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Fairness und Flexibilität: Die Universität vor der Prüfungsphase

Prof. Dr. Thomas Grob, Vizerektor Lehre. (Foto: 2019; Universität Basel, Milena Gasser)
«Ich bin beeindruckt, wie flexibel die Uni auf diese riesige Herausforderung reagiert hat.» Prof. Dr. Thomas Grob, Vizerektor Lehre. (Foto: 2019; Universität Basel, Milena Gasser)

Im März hat die Universität Basel den Lehrbetrieb auf online umgestellt. Mit der Prüfungsphase steht nun der nächste grosse Schritt bevor. Wie sich die Universität darauf vorbereitet, erläutert Vizerektor Prof. Dr. Thomas Grob im Interview.

21. April 2020

Prof. Dr. Thomas Grob, Vizerektor Lehre. (Foto: 2019; Universität Basel, Milena Gasser)
«Ich bin beeindruckt, wie flexibel die Uni auf diese riesige Herausforderung reagiert hat.» Prof. Dr. Thomas Grob, Vizerektor Lehre. (Foto: 2019; Universität Basel, Milena Gasser)

Herr Grob, seit fünf Wochen findet kein Präsenzunterricht mehr statt – wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Wir waren plötzlich mit einer Situation konfrontiert, bei der wir innert wenigen Tagen die gesamte Lehre auf Fernunterricht umstellen mussten. Ich bin sehr beeindruckt, wie schnell, flexibel und pragmatisch die Uni auf diese riesige Herausforderung reagiert hat, und wie erstaunlich gut es funktioniert. Die Services haben gut zusammengearbeitet und viel Unterstützung geleistet, die Fakultäten haben sich koordiniert und voneinander gelernt. Für mich kommt hier eine Zusammengehörigkeit unserer Uni als Ganzes zum Ausdruck, die Bereiche verbindet, welche sonst nur wenig miteinander zu tun haben. In der Lehre arbeiten wir momentan mit Einschränkungen und zusätzlichen Belastungen, aber wir können auch wertvolle Erfahrungen sammeln, was digitale Unterrichtsformen betrifft. Zum Teil sind die Lösungen natürlich provisorisch, nicht alles entspricht unbedingt schon der Art von digitaler Lehre, wie wir sie uns idealerweise vorstellen.

Die praktische Ausbildung von Studierenden in Labors und Kliniken lässt sich aber nicht ohne Weiteres ersetzen.

Tatsächlich sind zum Beispiel in den Naturwissenschaften ein paar Dutzend Studierende damit konfrontiert, dass ihre Masterarbeiten auf Experimenten beruhen, die sie zurzeit nicht durchführen können. Hier werden wir die Fristen verlängern und den Zugang zu den Labors wieder lockern, sobald es möglich ist. Ähnliche Situationen haben wir in der Medizin und der Zahnmedizin, wo die Studierenden ihre praktischen Fähigkeiten nur unter realen Bedingungen üben und erlernen können. Da braucht es individuelle Lösungen, und die Fakultäten investieren viel Energie, um Auswege zu finden.

Finden die Prüfungen in allen Fakultäten wie vorgesehen statt?

Das Rektorat hat als vordringliches Ziel festgelegt, dass jede Lehrveranstaltung, die dieses Semester durchgeführt wird, wenn immer möglich auch abgeschlossen werden kann. Die Fakultäten haben viel Spielraum. Aber es gibt ein Grundproblem: Wir haben keine klare Prognose, wann und in welchem Rahmen die Einschränkungen genau gelockert werden oder ob sie sich vielleicht im Herbst noch einmal verstärken. Das ist für die Organisation eine grosse Herausforderung, da eine Verschiebung allein keine Lösung ist. Deshalb braucht es verschiedene Prüfungsformen und angemessene Alternativen, die die einzelnen Fakultäten nun erarbeiten. Wo immer das möglich ist, bleiben die Fakultäten bei den vorgesehenen Terminen.

Das Rektorat hatte angekündigt, dass die Universität in diesem Semester bei den Prüfungen kulant sein wird. Was heisst das konkret?

Nicht bestandene Prüfungen sollen grundsätzlich wiederholbar sein. Dazu gehört auch, dass Leistungsüberprüfungen grundsätzlich einmal mehr wiederholt werden können, als dies die Studienordnungen vorsehen. Zudem können die Dozierenden bestimmte Prüfungen nicht mit Noten, sondern mit pass/fail bewerten, sofern sie nicht diplomrelevant sind.

Die Philosophisch-Historische Fakultät hat sich frühzeitig entschieden, sämtliche Prüfungen digital durchzuführen. Verfügen alle Studierende über die nötige technische Infrastruktur?

