Behindertenrecht: Die Schweiz könnte noch mehr tun
Mit dem Juristen Prof. Dr. Markus Schefer von der Universität Basel wird erstmals ein Schweizer im UNO-Behindertenrechtsausschuss vertreten sein. Seine Erfahrungen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen helfen mit, dass sich das Land international stärker engagieren kann. Doch auch in der Schweiz besteht Nachholbedarf.
28. August 2018
Der UNO-Behindertenrechtsausschuss ist ein Organ der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, der die Schweiz seit 2014 angehört. Dieses Gremium überprüft alle vier Jahre die Umsetzung der Konvention, der 176 Staaten und die EU angehören, und entwickelt sie weiter. So prüft sie die Berichte, in denen die Vertragsstaaten den Stand der Umsetzung ihrer Verpflichtungen regelmässig festhalten, und führt öffentliche Hearings durch. Die UNO-Konvention verbietet jede Form der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen.
Weiterentwicklung und Stärkung
Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, ist kürzlich in den 18-köpfigen Ausschuss ab 2019 gewählt worden. «Gewählt wurde ich, wie die übrigen Mitglieder, nicht als Vertreter meines Landes, sondern als unabhängiger Experte», sagt er im Gespräch. Schefer gilt als ausgewiesener Fachmann für Grund- und Menschenrechte wie auch für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Mit seinen wissenschaftlichen Kompetenzen, festgehalten in Publikationen, aber auch praktischen Erfahrungen – etwa durch Gutachten, Beratungen und Mitwirkung bei Gesetzesentwürfen – bringe Schefer wichtige Voraussetzungen für den UNO-Ausschuss, hiess es bei seiner Wahl. Damit könne er zu einer «kohärenten Weiterentwicklung und Stärkung der Behindertenrechte im Kontext der Menschenrechte» beitragen.
Bahn und Schule fortschrittlich
Die UNO-Behindertenrechtskonvention ist auch für die Schweiz verbindlich und muss hier konkretisiert werden. Wo steht das Land im internationalen Vergleich? «Während die Schweiz bei den Menschenrechten einen sehr guten Ruf hat, könnte sie in Sachen Behindertenrechte besser sein», sagt Schefer. Einiges wurde für die Behinderten getan, etwa im Bahnverkehr und in der Grundschule. Dagegen gebe es in vielen weiteren Bereichen Nachholbedarf, zum Beispiel im Arbeitsrecht, bei privaten Dienstleistungen oder – sehr konkret – in der Medizinerausbildung. Mängel seien etwa auch bei zahlreichen Webseiten festzustellen, die für Sehbehinderte kaum zugänglich sind.
Auf nationaler Ebene arbeitet Basel-Stadt als erster Kanton ein eigenes Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus, die übrigen Kantone stehen da noch am Anfang. Dagegen sieht Schefer die Zeit für eine neue nationale Behindertengesetzgebung noch nicht gekommen. Dies habe derzeit «politisch keine Chance», meint er. Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Sachen Behindertenrecht spielten in der Schweiz zwar eine starke Rolle, müssten sich aber noch enger vernetzen, um mehr Wirkung zu erzielen.
Tagung Behindertengleichstellungsrecht 2018
Die Tagung Behindertengleichstellungsrecht 2018 führt an der Universität Basel Forschung, Behörden und NGOs zusammen. Sie richtet sich nicht nur an Jursitinnen und Juristen, sondern vor allem auch an Vertreter von NGOs und Verwaltung. Organisiert wird sie von der Juristischen Fakultät der Universität Basel, dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und dem Dachverband Inclusion Handicap. «Unsere Rolle als Veranstalter besteht darin, den Input zu liefern, um den vielfältigen Rechtsentwicklungen den nötigen wissenschaftlichen Rahmen zu geben», sagt Schefer.
Tagung zum Behindertengleichstellungsrecht 2018. Dienstag, 4. September 2018, 9.30–17.00 Uhr. Kostenlos nach Anmeldung. Referate und Podien werden simultan in Deutsch, Französisch, Gebärdensprache und Schrift übersetzt. Universität Basel, Kollegienhaus, Aula, Petersplatz 1, Basel.