Wie ein EUCOR-Seminar über Nachhaltigkeit in einer Stadt-Fluss-Tour mündete
Was versteckt sich hinter dem Akronym SDGs? Davon hatten die Studierenden eines interdisziplinären Blockseminars schon eine Idee. Doch wie nur könnten diese schwer greifbaren Sustainable Development Goals mit ihren 169 Unterzielen als «Aufhänger» einer thematischen Stadttour fungieren? Was würde dazu ein theatralischer Ansatz beitragen? Ein (R[h]ein-)Fallbeispiel.
Wie werden die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN-Agenda 2030 im urbanen Kontext umgesetzt – oder eben nicht? Und wie lässt sich dies am besten veranschaulichen? Diesen Fragestellungen widmete sich das Blockseminar «Sustainable Eucor Cities? Exploring Your City Through the Lens of the Sustainable Development Goals. Mapping – Analysis – Action», bei dem Studierende aus Freiburg im Breisgau, Strassburg und Basel teilnahmen.
Unter der Leitung von Fabia Willi und Dr. Marc Frick wurden diverse Stadttour-Modelle in den Städten des Dreiländereckes entwickelt. Dem studentischen Einfallsreichtum waren dabei keine Grenzen gesetzt: sei es digital, hybrid, interaktiv, klassisch, mit dem Velo, Tram oder zu Fuss, mit oder ohne Regenschirm. Auch thematisch glich keine Tour der anderen.
Die in diesem Rahmen entstandene «Rhyflecting on the SDGs»-Tour setzt sich zum Ziel, Basel durch die SDG-Brille zu betrachten – und dies mit Fokus auf die Lebensader der Stadt, den Rhein («Rhy»). Die Tour beinhaltet neben der Wissensvermittlung auch theatralische Elemente: Zwei Tourguides und ein UN-Experte führen durch die Rheinmetropole, während eine unangemeldete Teilnehmerin die Rolle der «kritische Stimme» einnimmt. Die Studierenden, die das Konzept entwickelten, sind der Auffassung, dass durch diese multiperspektivistische Konstellation die verschiedenen Facetten der SDGs und ihre (Nicht-)Implementation besser ausgeleuchtet und reflektiert werden können.
Wie sieht eine theatralisch-thematische Stadttour aus?
Wir gehen auf «Tauchgang» und begleiten die Tour — welche nicht wie zu erwarten am Fluss, sondern mitten in der Innenstadt im Hof des Baslers Münsters startet. Dieser Umstand stösst bei der kritischen Teilnehmerin gleich auf Unmut: «I really wonder why we’re up here, far away from the river … If I wanted to visit the Münster I could have joined a Basel church tour instead!». Doch den Tourguides gelingt es, die Situation zu beruhigen und einen wichtigen, wenn auch zuerst versteckten Bezug dieses Ortes zum Rhein herzustellen: Die Skulptur von Bettin Eichins verweist auf die Katastrophe von Schweizerhalle, bei der 1986 Pestizide in den Rhein gelangten und einen Grossteil der Rheinfische tötete.
Der von den Guides dazugeholte «UN-Experte» kann das Erzählte anschliessend auch ganz technokratisch einbetten und freut sich ganz überschwänglich, auf wie viele SDGs er Bezug nehmen kann: Von Nr. 9 (Industry, innovation, and infrastructure) bis Nr. 17 (Partnerships for the goals) kann er schon zu Beginn der Tour auf ganz sechs SDGs verweisen. Im weiteren Tour-Verlauf, wenn es dann wirklich an den Rhein geht, scheint der «UN-Bürokrat» auch weiterhin SDGs zu jagen, als ob es Pokémon wären.
Und während die Tourguides diverse Basler Orte und Sehenswürdigkeiten, von der Kaserne bis zum Lällekönig, hinsichtlich der SDGs unter die Lupe nehmen, meldet sich die «nicht angemeldete Person» immer wieder mit kritischen Einwürfen zu Wort. Selbst das «guiding theme» — die SDGs und deren Vorgänger, die MDGs (die UN-Nachhaltigkeitsziele der Periode 2000-2015) – bleibt nicht unkommentiert: «Doesn´t it seem like ‹same thing, different package?›». Anderswo hinterfragt die kritische Stimme die Schweizer Rolle weltweit («It’s great that Basel has that many drinking water fountains – but at the same time let’s consider the worldwide impact of Swiss-based companies: What about the water privatization in countries already facing water scarcity?») oder nimmt Bezug auf die vorgestellten Basler Nachhaltigkeitsinitiativen: «Aren’t they just a drop on a hot stone?».
Unterhaltsam mit und ohne Taucherbrille
Manchmal schaffen es die Guides, auf die Einwürfe mit Hintergrundwissen einigermassen schlagfertig zu reagieren, andere Male springt der UN-Repräsentant ein. Ab und zu greift die Troika verlegen auf ein Ausweichmanöver zurück, sei es der Blick auf die Uhr oder ein Quiz an die Tourteilnehmenden, bei dem es nachhaltig produzierte Äpfel zu gewinnen gibt.
Was bleibt, ist nicht unbedingt ein fader Beigeschmack (die Äpfel schmecken hervorragend), sondern ein paar Gedanken, die auch noch nach der Tour herumschwirren und alle zum «Rhyflecting» animieren, ob mit oder ohne SDG-(Taucher)-Brille.