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Schöne Erholung – Neues aus der Schlafforschung (01/2016)

Selbstbewusste Jugendliche schlafen besser

Text: Christoph Dieffenbacher

Rund ein Fünftel der Jugendlichen sagt, dass sie schlecht schlafen. Ein Psychologe der Universität Basel erforscht seit Jahren die Gründe dafür und sucht nach Lösungen. Er hält auch ein paar Tipps für Eltern bereit.

Als Vater von vier Töchtern und zwei Söhnen muss er es wohl wissen: «Jugendliche brauchen nachts ziemlich genau neun Stunden Schlaf», sagt PD Dr. Serge Brand von den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel und dem Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel. Die ideale Schlafdauer, wie sie sich in mehreren Studien herauskristallisiert hat, wird heute aus mehreren Gründen verkürzt. So etwa durch ganz triviale veränderte Lebensumstände: Schulaufgaben, Sporttrainings, Gruppenarbeiten und Veranstaltungen wie Kino, Theater und Konzerte finden in diesem Alter vermehrt in den Abend­ und frühen Nachtstunden statt. Die Folge davon ist, dass Jugendliche viel später ins Bett gehen als früher, als sie noch Kinder waren.

Seit 40 Jahren gleich

Brand, der auch als Psychotherapeut tätig ist, hat mit Kollegen eine Reihe von Untersuchungen zum Thema durchgeführt. Ein eher überraschendes Fazit: Bei Jugendlichen ist die Beeinträchtigung der Nachtruhe – wie Einschlaf- und Durchschlafstörungen, frühes Erwachen, Tagesmüdigkeit – in den letzten 40 Jahren nicht stärker geworden: «Immer sind davon etwa ein Fünftel betroffen.» Also seien die Tablets, Smartphones oder Screens, die viele Jugendliche heute vor dem Einschlafen nutzen, nicht unbedingt am schlechten Schlaf schuld. Es sei eher umgekehrt, sagt Brand: Gerade diejenigen Jugendlichen, die ohnehin schon Schlafschwierigkeiten haben, beschäftigen sich vor dem Einschlafen mehr mit elektronischen Medien – in der (oft trügerischen) Absicht, sich zu beruhigen und den Schlaf zu finden.

Welche Faktoren begünstigen denn einen erholsamen Schlaf in der Adoleszenz? Dr. Nadeem Kalak, ein Forscherkollege von Brand, fand heraus, dass Jugendliche, die viel Sport treiben, erholsamer schlafen, was auch messbar ist. Das erstaunt kaum. Doch die Studie widerlegte auch die verbreitete Meinung, dass spätabendliche Aktivitäten ungünstig seien: Sogar intensiver Sport anderthalb Stunden vor dem Einschlafen verbessert den Schlaf objektiv, ergab Kalaks Studie. Somit sollten Jugendliche dazu animiert werden, auch abends viel und regelmässig Sport zu treiben.

Resistenter gegen Stress

Auch psychosoziale Faktoren tragen zu einem guten Schlaf bei: Wer sich von Gleichaltrigen, Geschwistern, Eltern und Lehrpersonen akzeptiert fühlt, schläft besser. Somit sollten Jugendliche Möglichkeiten erhalten, ihre sozialen Fähigkeiten zu üben und sich nach stabilen sozialen Netzen zu orientieren, sagt der Psychologe. Nicht nur das: Mental starke Teenager seien resistenter gegen Stress und geben ebenfalls an, erholsamer zu schlafen. Jugendlichen sollte es also ermöglicht werden, ein stabiles Selbstwertgefühl aufzubauen und eigene Visionen und Ziele zu formulieren, die sich auch realisieren lassen.

Auch berichten Jugendliche, die ihr Zimmer geräuscharm, abgedunkelt und nach ihren Vorstellungen einrichten dürfen, von besserem und erholsamerem Schlaf. Über ein eigenes Zimmer zu verfügen, gehört in der Schweiz für Jugendliche aus dem Mittelstand zum Standard – doch befinden sich vor allem Teenager aus tieferen sozioökonomischen Schichten noch immer in ungünstigen Bedingungen, wie die Forscher feststellen.

Denn schliesslich sei der Schlaf auch eine Familienangelegenheit, so Brand. Diejenigen Jugendlichen schlafen besser, deren Eltern ebenfalls keine Probleme mit dem Schlaf haben. Mütter und  Väter, welche die Nachtruhe ihres Nachwuchses «sorgsam, aber bestimmt» beobachten und wenn nötig eingreifen, könnten ihre Kinder sogar vor depressiven Störungen schützen. Die Kontrolle der Eltern nehme zwar mit zunehmendem Alter der Jugendlichen ab, aber: «Wenn sie ganz ausbleibt, kann das den Schlaf und das psychische Wohlbefinden der Jugendlichen dramatisch beeinträchtigen.»


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