Offene Tür bei Integritätsverletzung
Ein halbes Jahr nach Stellenantritt zieht die Leiterin Persönliche Integrität, Dr. Andrea Bauer, eine erste Bilanz. Das Bedürfnis nach dem Angebot zeigt, dass es noch einiges zu tun gibt.
19. März 2020
Zurücklehnen? Für Andrea Flora Bauer kommt das nicht infrage. Die Koordinatorin Persönliche Integrität will ihre Arbeit stets hinterfragen, anpassen, verbessern. Vor gut einem halben Jahr wurde die Anlaufaufstelle für Studierende und Mitarbeitende geschaffen. Seither ist Andrea Bauer für Angehörige der Universität Basel da, die eine Integritätsverletzung erlebt haben.
«Betroffene in Abhängigkeitsverhältnissen fühlen sich meist ohnmächtig und sind erleichtert, wenn sie das Problem deponieren können», sagt Bauer. Diskriminierung, Mobbing, Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung. Die Bandbreite ist gross. «Ich bin da, um Betroffene ernst zu nehmen und Lösungswege aufzuzeigen.» Es handle sich um ein niederschwelliges Angebot, das werde geschätzt. Unter den bisherigen Meldungen befänden sich auch komplexe Fälle, bei denen es keine einfachen Lösungen gebe.
Umfassende Massnahmen sind auf dem Weg
35 Meldungen hat sie in den letzten sechs Monaten erhalten. Zwei Drittel von Frauen, ein Drittel von Männern. Oft wandten sich die Betroffenen an sie, bevor die Situation eskalierte. Über zwei Drittel der Fälle seien «nach individuellen Massnahmen zur Zufriedenheit der Betroffenen» abgeschlossen. Andrea Bauer ist guter Dinge, mit Unterstützung ihres Netzwerkes auch für die hängigen Fälle Lösungen zu finden. Wichtig sei nun, das externe Untersuchungsverfahren neu zu definieren und das zugrundeliegende Reglement zu revidieren. Dabei gehe es um eine Verbesserung der Prozesse und eine inhaltliche Ausweitung, so dass auch Themen wie etwa Diskriminierung oder Mobbing abgedeckt sind.
Die Koordinationsstelle für Persönliche Integrität wurde aufgrund eines öffentlich diskutierten Belästigungsfalles geschaffen. Es hat sich gezeigt, dass «die Universität hier grundsätzlich über die Bücher gehen muss und die Prozesse verbessert werden müssen», sagt Bauer.
Sexuelle Belästigungen machten derzeit zehn Prozent aus. Bauer mahnt: «Die Zahlen allein geben jedoch nur über die Anzahl Meldungen Auskunft und nicht darüber, was und wieviel tatsächlich passiert ist.» Umso wichtiger sei es, viel in Prävention und Vertrauensarbeit zu investieren. Andrea Bauer ist im Kontakt mit den Gruppierungen und Interessengruppen sowie universitären Einheiten. Zusammen arbeiten sie derzeit auf Hochtouren an einem Code of Conduct und Online-Schulungen.
«Immer mehr Führungspersonen wünschen sich solche Schulungen, da die gesellschaftliche Sensibilisierung im Bereich Integrationsverletzungen zu Unsicherheiten führt», sagt Bauer. Was tut sie, wenn Reglement und Schulungen einmal stehen? «Die Achtung und der Schutz der persönlichen Integrität ist nicht nur ein Ziel, sondern vor allem ein fortwährender Prozess. Diesen müssen wir dynamisch begleiten und unterstützen. Ich werde nie am Punkt sein, an dem ich sage: Jetzt läuft alles perfekt.»
«Ask me anything» mit Andrea Bauer
Haben Sie Fragen an Andrea Bauer? Am Montag, 23. März 2020, bietet die Leiterin der Koordinationsstelle für Persönliche Integrität ein «Ask me anything» in einer Story auf dem Instagram-Account der Universität Basel an.