Start ins Ungewisse.
Interview: Marion Maurer
Die Festanstellung aufgeben, um ein eigenes Unternehmen zu gründen? Warum Anina Lutz diesen Schritt gewagt hat, verrät sie im Gespräch.
AlumniBasel: Frau Lutz, Sie sind seit Ihrem Wirtschaftsstudium an der Universität Basel im Versicherungsbereich tätig, vor Kurzem haben Sie sich mit der Versicherungsfirma Calingo Insurance AG selbständig gemacht. Für viele sind Versicherungen ein leidiges Thema.
Anina Lutz: (Lacht.) Ich bin zufällig im Versicherungsbereich gelandet. Während meines Studiums habe ich ein Praktikum bei einer Versicherung angefangen und bin dann geblieben, insgesamt gut acht Jahre. Dass ich so lange dort bleibe, hätte ich nicht gedacht, und noch weniger, dass ich einmal ein Start-up im Versicherungsbereich gründe. Aber es haben sich immer wieder Türen geöffnet.
Was war Ihr eigentliches Berufsziel?
Ein eigentliches Ziel hatte ich nie. Und ich glaube auch, dass sich der Weg im Berufsleben oft aufgrund von Gelegenheiten ergibt.
Aber Wirtschaft als Studienfach war ausser Frage?
Ich muss zugeben, dass ich mein Studium nach dem Ausschlussverfahren gewählt habe. Mit Wirtschaft ist man sehr breit aufgestellt und kann sich viele Berufsmöglichkeiten offenhalten. Der gestalterische Bereich hatte mich zwar auch immer sehr interessiert. Vielleicht wäre ich gerne Architektin geworden, habe mich aber nicht getraut.
Ist die Gründung eines Start-ups eine Möglichkeit, Ihre kreative Ader auszuleben?
Das hat was! Als Start-up-Gründerin mache ich von A bis Z alles selbst – was auch das Tolle daran ist! Dabei ist man oft kreativ tätig und hat mehr Freiheiten als in einem grossen Betrieb, wo alles vorgegeben ist. Unser Logo und die Webseite haben wir zum Beispiel zu einem grossen Teil selbst gestaltet. Aber auch in der Strategie muss man kreativ sein, um ein Unternehmen von Grund auf aufzubauen.
Was ist das Besondere an Calingo?
Zum einen suchen wir bewusst nach Nischen, zum Beispiel bieten wir eine Haustierversicherung an. Ausserdem sind wir ausschliesslich digital unterwegs. Versicherung soll so einfach wie möglich sein, das ist unser Ansatz. Und wir haben wirklich versucht, unsere Produkte fair zu gestalten. Viele Menschen haben ein schlechtes Bild von der Versicherungsbranche. Das ist schade, denn eigentlich sind Versicherungen etwas Schönes: Sie geben Sicherheit und man braucht keine Angst vor dem Ruin zu haben.
Apropos Ruin: Hatten Sie Angst, mit Ihrem Start-up zu scheitern?
Und wie! Ich hatte sehr grossen Respekt, besonders in den ersten Monaten. Plötzlich hatte ich keinen Lohn mehr, dafür war da diese Ungewissheit, wie es laufen wird. Dazu kommt die Angst um die Aussenwirkung. Man wird oft ein bisschen belächelt, wenn man ein Start-up gründen will. Aber ich glaube, man lernt dabei zwangsläufig sehr schnell mit Ängsten und Stress umzugehen. Man steht jeden Tag vor mindestens einem Problem, da muss man resistent sein, viel Durchhaltevermögen und einen gewissen Optimismus mitbringen.
Mut und Durchhaltewillen haben sich ausbezahlt, Calingo wächst stark. Was kommt als Nächstes, ein weiteres Start-up?
Wer weiss. Dann aber etwas völlig anderes, etwas, was man essen kann, was richtig toll ist und alle wollen – nicht so wie Versicherungen (lacht). Nein, momentan konzentriere ich mich auf Calingo und ich glaube, das ist auch richtig so. Gerade ein Start-up verlangt vollen Fokus, Familie und Freundeskreis müssen da schon mal zurückstecken können. Es ist tatsächlich so, dass man gerade beim Aufbau fast keine Freizeit hat. Ein Start-up ist ein Herzensprojekt, also arbeitet man auch am Abend, am Wochenende – eigentlich immer. Es gibt so viel zu tun und man weiss, man hat nur diese eine Chance und wenig Zeit. Ich glaube, mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein, ist ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor. Mein Ziel ist es, Calingo gross zu machen und dann erst einmal ohne Laptop in die Ferien zu fahren!
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