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Wie wir entscheiden. (01/2020)

Bäume der Beziehungen.

Text: Reto Caluori

Unten steht das Ahnenpaar, davon ausgehend wächst der Stamm empor, verästelt sich allmählich in den nachkommenden Generationen und vermittelt so das Bild einer blühenden Familiengeschichte: Der Stammbaum ist ein bereits im 18. und 19. Jahrhundert bei bürgerlichen Familien beliebtes genealogisches Diagramm, das bis heute seine Anziehungskraft nicht verloren hat.

Stammbaum der Familie Burckhardt mit den Stammeltern Christoph Burckhardt (1490–1578) und seiner zweiten Ehefrau Gertrud Brand (1516–1600). (Foto: Christian Flierl)
Stammbaum der Familie Burckhardt mit den Stammeltern Christoph Burckhardt (1490–1578) und seiner zweiten Ehefrau Gertrud Brand (1516–1600). (Foto: Christian Flierl)

Stammbäume erwecken den Anschein, eine Familie lasse sich als klar strukturiertes Beziehungsgeflecht darstellen – sei dies in Form naturalistischer, baumähnlicher oder eher abstrakter Diagramme. Allerdings zeigt jeder Stammbaum nur eine von vielen möglichen Familienkonstellationen, wobei er das Verwandtsein nicht einfach abbildet, sondern aktiv herstellt.

Illustriertes Portrait von Fiona Vicent. (Illustration: Studio Nippoldt)
Fiona Vicent. (Illustration: Studio Nippoldt)

Für die Betrachtenden unsichtbar bleiben nicht nur die aufwendige genealogische Vorarbeit und die grossen Datenmengen, die zusammengetragen werden müssen, bevor sich ein detailliertes Diagramm zeichnen lässt. Unsichtbar bleiben auch die Entscheidungen darüber, wer von den möglichen Familienmitgliedern schliesslich im Stammbaum gezeigt wird.

Anhand der Quellen im Staatsarchiv Basel-Stadt lassen sich solche Aspekte der Stammbaumpraxis jedoch nachvollziehen. Die Historikerin Fiona Vicent untersucht, wie hiesige Bürgerfamilien im 18. und 19. Jahrhundert genealogische Daten gesammelt und angeordnet haben, welche Theorien und Techniken dieser Tätigkeit zugrunde liegen und wie die Stammbäume genutzt wurden.

Fiona Vicent ist Doktorandin am Departement Geschichte und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sinergia-Projekts In the Shadow of the Tree: The Diagrammatics of Relatedness as Scientific, Scholarly, and Popular Practice. Finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds, untersucht es die Vielfalt an Diagrammen, die seit dem Mittelalter verwendet wurden, um Verwandtschaft und Abstammung zu konzeptualisieren.

Weitere Artikel in der aktuellen Ausgabe von UNI NOVA.

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