Akzeptanz statt Verfolgung von Andersgläubigen
Der savoyardische Humanist Sebastian Castellio gilt als Mitbegründer des europäischen Toleranzgedankens. 1554 erschien eine von ihm zusammengestellte Anthologie mit eigenen und fremden Texten gegen die Ketzerverfolgung. Drucke und Manuskripte aus den reichen Beständen der Universitätsbibliothek Basel präsentieren Castellios Leben, sein Umfeld und Werk in einer Ausstellung.
01. November 2022
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Basel als wichtige Stadt des Buchdrucks, Wirkungsstätte von Erasmus und durch seine religionspolitische Vermittlerrolle ein Ort, an dem religiöse Dissidenten und Vertreter der radikalen Reformation Zuflucht fanden. Sie führten untereinander und mit Basler Bürgern eine vielstimmige und vielsprachige Diskussion. Als im calvinistischen Genf 1553 der spanische Arzt Michael Servet wegen abweichender religiöser Überzeugungen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, wurde Basel zum Zentrum der Proteste.
Sebastian Castellio verband mit seinen mutigen Schriften mystische Frömmigkeit mit aufklärerischer Argumentation und verlieh damit diesem Milieu eine Stimme. Sie wurde in den folgenden Jahrhunderten weithin in Europa vernommen, überall dort, wo Menschen für Religionsfreiheit, Menschenrechte und Toleranz kämpften. Seine Anthologie 1554 anonym veröffentlichte Anthologie «De Haereticis» (Von Ketzern) enthielt die aufsehenerregende Botschaft, Ketzer sollten nicht mehr verfolgt und verbrannt werden. Damit vertrat der in Basel ansässige Griechischprofessor eine Haltung der Akzeptanz gegenüber Andersgläubigen, und das in einer Zeit dogmatischen Wahrheitsanspruchs sowohl der katholischen Kirche als auch der Calvinisten. Castellios Schrift unterlag denn auch vielerorts der Zensur. Sie machte ihn berühmt und zu einem der Väter des Toleranzgedankens der folgenden Jahrhunderte.
Die ihm gewidmete Ausstellung «Laboratorien der Toleranz. Castellio und sein Erbe» führt anhand der in der Universitätsbibliothek Basel vorhandenen Dokumente die historischen Umbrüche und Konflikte vor. Sie zeigt die Netzwerke und Medien, die Diskurse und Gedankenwelt, die Castellios Wirken zu einem Wendepunkt in der Geschichte des Toleranzdenkens in Europa gemacht haben.
Castellios Haltung als Vorbild in späterer Zeit
Ein Beispiel für die Aktualisierbarkeit seiner Haltung und seines Schicksals ist der Roman über ihn, den der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig 1936 im Exil verfasst hat. In diesem Roman verschlüsselt Zweig seine Erfahrung mit den Repressalien Nazideutschlands und stattet das calvinistische Genf mit den Zügen des zeitgenössischen Totalitarismus aus. Zweigs Darstellung Castellios als eines mutigen und verfolgten Kämpfers gegen Tyrannei und für Toleranz und Gewaltlosigkeit hat dessen Rezeption bis heute geprägt.
Die Ausstellung wird von der Internationalen Castellio Gesellschaft Basel ausgerichtet, die Basler Philosophieprofessorin Brigitte Hilmer hat sie kuratiert. Die 2017 gegründete Internationale Castellio Gesellschaft hat den Zweck, Leben und Werk von Sebastian Castellio und insbesondere seinen Toleranzgedanken bekannt zu machen. Die Tätigkeit der Gesellschaft bezieht sich auf die historische Erschliessung, die Wirkungsgeschichte und die Gegenwartsbedeutung von Castellios Werk.
Ausstellung «Laboratorien der Toleranz. Castellio und sein Erbe»
10. November 2022 bis 2. März 2023
Vernissage: 10. November, 18 Uhr, UB Hauptbibliothek, Vortragssaal, 1. Stock
Schönbeinstrasse 18–20, Basel
Montag bis Freitag 8 bis 20 Uhr; Samstag 10 bis 17 Uhr (Eintritt frei)
Weitere Auskünfte
- Prof. Dr. Brigitte Hilmer, Kuratorin der Ausstellung. Tel. +41 61 261 92 89, E-Mail: brigitte.hilmer@unibas.ch
- Nathalie Baumann, Verantwortliche Öffentlichkeitsarbeit UB, Tel. +41 61 207 62 89, E-Mail: nathalie.baumann@unibas.ch