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Leben in Stadt und Land (01/2018)

Wo sich die Life Sciences konzentrieren

Text: Christoph Dieffenbacher

Die Region Basel ist einer der weltweit führenden Standorte in den Life Sciences – diese bilden hier einen Cluster von Firmen und Organisationen, die miteinander im Wettbewerb stehen, aber auch kooperieren. Dies zeigt eine neue Forschungsarbeit im Fach Geographie.

Der Blick geht über Basel und weit darüber hinaus. Auf seiner geographischen Exkursion zur über 500-jährigen Geschichte der regionalen Life Sciences spricht Doktorand Thomas Vogel auf dem Bürohochhaus «Bau 1» von Roche von der starken Apothekerzunft des Spätmittelalters – aber auch von den humanistischen Anatomen und Buchdruckern, die medizinisches und pharmazeutisches Wissen von der Stadt aus verbreiteten. Als Glaubensflüchtlinge, innovative Persönlichkeiten und später Industrielle aus Frankreich in die Region kamen, setzte sich die Entwicklung fort: über die Farbstoffe für die Seidenbandindustrie, die Chemie bis zur Pharmazie und den Life Sciences.

Die Zuwanderer brachten Knowhow, Kapital und ihre Geschäftsbeziehungen mit, die sich mit dem Unternehmergeist und dem Kapital in Basel verbanden. Mit den Jahren sind Hunderte grössere und kleinere Unternehmen hinzugekommen: Firmen für Forschung und Entwicklung, spezialisierte Zulieferer, Produktion, Vertrieb und Beratung. Und das in Sparten wie Textilchemie, Pharmazie, Medizinaltechnik, Biotechnologie und Agrochemie. Vorteilhaft war die Lage am Rhein – für die Produktion, den Transport und die Ableitung der Abwässer.

Fehlendes Patentrecht

In Frankreich existierte bereits seit 1844 ein Patentrecht für chemische Produkte, das nicht das chemische Herstellungsverfahren oder den Erfinder, sondern das Produkt selbst und die Produktionsfirma schützte. Deshalb wanderten viele Erfinder nach Basel aus, wo bis zum Chemie-Patentgesetz von 1907 im Ausland patentierte Produkte hergestellt werden konnten. Die hier entstandenen Firmen operierten zunächst meist als historisch gewachsene Mischkonzerne. Später haben sie zum Teil fusioniert, Betriebe ausgegliedert und Geschäftsfelder konzentriert. Mit Novartis und Roche sind heute die weltweit umsatzmässig zweit- und drittstärksten Pharmaunternehmen in Basel ansässig.

Definiert wird ein Cluster als eine örtliche Zusammenballung von ähnlichen Unternehmen. Diese Situation kann zu Innovationen und Wettbewerbsvorteilen führen und eine Region stärken. Denn trotz der Möglichkeit, sich weltweit niederzulassen, wählen hochspezialisierte Unternehmen häufig nur bestimmte Regionen als Standorte aus. «In der geographischen Forschung ist die Standortwahl daher ein wichtiger Bereich: Er führt meist zu neuen Erkenntnissen für die Standortpromotion und die Regionalentwicklung», erläutert Geographieprofessorin Rita Schneider-Sliwa.

Was bringt ein Cluster?

Ihr Doktorand Vogel untersucht im Speziellen, welche Vorteile der Standort im Life-Sciences-Cluster Basel für Unternehmen bietet, welche Branchen- und Unternehmensstrukturen und welche Verflechtungen sich hier manifestieren. Dazu führte er eine Befragung bei 766 Life-Sciences-Firmen in der Region durch; die Rücklaufquote betrug dabei 20,2%.

Als Wirtschaftsstandort wird die Agglomeration von den Unternehmen allgemein als positiv bewertet: Von sechs Einflussgrössen nannten sie am häufigsten die wirtschaftsnahe Infrastruktur, den Wohn- und Freizeitwert und die Verkehrsinfrastruktur als positiv. Weniger positiv eingestuft wurde hingegen zum Beispiel die Verfügbarkeit von einheimischen, hochqualifizierten Arbeitskräften, weshalb die Firmen international Fachkräfte rekrutieren.

