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Tuberkulose-Erreger suchen sich ihre ökologische Nische

Tuberkulose-Erreger können sich spezifisch in ihre ökologische Nische einpassen: Generalisten verbreiten sich weltweit, Spezialisten finden sich nur in bestimmten Weltregionen. Dies könnte die Entwicklung künftiger Impfstoffe weiter erschweren. Zu diesem Schluss kommen Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts und der Universität Basel aufgrund einer genetischen Analyse von Tuberkulose-Erregern aus über hundert Ländern.

31. Oktober 2016

Tuberkulose (TB) ist ein gefürchteter Begleiter des Menschen seit seiner Frühgeschichte. Weltweit existieren unterschiedliche TB-Bakterien-Stämme mit unterschiedlicher regionaler Ausbreitung. Nur die so genannte Linie 4 ist weltweit auf allen Kontinenten vorhanden. Sie ist für die Mehrzahl der 10 Millionen Neuansteckungen und 2 Millionen Toten jährlich verantwortlich.

Unter Leitung von Prof. Sébastien Gagneux am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut Swiss TPH hat ein Team von 75 Wissenschaftlern an 56 Institutionen das Erbgut von TB-Erregern aus mehreren tausend Patientinnen und Patienten analysiert. Dabei zeigte sich überraschenderweise, dass sich Linie 4 genetisch nochmals in mehrere Unterlinien einteilen lässt. Bestimmte dieser Linien sind weltweit vorhanden, andere kommen nur regional vor. Gemäss der Studie in der Zeitschrift «Nature Genetics» lassen sich Tuberkulose-Bakterien damit unterteilen in Generalisten mit weltweiter Verbreitung und Spezialisten, die eine lokal begrenzte ökologische Nische gefunden haben. Ökologen unterscheiden insbesondere bei Pflanzen zwischen Generalisten und Spezialisten. Für pathogene Keime, die ausschliesslich von Mensch zu Mensch übertragen werden, ist diese Unterteilung neu.

Generalisten sind immunologisch vielfältiger als Spezialisten

TB-Keime haben eine einzigartige Eigenschaft: Sie variieren ihre Antigene kaum und werden dadurch vom menschlichen Immunsystem effizient erkannt. In der Folge kommt es zu einer heftigen Immunreaktion. Dabei werden insbesondere die Lungen befallen, was über Husten die weitere Verbreitung der TB-Keime begünstigt. Dank dieser Strategie können sich TB-Keime effizient von Mensch zu Mensch übertragen. Das Team von Sébastien Gagneux zeigt in seiner neuesten Arbeit, dass Generalisten-Stämme noch eine zusätzliche Strategie verfolgen. Sie weisen im Vergleich zu den Spezialisten eine leicht erhöhte Diversität ihrer Antigene auf. Generalisten sind damit in der Lage, sehr viel spezifischer auf das Immunsystem in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu reagieren. «Generalisten haben ihre molekulare Strategie angepasst», sagt Sébastien Gagneux. «Damit können sie sich sehr viel globaler durchsetzen und ausbreiten.»

Globale Verteilung des Tuberkulose-Stamms 4. (Bild: Swiss TPH)
Globale Verteilung des Tuberkulose-Stamms 4. (Bild: Swiss TPH)

Konsequenzen für Impfstoffentwicklung

Diese neue Erkenntnis hat Konsequenzen für die Entwicklung eines universell anwendbaren Tuberkulose-Impfstoffs. Denn je ausgeklügelter TB-Bakterien ihre Antigene anpassen können, desto schwieriger ist die Entwicklung einer Impfung, die in allen Bevölkerungsgruppen gleich wirksam ist. Eine längst benötigte TB-Impfung könnte sich damit weiter verzögern.

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