Blockchain im Einsatz für mehr Transparenz
Unternehmen stehen heute zunehmend in einer gesellschaftlichen Verantwortung. Zwei Studenten der Universität Basel haben im Rahmen einer Blockchain-Challenge ein Konzept entwickelt, das für mehr Transparenz in der Zulieferkette von Novartis sorgen soll.
25. Februar 2020
Drei Monate lang tüftelten Florian Gronde und Julius Lüttin an ihrem Projekt «Transparenz in der Supply Chain». Das Thema Blockchain war ihnen nicht fremd, denn sie studieren beide Business und Economics auf Masterstufe und beschäftigten sich bereits in der Vergangenheit mit dieser Technologie. Praktische Erfahrung damit hatten sie allerdings nicht. «Ein solches Format gab es bisher auch noch nie», sagt Gronde. «Wir hatten einfach Lust, das auszuprobieren.»
Lange Lieferketten
Die Rede ist von der Blockchain-Challenge des Center for Innovative Finance der Universität Basel. Acht Studierendengruppen bearbeiteten dabei konkrete Fälle aus den Bereichen Gebäudedigitalisierung, Logistik und der Finanzbranche. «Das Ziel dieser Veranstaltung ist es, die in den Vorlesungen erlernten Grundlagen in einer praxisorientierten Umgebung anwenden zu können», so Fabian Schär, Professor für innovative Finanztechnologien an der Universität Basel.
Lüttin und Gronde wurde eine Aufgabenstellung von Novartis zugeteilt, bei der es darum ging, Transparenz in der Zulieferkette des Pharmakonzerns zu schaffen. Diese Kette ist weitläufig, denn Novartis arbeitet mit zehntausenden Zulieferern zusammen. Bei direkten Zulieferern überprüft der Pharmakonzern, ob sie gewisse Standards – zum Beispiel bei Arbeitsbedingungen – einhalten. «Das heisst, Prüfer kontrollieren vor Ort die Abläufe der Lieferanten und stellen Zertifikate aus, die bestätigen, dass alles mit rechten Dingen zugeht», erklärt Gronde.
Konzernverantwortung als Hintergrund
Die Lieferkette besteht aber nicht nur aus direkten, sondern auch aus Zulieferern oder Dienstleistern weiterer Stufen. Die Bandbreite solcher Subunternehmen ist gross und reicht von Produzenten von Vorprodukten bis hin zu Reinigungsfirmen. Multinationale Firmen wie Novartis kennen diese Subunternehmen meistens nicht. «Das ist der Standard, denn ein Unternehmen hat normalerweise gar kein Recht, die Geschäftsbeziehungen seiner Zulieferer einzusehen», so Gronde.
Das heisst aber auch, dass ab den Zulieferern zweiter Stufe ein grosses Fragezeichen entsteht. Und dies ist für die Auftraggeber problematisch, denn auch sie stünden in einem schlechten Licht, wenn ihre Zulieferfirmen fragwürdige Arbeitsbedingungen festlegen oder auf andere Weise die vorgegebenen Richtlinien nicht erfüllen würden. Und spätestens bei einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative könnte ein solcher Fall auch rechtliche Konsequenzen haben.
Unternehmen sind also daran interessiert, dafür eine Lösung zu finden. Diese soll die Überprüfung von Lieferanten und Lieferketten ermöglichen und die Einhaltung der Richtlinien sicherstellen, ohne dass dazu die Identitäten der Subunternehmen offengelegt werden müssen.
Blockchain soll es richten
Wie kann nun eine Blockchain-Lösung sicherstellen, dass die gesamte Lieferkette durch Zertifikate gesichert wird und dies auch funktioniert, wenn Firmen in der Lieferkette unbekannt sind? Das war die Ausgangsfrage, die Lüttin und Gronde in ihrem Projekt «Transparenz in der Supply Chain» zu beantworten suchten.
«Zu verstehen, warum die Überprüfung nicht so einfach ist, wie man sich das vielleicht vorstellt, war ein langer Prozess», erklären die beiden Studenten. «Wir sind ja keine Entwickler und unsere Aufgabe basierte auf einem abstrakten gedanklichen Konstrukt. Deshalb war allein schon die Einarbeitung in die komplexe Technologie zeitaufwändig.»
Novartis hatte vor der Challenge bereits eigene Ideen zur Lösung des Problems entwickelt. Diese Ansätze dienten Lüttin und Gronde als Grundlage für die Ausarbeitung des Konzepts. Mit verschiedenen Demos untersuchten sie, wie ein Zertifikataustausch mit Unbekannten aussehen könnte. Daraus entwickelten sie ein eigenes sogenanntes «Mock-up». Das ist eine Beispiel-Applikation, die die technischen Abläufe veranschaulicht, ohne dass dafür die eigentliche Programmierung vorhanden sein muss. «Damit konnten wir ausprobieren und am Ende auch für Novartis illustrieren, wie die Lösung aussehen könnte», sagt Lüttin.
Folgenreicher Sieg
Bis dahin war der Weg allerdings lang und die vorgegebene Zeit von drei Monaten kurz. Trotzdem sei ihr Ergebnis weit über das hinausgegangen, was ursprünglich gefordert war. Um die komplexen Prozesse überhaupt verstehen zu können, hätten sie es mit der Ausarbeitung der Beispielanwendung «etwas übertrieben», geben die beiden lachend zu. Das muss einer der Faktoren gewesen sein, der ihnen zum erfolgreichen Abschluss der Challenge verhalf: Gronde und Lüttin gewannen im Dezember im Finale der Challenge den mit 10'000 Franken dotierten ersten Preis.
Doch nicht nur deswegen hat sich ihr Fleiss gelohnt. Sowohl Lüttin als auch Gronde erhielten im Nachgang zur Veranstaltung ein Jobangebot. Und damit immer noch nicht genug: Im Januar hatten die beiden die Möglichkeit, ihr Projekt im Rahmen des CV Summits auf dem geschlossenen Gelände des World Economic Forums in Davos vor rund 200 Blockchain-Experten aus aller Welt zu präsentieren. «Hätte man mir das vor einem Jahr gesagt, hätte ich es nicht für möglich gehalten», lacht Lüttin.
Ideen implementieren
Auf den Lorbeeren ausruhen können sie sich allerdings nicht, denn in diesem Frühlingssemester stehen die Masterarbeiten an. Auch dabei wird das Thema Blockchain bei beiden im Mittelpunkt stehen.
Bei Novartis wird nun das Konzept der Studenten geprüft und nach Möglichkeit wird es in die weitere Entwicklungsarbeit einfliessen. Mit der Implementierung könne man vielleicht noch dieses Jahr rechnen, hoffen Lüttin und Gronde. Es bleibt zu sehen, wohin sie die Lust, etwas Neues auszuprobieren, in Zukunft noch führen wird. Ihre Erfolgsgeschichte scheint jedenfalls noch nicht zu Ende geschrieben.