Erstmals erfasst Vogel den Life-Sciences-Cluster im sogenannten Geographischen Informationssystem (GIS) räumlich und auch nach Branchen- und Unternehmensstruktur umfassend. Geographisch konzentrieren sich die Firmen am stärksten in Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Wichtigste Branche ist die Pharmaindustrie, dahinter folgen Medizinaltechnik und Biotechnologie. Dass die Region ein forschungsintensiver Standort ist, zeigen die Auswertungen klar – aber auch, dass die Produktion noch eine wichtige Rolle spielt. Als besonderes Merkmal des Basler Life-Sciences-Clusters sieht der Geograph die hohe Unternehmenskonzentration im Vergleich zur Grösse der Stadt.

Netzwerkanalyse: Die Universität Basel (mit Biozentrum, Universitätsspital, UKBB, Swiss TPH, FMI) ist der zentrale Akteur im Forschungsnetzwerk des Life-Sciences-Clusters; nicht einbezogen sind Roche und Novartis. Die Grösse der Knoten nimmt mit der Anzahl der Kooperationen zu.
Netzwerkanalyse: Die Universität Basel (mit Biozentrum, Universitätsspital, UKBB, Swiss TPH, FMI) ist der zentrale Akteur im Forschungsnetzwerk des Life-Sciences-Clusters; nicht einbezogen sind Roche und Novartis. Die Grösse der Knoten nimmt mit der Anzahl der Kooperationen zu.

Kooperationen im Netzwerk

Positiv wahrgenommene Vorteile, die sich für die Unternehmen durch ihren Standort im Cluster Basel zeigen, sind neben dem Angebot an internationalen Fachkräften etwa auch die Kooperationsmöglichkeiten und informellen Kontakte. Mit einer Netzwerkanalyse geht Vogel der Frage nach, ob und wie Firmen, Institutionen und Organisationen innerhalb des Clusters untereinander Geschäfts- und Forschungsbeziehungen unterhalten. Dabei fällt auf, dass die Universität Basel und ihre partnerschaftlichen und assoziierten Einrichtungen (Biozentrum, Universitätsspital, Universitäts-Kinderspital beider Basel, Swiss TPH, FMI) eine zentrale Position im Life-Sciences-Forschungsnetzwerk einnehmen (ohne Einbeziehung von Roche und Novartis); auf sie entfallen 48% aller Kooperationen.

Anhand von Twitter-Accounts der Cluster-Firmen, sofern vorhanden, beobachtete Vogel, wer von wem als Follower bezeichnet wird. Auch hier lasse sich wie erwartet eine deutliche Clusterbildung herauslesen: «Die grossen Unternehmen haben innerhalb des Clusters die meisten Follower. Sie nehmen somit bei der Kommunikation eine zentrale Stellung ein und besitzen eine grössere Reichweite», sagt der Forscher.

Arbeitskräfte und Ausbildungsstrukturen

Fazit: Die Untersuchung zeigt eine starke Clusterbildung, die ihren Ursprung in einer langen historischen Tradition hat und heute auf dem insgesamt positiv bewerteten Wirtschaftsstandort Region Basel gründet. Bei diesem spielen auch zahlreiche weiche Standortfaktoren eine Rolle. Weniger positiv bewertet wurden hingegen Faktoren, die teilweise im Ermessensspielraum einer auf Wissensökonomie orientierten Politik liegen – so zum Beispiel das in der Umfrage beklagte Angebot an einheimischen Fachkräften.

«Forschungsergebnisse wie diese unterstützen die Bemühungen, Ausbildungsstrukturen laufend auf Passgenauigkeit mit dem Arbeitsmarkt hin zu überprüfen und weiterzuentwickeln», erläutert Vogel seine Arbeit. Dies gelte auch für Pläne, neue Zentren zu schaffen – etwa den Life-Sciences-Campus der Universität Basel –, die die Forschung hier noch attraktiver machen.


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