Bisher haben sich nur wenige Studierende gemeldet, die dem online-Unterricht nicht folgen können. Uns ist aber bewusst, dass nicht alle zuhause einen stabilen Internetzugang haben, und wir suchen Formen, die dem Rechnung tragen – etwa Prüfungsaufgaben per E-Mail –, oder sonst Lösungen, wie Studierende in begründeten Fällen ihre Prüfung an der Universität ablegen können, in entsprechend eingerichteten Räumen. Knifflig ist überhaupt das Problem mit allfälligen Netzwerkunterbrüchen, die wir nicht ausschliessen können. Aber auch hier verbessern wir laufend die technischen Voraussetzungen, und wir passen – auch etwa in der Juristischen Fakultät mit ihren langen Prüfungen – die Prüfungsformen an. Gleichzeitig beraten wir intensiv die Dozierenden zu den Varianten, Prüfungen und Leistungsnachweise online durchzuführen. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, in Zusammenarbeit von IT, Didaktik, Bildungstechnologien, New Media Center, Rechtsdienst, Student Services und anderen so schnell ein breites Beratungsangebot aufzubauen.

Der Zugang zu den Bibliotheken war stark eingeschränkt. Wie stellen Sie sicher, dass den Studierenden dadurch keine Nachteile entstehen?

Dozierende müssen natürlich bei der Aufgabenstellung berücksichtigen, dass die Studierenden nicht auf die gleiche Weise auf nicht online verfügbare Quellen und Literatur zugreifen konnten, wie das sonst der Fall ist. Gleichzeitig betreibt die UB einen enormen Aufwand, um die benötigte Literatur mit Scans und per Postversand den Studierenden zugänglich zu machen – auch wenn mir klar ist, dass das nicht in allen Fällen die Einschränkungen vollständig kompensieren kann. Bei den Masterarbeiten kann man das Problem über Fristen entschärfen: Hier haben wir die Möglichkeit geschaffen, notfalls die Abgabetermine zu verschieben.

Teilweise wurden Studierende zum Militär- oder Zivildienst einberufen. Wie möchten Sie diese besondere Situation berücksichtigen?

Wir haben zusammen mit den Studiendekanen solche speziellen Fälle diskutiert, und die Fakultäten zeigen sich sehr ideenreich, wie sie einerseits das Niveau halten und andererseits schnelle, faire und flexible Lösungen schaffen können. Die Medizinische Fakultät prüft zum Beispiel, ob es teilweise als Studienleistung anerkannt werden kann, wenn jemand im Spital praktische Erfahrungen sammeln konnte. Hier müssen auch bestimmte Prüfungen verschoben werden, damit sich diese Studierenden gleich gut vorbereiten können und so die Chancengleichheit gewahrt bleibt.

Viele Prüfungen werden als Open Book-Prüfungen stattfinden. Wie wird sich das auf die Leistungsüberprüfung auswirken?

Aus meiner Sicht wird nun eine Entwicklung verstärkt, die wir in unserer Diskussion über die Zukunft der Lehre bereits angedacht hatten. Open Book-Prüfungen kommen der Situation sehr nahe, die man auch im richtigen Leben vorfindet, wenn man eine Aufgabe zu lösen hat – da stehen einem auch Computer und andere Ressourcen zur Verfügung. Insofern entsprechen Open Book-Prüfungen unserer Absicht, den Studierenden möglichst realistische Aufgaben zu stellen. Mir ist bewusst, dass nicht alle Leistungsnachweise so funktionieren, aber die reinen Wissensprüfungen lassen sich online besser organisieren als komplexere Aufgaben, die nun eher «open book» stattfinden.

Werden diese digitalen Lösungen auch langfristig Eingang in die Lehre finden?

Ich denke, dass die Dozierenden dank dieser Erfahrungen in Zukunft über ein breiteres Repertoire an Möglichkeiten verfügen werden; vieles, was bisher eher fremd war, wird selbstverständlicher. Die Universität Basel wird eine Präsenzuniversität bleiben, wie wir das auch in unserer Digitalisierungsstrategie festgehalten haben, und ich schätze den Wert der persönlichen Kommunikation auch unverändert hoch ein. Doch mehr Möglichkeiten bedeuten mehr Flexibilität. Die Technik für die Zusammenarbeit auf Distanz gibt es ja schon lange, ihre Anwendung ist durch diese Erfahrung nun realistischer und normaler geworden; wir verbessern die Technik und können alle lernen, damit umzugehen. Dadurch werden wir in der Wahl unserer Möglichkeiten freier, und wir können sie da einsetzen, wo sie hilfreich sind.

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