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Zum 75. Geburtstag von Peter Handke: «Seine Texte sind immer auch eine Zumutung»

Hand und Fuss und Gehen und Schreiben: Das sind korrespondierende Formen von Körpererfahrung und Körperbetätigung, die bei Handke als Lebensform und Haltung zusammengehören. (Bild: Renate von Mangoldt)
Hand und Fuss und Gehen und Schreiben: Das sind korrespondierende Formen von Körpererfahrung und Körperbetätigung, die bei Handke als Lebensform und Haltung zusammengehören. (Bild: Renate von Mangoldt)

Seit Mitte der 1960er-Jahre hat Peter Handke die deutschsprachige Literatur geprägt wie kaum ein anderer Autor und sich mit seinen Texten immer wieder neu erfunden. Heute Mittwoch feiert der Österreicher seinen 75. Geburtstag. Der Basler Literaturwissenschaftler Alexander Honold gratuliert ihm – mit einem Buch.

06. Dezember 2017 | Elisabeth Baureithel

Hand und Fuss und Gehen und Schreiben: Das sind korrespondierende Formen von Körpererfahrung und Körperbetätigung, die bei Handke als Lebensform und Haltung zusammengehören. (Bild: Renate von Mangoldt)
Hand und Fuss und Gehen und Schreiben: Das sind korrespondierende Formen von Körpererfahrung und Körperbetätigung, die bei Handke als Lebensform und Haltung zusammengehören. (Bild: Renate von Mangoldt)

Die literarische Entwicklung Handkes von den Anfängen bis jetzt nachzuzeichnen und auch den einzelnen Motiven und ihrem Zusammenspiel systematisch nachzugehen – das sei der Anspruch seiner neuen Werkmonografie. Acht bis zehn Jahre Arbeit stecken in der umfangreichen Studie von Alexander Honold, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel.

Honold gehört nicht zur Fangemeinde der ersten Stunde, sondern war am Anfang eher skeptisch gegenüber diesem Autor eingestellt. Handkes «Hornissen» sei eines der wenigen Bücher, wenn nicht das einzige, das er nicht zu Ende gelesen habe: «Weil ich dachte, das ist einfach unlesbar und so ein Schmarren, da findest du keinen Zugang dazu.»

Dann aber geriet das Phänomen Handke immer wieder in den Blick des Basler Germanisten: durch die Jugoslawien-Geschichten des Autors und seine streitbare Rolle in der Öffentlichkeit etwa. Wenn man Handke lese, müsse man sich auf eine gewisse Langsamkeit einlassen, sagt Honold im Gespräch: «Seine Texte sind immer auch eine Zumutung.»

Texte als «Zumutung»

Was aber ist typisch Handke? Es gebe bei ihm eine sprachliche Liebe zur Schlichtheit und gleichzeitig Eleganz, so Honold. Aber sein Stil lasse sich nicht einfach auf ein Modell herunterbrechen. Der Autor verfolge in seinen Texten durchgängig ein vehementes Interesse an Räumen, Orten, Schauplätzen und Landschaften. Handke sei ein «Landschaftsästhet», der die Landschaft als eine Ermöglichung von Zusammenleben betrachtet: «Aber wir wissen, dass die friedliche Ökumene des Zusammenlebens nicht immer funktioniert.»

In seiner neuen Werkmonographie Der Erd-Erzähler zeichnet Honold Handkes Bücher als Landvermessungstexte nach, als Erderfahrungstexte, Formen des Reisens, des sich Bewegens, des menschlichen Verkehrs, des Austauschs.

«Das Besondere an Handke ist diese Vorstellung, dass man die Erde in ihrer Reliefstruktur sprachlich abformen kann, durch eigene Bewegungserfahrungen.» Daher sei Handke auch ein politisch interessanter Autor, weil er gegen die funktionalen Abstraktionstendenzen einer digital verwalteten Welt den Eigensinn des Fussgängers setze, der zum Beispiel zu Fuss quer über Autobahnen gehe. Das Quergehen als eine Art anarchischer Gestus.

Unberechenbarer Autor

Auf der persönlichen Ebene gibt es unendlich viele Anekdoten, Gerüchte und Schmäh über Handke: «Er gilt als schwierig, dann aber auch wiederum als kooperativ.» Trotz seiner intensiven Arbeit in den letzten Jahren habe er Handke noch nie persönlich getroffen, sagt Honold. Es sei die Unberechenbarkeit, die ihn am meisten an ihm interessiere.

Er bewundere sein Mut, sich auf ungewöhnliche, ungeschützte Weise zu zeigen, sich blosszustellen, und seine Fähigkeit, auch trotz heftiger Kritik an diesem Kurs fortzufahren: «Ich finde es beeindruckend, in dieser Haltung auch rücksichtslos gegenüber sich selbst zu sein und sich mit jedem neuen Buch auch nochmal ganz zu riskieren. Handke hat sich nie ausgeruht auf Preisen oder auf Werkpflege, sondern doch immer wieder alles aufs Spiel gesetzt.»

Ob er sich vorstellen kann, dass Handke das Buch liest? «Ich habe es ihm nicht geschickt, weil ich das als etwas aufdringlich empfinden würde. Aber ich weiss, dass er viel zur Kenntnis nimmt. Und natürlich freut einen die Vorstellung, dass der Autor das vielleicht doch irgendwann durchblättert und ab und zu gibt’s dann ein beifälliges Nicken, vielleicht auch mal ein Stirnrunzeln.» Dass zumindest die Möglichkeit dazu besteht, das sei ein schöner Gedanke, findet Alexander Honold.


Alexander Honold: Der Erd-Erzähler. Peter Handkes Prosa der Orte, Räume und Landschaften. J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2017, 566 Seiten, 59,99 € / 62,00 CHF.

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