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«Die Bevölkerung muss darauf vertrauen können, dass wir mit persönlichen Daten verantwortungsvoll umgehen»

Prof. Dr. Torsten Schwede, Vizerektor Forschung der Universität Basel. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)
Prof. Dr. Torsten Schwede, Vizerektor Forschung der Universität Basel. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)

Heute findet der Schweizer Digitaltag statt – dabei ist auch die Digitalisierung von Patientendaten ein wichtiges Thema. Der Bioinformatiker und Vizerektor Forschung der Universität Basel, Prof. Dr. Torsten Schwede, ist Vorsitzender des Scientific Expert Board des Swiss Personalized Health Network (SPHN). Er erklärt, welchen Nutzen die Digitalisierung von Patientendaten hat und wo dabei die grössten Herausforderungen liegen.

03. September 2019

Prof. Dr. Torsten Schwede, Vizerektor Forschung der Universität Basel. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)
Prof. Dr. Torsten Schwede, Vizerektor Forschung der Universität Basel. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)

Was sind die grössten Herausforderungen bei der Nutzung dieser Daten?

Die Probleme sind vielschichtig. Da gibt es zunächst technische Herausforderungen – wir müssen die verschiedenen Systeme interoperabel machen, so dass Daten sicher ausgetauscht werden können. Hier hat die Schweiz keine gute Ausgangslage, jeder der 26 Kantone hat sein eigenes Gesundheitssystem, und selbst innerhalb eines Spitals kommen manchmal unterschiedlichste IT-Systeme zum Einsatz. Die 2007 beschlossene Strategie zur Einführung des elektronischen Patientendossiers kommt nicht recht voran und das System ist nicht für die Forschung nutzbar. Die grösste Herausforderung sehe ich im Moment jedoch darin, die Daten inhaltlich vergleichbar zu machen – wir sprechen von «semantischer Interoperabilität». Ich kann zum Beispiel nicht davon ausgehen, dass ein Blutzuckerwert vom Universitätsspital Basel automatisch dasselbe bedeutet wie ein Blutzuckerwert aus Bern. Dafür muss ich wissen, zu welchem Zweck und mit welcher Methode der Wert bestimmt wurde. Neben den eigentlichen Daten muss man sich daher auch über den Datenkontext austauschen können. Die fünf Universitätsspitäler der Schweiz sind gerade daran, hierfür gemeinsame Standards festzulegen. Das «Data Coordination Center» am SIB Swiss Institute of Bioinformatics hier in Basel hat die Aufgabe, die vielschichtigen Fragestellungen der Interoperabilität von Gesundheitsdaten anzugehen und schweizweite Standards zu erarbeiten.

Für die meisten Menschen ist die Datensicherheit bei der Digitalisierung von Patientendaten ein wichtiges Anliegen. Was wird dafür getan?

Die Bevölkerung muss darauf vertrauen können, dass wir mit den Daten verantwortungsvoll umgehen. Dafür braucht es Prozesse, die gewährleisten, dass Daten sorgfältig de-identifiziert (oder anonymisiert), sicher gespeichert und verarbeitet, und nur für solche Zwecke eingesetzt werden, denen der Patient zugestimmt hat. Hier gibt es in der Schweiz mit dem Humanforschungsgesetz einen klaren rechtlichen Rahmen. Natürlich kann ich als Patient für die Entscheidung, ob ich meine Daten für eine bestimmte Studie zur Verfügung stellen möchte, oft nicht alle Details inhaltlich beurteilen. Daher gibt es kantonale Ethikkommissionen, die jedes Forschungsgesuch daraufhin untersuchen, ob die gültigen nationalen und internationalen Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen eingehalten werden und das Forschungsvorhaben ethisch einwandfrei ist.  So kann ich als Einzelner meine Entscheidung, ob meine Daten verwendet werden dürfen, auf ein kompetentes Gremium abstützen.

Wir haben bisher von der Nutzung von digitalen Daten für die Forschung gesprochen. Aber können Patientinnen und Patienten auch direkt davon profitieren?

In grossen Datenmengen kann man Zusammenhänge erkennen, die ansonsten nicht sichtbar wären. Wenn diese Zusammenhänge eindeutig und erklärbar sind, kann der Weg zwischen Datenerfassung und möglichen Anwendungen in der Klinik recht kurz sein. Ein solches Beispiel wäre eine Unverträglichkeit von Medikamenten, die einen genetischen Hintergrund hat. Hier kann man sehr schnell sagen, dieses Medikament darf man bestimmten Patienten nicht verschreiben, weil es bei ihnen nicht wirkt oder starke Nebenwirkungen hervorruft. In den meisten Fällen führen Korrelationen in Gesundheitsdaten jedoch zunächst einmal zu wissenschaftlichen Hypothesen, die dann in der Grundlagenforschung untersucht werden müssen bevor daraus eventuell ein Ergebnis mit medizinischer Relevanz wird.

Um welche Art von Daten geht es im Swiss Personalized Health Network?

International ist der Fokus sehr stark auf genetische Daten ausgerichtet – das liegt vor allem an der Krebsforschung, wo aus den genetischen Eigenschaften eines Tumors eine Therapieempfehlung oder eine Forschungshypothese abgeleitet werden kann. Die Schweizer Initiative ist dagegen etwas breiter aufgestellt – wir fördern neben der personalisierten Onkologie ein vielseitiges Portfolio an Projekten. Das Universitätsspital Basel leitet zum beispielsweise die Personalized Swiss Sepsis Studie, die mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz vorhersagen möchte, welche Patienten auf einer Intensivstation mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutvergiftung bekommen. Das ist enorm wichtig, weil die Überlebensrate bei Blutvergiftung stark davon abhängt, wie früh man eingreift. In solche Algorithmen gehen neben Informationen über den Krankheitserreger und mögliche Antibiotikaresistenzen auch sehr umfangreiche Daten aus der Intensivmedizin wie Verlauf von Pulsschlag, Blutdruck, Temperatur, Atemfrequenz usw. mit ein.

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