bis anhin in der Eurozone und der Schweiz nicht deutlich angestiegen, was ein gutes Zeichen ist. In den USA allerdings hat man jüngst, nach längerer Zeit mit erhöhter Inflation, leichte Anstiege beobachtet, die konsequentes Handeln der Notenbank dort erforderlich machen.

Kommt jetzt die Inflation zurück?

Die Gefahr für permanente Inflation lauert nicht nur im Anstieg von Energiepreisen und Verknappung von Gütern aufgrund von Lieferengpässen, sondern vor allem in instabilen Inflationserwartungen, die durch längere Zeit mit höherer Inflation ihre Verankerung verlieren können. Dann würde eine eigentlich temporär höhere Inflation aufgrund von mehreren Angebotsschocks als persistent wahrgenommen, würde in Lohn- und Preissetzung eingehen und somit permanenter werden. Ob es so kommt oder nicht, hängt davon ab, wie glaubwürdig die Zentralbanken das Ziel der Preisstabilität verfolgen und dass sie auch aktiv werden, wenn sie Gefahren für dieses Ziel sehen. Damit kann die sich selbst erfüllende Prophezeiung einer fortschreitenden Inflation verhindert werden.

Dieser Text wurde Anfang März 2022 verfasst.

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