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Alles Lüge! (01/2024)

Gibt es «Migränewetter»?

Text: Athina Papadopoulou und Marcus D'Souza

Kopfschmerz-Geplagte kennen es. In der Fachliteratur findet man jedoch Widersprüchliches zur Frage, ob Wetter und Migräne zusammenhängen. Ein Überblick.

Illustration einer Wettervorhersage zum Thema Migräne
(Illustration: Maria Grejc)

In der Neurologie ist Migräne ein typisches Beispiel für Wetterfühligkeit, da viele Patientinnen und Patienten (gemäss Studien etwa die Hälfte) Wetterwechsel als Trigger ihrer Attacken benennen. Es gibt jedoch nur wenige Studien, die diesen Zusammenhang systematisch zu belegen versuchen. Und wenn, dann mit mässigem Erfolg.

Eine Untersuchung im nördlichen Norwegen berichtet etwa von einer Zunahme der Migräneattacken im Sommer, eine andere Arbeit aus den USA bringt einen warmen Fallwind der Rocky Mountains, ähnlich dem Föhn der Alpen, mit häufigerem Auftreten von Migräne in Verbindung. Eine weitere Studie aus Österreich zeigt einen Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und bestimmten Wetterbedingungen, wie etwa häufige Wechsel zwischen Sonnenschein und Wolken oder gar Niederschlag. Letztere Zusammenhänge waren jedoch schwach und statistisch nicht signifikant.

Anders bei einer aktuelleren italienischen Studie mit deutlich mehr Teilnehmenden (rund 1800) und viel längerer Beobachtungszeit (zwei Jahre): Hier zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen bestimmten Wetterbedingungen und der Anzahl von notfallmässigen Arztkonsultationen wegen Migräne. Nicht die absolute Temperatur, sondern ein plötzlicher Temperaturanstieg sowie höhere Luftfeuchtigkeit und niedrigerer Luftdruck in den zwei Tagen vor Beginn der Kopfschmerzen waren die entscheidenden Parameter. Die Mechanismen dahinter bleiben jedoch unklar.

Gemäss einer Theorie könnten Wetterveränderungen die Erregbarkeit der Neuronen in bestimmten Hirnregionen erhöhen, die bei der Entstehung von Migräneattacken eine kritische Rolle spielen. Manche Forschende vermuten, dass das Gehirn von Migränebetroffenen prinzipiell empfindlicher auf Reize und Veränderung reagiert und dass es deshalb auch Wetterveränderungen intensiver wahrnimmt.

Da wir das tägliche Wetter kaum beeinflussen können, raten wir Migräne-Betroffenen nur dazu, an anderen Stellen für einen ausgeglichenen Alltag zu sorgen. Nachweislich kann man die Migränehäufigkeit reduzieren, wenn man beispielsweise ein gleichmässiges Stressniveau beibehält, Alkohol vermeidet, Ausdauersport treibt und auf einen regelmässigen Schlaf-Wach-Rhythmus achtet.

Porträtskizze von Athina Papadopoulou und Marcus D'Souza
Athina Papadopoulou (links) ist Forschungsgruppenleiterin am Departement Klinische Forschung und Oberärztin Neurologie am Universitätsspital Basel. Marcus D'Souza (rechts) leitet ebenfalls eine Forschungsgruppe am Departement Klinische Forschung, ist Oberarzt in der Neurologie am Universitätsspital sowie CEO der Firma Neurostatus AG.. (Illustration: Studio Nippoldt)

Quellen erschienen in Cephalgia (2011), doi: 10.1177/0333102410385580, und als Abstract (EPO 579 im PDF) am Kongress der European Academy of Neurology (2023).


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