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Wie wir entscheiden. (01/2020)

Botschafter deutscher Wissenschaft.

Thomas Maissen studierte Geschichte, Latein und Philosophie an der Universität Basel. Heute leitet er das Deutsche Historische Institut in Paris.

Porträt von Thomas Maissen
Prof. Dr. Thomas Maissen. (Foto: Martin Steffen/Deutsches Historisches Institut Paris)

Weshalb bin ich nach dem Studium nicht wie die meisten damaligen Freunde im schönen Basel geblieben, wo ich mich im Sommer den Bach hinuntertreiben lassen könnte? Meine Frau und ich taten hingegen, was man nie tun sollte: Wegen ihrer Stelle zogen wir ausgerechnet in das schöne Zürich, wo ich meine Habilitation und viele historische Artikel für die NZZ schrieb. Wer Basel an Zürich verrät, dem ist alles zuzutrauen: 2004 folgten wir dem Ruf ins schöne Heidelberg. Als unsere vier Kinder den Plan vernahmen, verbrannten sie im Garten eine Deutschlandfahne. Auch 2013 waren sie nicht begeistert, als wir in das schöne Paris aufbrachen. Jetzt studieren sie alle: in Deutschland.

Dieses Deutschland vertrete ich nun am Deutschen Historischen Institut Paris (DHIP) mit seinen knapp 40 Mitarbeitenden. Wie die Schwesterinstitute in London (1976), Washington (1987), Warschau (1993) und Moskau (2005), geht seine Gründung im Jahr 1958 auf die Versöhnungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Über historische Forschung in und mit diesen Staaten sollte eine neue Basis der Verständigung entstehen. Das geschah zuerst über mittelalterliche Themen und nicht über die brisante Zeitgeschichte. Dass das Jubiläum des Versailler Friedens von 1919 mit einer grossen internationalen Tagung am DHIP und in Versailles begangen wurde, zeigt jedoch, wie stark die Forschungen und die Forschenden sich methodisch und auch in ihren Ergebnissen über die letzten Jahrzehnte angenähert haben. Derartige Kooperationen sind eine Selbstverständlichkeit geworden und haben sich auch in der vom DHIP herausgegebenen «Deutsch-Französischen Geschichte» niedergeschlagen, die demnächst abgeschlossen wird und in elf Bänden von der Kaiserkrönung Karls des Grossen bis in die Gegenwart führt.

Vor dem Hintergrund, dass der Auftrag der historiografischen Annäherung weitgehend erfüllt wurde, steht in meiner Amtszeit neu die Internationalisierung der deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften im Vordergrund, wie sie die Bundesregierung betreibt. Konkret bedeutet dies, dass die Institute der Max-Weber-Stiftung ihre bisherige bilaterale Mission pflegen, aber auch in neuen Regionen aktiv werden. Wir haben mit deutschen, französischen und senegalesischen Partnern ein gemeinsames Forschungsprojekt in Dakar etabliert. Bis 2021 forscht dort ein Dutzend Doktoranden und Postdocs über die Bürokratisierung der afrikanischen Gesellschaften. Dann verschiebt sich unser Fokus nach Ghana, wo wir mit den Universitäten Legon (Accra), Freiburg/Br., Frankfurt/M. und weiteren Partnern ein «Merian Institute for Advanced Studies in Africa» einrichten, das sich bis 2030 dem Thema Nachhaltigkeit widmen wird. Wer Basel verlässt, kann auch im schönen Afrika viel Spannendes entdecken.

Thomas Maissen leitet seit 2013 das Deutsche Historische Institut in Paris. An der Universität Basel studierte er Geschichte, Latein und Philosophie und wurde hier 1993 promoviert. Seit 2004 ist er Professor an der Universität Heidelberg.

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