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Erinnern und Vergessen. (01/2021)

Vom Menschsein in Afrika.

Text: Divine Fuh

Divine Fuh studierte von 2005 bis 2009 in Basel am Fachbereich Ethnologie und am Zentrum für Afrikastudien. Heute ist er ist Direktor des Institute for Humanities in Africa an der Universität Kapstadt.

Porträt von Dr. Divine Fuh
Dr. Divine Fuh. (Foto: zvg)

Ich bin Sozialanthropologe und derzeit Direktor am HUMA, dem «Institute for Humanities in Africa» an der Universität Kapstadt in Südafrika. Diese Position habe ich seit Januar 2020 inne, als ich von einer dreijährigen Tätigkeit beim Council for the Development of Social Science Research in Africa (Codesria) zurückkehrte, einer der führenden sozialwissenschaftlichen Forschungsorganisationen Afrikas.

HUMA wurde 2010 gegründet, um die Geisteswissenschaften als zentralen Knotenpunkt für kritisches Denken über die rasante Dynamik der südafrikanischen Gesellschaft zu positionieren. Als Direktor habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, ein globales Institut an dieser Weltklasseuniversität in Afrika aufzubauen, mit feministischen Ansätzen als Teil des Organisationsprinzips. Wir sind besonders daran interessiert, ethische Fragen zu erforschen, die die Frage des Menschseins in Afrika und des Afrikanischseins in der Welt umrahmen und die auch unsere Ethik gegenüber anderen Menschen untermauern. Wir sind ein wirklich vielfältiges Institut mit einem Team aus dem gesamten afrikanischen Kontinent und der ganzen Welt.

Einige unserer aktuellen Projekte sind etwa das Future Hospital Projekt oder das Projekt «Wissensaktivismus» zur Stärkung des afrikanischen wissenschaftlichen Publizierens. Erstere Initiative ‹Future Hospital and AI› (Spital der Zukunft und KI) ist faszinierend, da sie sich mit der Ethik künstlicher Intelligenz beschäftigt und sich die Zukunft der Pflege und der Spitäler vorstellt. Unsere Wissensaktivismus-Initiative befasst sich mit den Herausforderungen, mit denen das Wissensökosystem Afrikas konfrontiert ist, mit dem Ziel, die Verlagsinfrastruktur zu stärken. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt «Feminist Alternatives for (post-) COVID-19 Engagements» (FACE) in Afrika. Es befasst sich mit den Angriff en auf Frauen und feministische Ausdrucksräume als Folge von Abriegelungen.

Mit Kapstadt darf ich eine der schönsten, komplexesten, anspruchsvollsten und kosmopolitischsten Städte der Welt erleben. Südafrika ist jedoch auch ein Ort der Widersprüche, Revolutionen und Bestrebungen. Ich bin in einem dieser Widersprüche aufgewachsen, in Kamerun. Ich wurde im Kernland einer radikalen Dekolonisierungsbewegung in Batcham geboren, demselben Ort, an dem sich in den 1970er-Jahren ein brutales Massaker an Revolutionären und der Gemeinde, die sie beherbergte, ereignete. Ich durchlebte die Proteste der 1980er-Jahre, die Härten der Wirtschaftskrise und der Strukturanpassung und Umwälzungen der 1990er-Jahre, die durch die Forderungen nach einer Mehrparteiendemokratie ausgelöst wurden.

Heute versinkt dieser Ort meiner Kindheitsträume und -erinnerungen in Konflikten, die durch eine Kombination von Faktoren hervorgerufen werden. In ihrem Kern stehen unter anderem die soziale Verwahrlosung, die Vernachlässigung durch den Staat und die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Regierung, den Gesellschaftsvertrag zu erfüllen. Dass sich meine Arbeit insbesondere auch auf die Politik des Leidens und des Lächelns konzentriert, ist kein Zufall.

Divine Fuh ist Direktor des HUMA, Institute for Humanities in Africa an der Universität Kapstadt. An der Universität Basel studierte er von 2005 bis 2009 am Fachbereich Ethnologie und am Zentrum für Afrikastudien.

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