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US-Künstlerin Lynn Hershman Leeson im Gespräch mit Naturwissenschaften

Im Dialog mit Chemikern, Biologinnen und Physikern: Die Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson, befragt von Ralf Stutzki, Leiter des Ethikprogramms am Nationalen Forschungsschwerpunkt Molecular Systems Engineering. (Bild: NCCR MSE)
Im Dialog mit Chemikern, Biologinnen und Physikern: Die Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson, befragt von Ralf Stutzki, Leiter des Ethikprogramms am Nationalen Forschungsschwerpunkt Molecular Systems Engineering. (Bild: NCCR MSE)

Die amerikanische Medienkünstlerin und Filmemacherin Lynn Hershman Leeson setzt sich seit Langem mit dem Verhältnis von technischen Innovationen und der menschlichen Identität auseinander. Für ihr neustes Projekt besuchte sie am vergangenen Freitag den Nationalen Forschungsschwerpunkt Molecular Systems Engineering (NCCR MSE) an der Universität Basel.

30. Oktober 2017

Im Dialog mit Chemikern, Biologinnen und Physikern: Die Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson, befragt von Ralf Stutzki, Leiter des Ethikprogramms am Nationalen Forschungsschwerpunkt Molecular Systems Engineering. (Bild: NCCR MSE)
Im Dialog mit Chemikern, Biologinnen und Physikern: Die Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson, befragt von Ralf Stutzki, Leiter des Ethikprogramms am Nationalen Forschungsschwerpunkt Molecular Systems Engineering. (Bild: NCCR MSE)

Unter dem Titel «Anti-bodies» wird Hershman Leeson während der Art Basel 2018 im Haus der elektronischen Künste Basel ihre aktuellen Arbeiten zeigen. Während ihres Aufenthalts in Basel war die 76-jährige Künstlerin auch beim NCCR MSE zu Gast. Auf dem Programm standen neben Laborbesuchen eine Diskussion und der Austausch mit Chemikern, Biologinnen und Physikern über die Inhalte und Forschungsziele des Nationalen Forschungsschwerpunkts. Erörtert wurde dabei vor allem die Rolle der Kunst als Bindeglied und Brücke zwischen den Wissenschaften und der Öffentlichkeit.

Diskussion über Kunst und Wissenschaft

An der Diskussion erläuterte Hershman Leeson ihre geplante Ausstellung in Basel. In sechs Räumen werden Arbeiten zum Thema Molekularbiologie in Form von Filmen, Fotos und Installationen zu sehen sein, darunter ein Video, das sie im Interview mit den Molekularbiologen Georg Church zeigt. Ihr Ziel sei, Kunst und Wissenschaft zu verschmelzen. Die beiden Disziplinen schliessen sich ihrer Meinung nach nicht aus, ganz im Gegenteil. Kein Wunder also, dass Hershman Leesons Arbeiten immer wieder auch in wissenschaftlichen Publikationen besprochen werden.

Kunst müsse eine Brücke bauen zwischen den Wissenschaft und dem Publikum, ist die Künstlerin überzeugt. «Der Zugang zu wissenschaftlichen Themen soll gerade auch über die Kunst stattfinden. Nicht nur in Ausstellungen oder Museen, sondern überall dort, wo die Bevölkerung ihre Freizeit verbringt.» So verstehe sie auch den Sinn ihrer Arbeit, meinte Hershman.

Mit künstlicher Intelligenz leben

«Können Computer eines Tages kreativ sein?» wollte ein Doktorand von Hershman wissen, und ihre Antwort lautete: «Sie sind es ja heute schon! Es wurden bereits Roboter programmiert, die Bilder malen können.» Sogleich folgte der Einwand, dass die Roboter doch eigens so gebaut und zum Malen programmiert wurden. «Doch mittlerweile haben Systeme mit künstlicher Intelligenz eigene Sprachen entwickelt, die wir nicht mehr verstehen.» Die Meldungen über dieses Phänomen lösen in der Bevölkerung nicht gerade Begeisterung aus.

Doch Hershman Leeson hält nicht viel von Horrorszenarien. Als Künstlerin, die sich ihr Lebenswerk mit der Wissenschaft und ihrem Einfluss auf die menschliche Identität auseinandergesetzt hat, sieht sie keinen Grund zur Panik, was Logarithmen angeht. In einem früheren Interview sagte sie denn auch, «dass wir mit den digitalen Identitäten Freundschaft schliessen sollen».

«Zerstörung der Erde stoppen»

Diskutiert wurde auch das Thema der Verantwortung von Wissenschaft und Kunst gegenüber der Gesellschaft. Die Aufgabe der Kunst sei es, auf die Probleme der Welt aufmerksam zu machen, darüber war man sich einig. Hershman Leeson sah die grosse Herausforderung aber bei der Wissenschaft, welche die Verantwortung habe, die Zerstörung der Erde zu stoppen: «Es müssen Lösungen gefunden werden, den Planeten zu erhalten.» Ob in den Hochschulen in den USA ebenfalls finanzielle Mittel für künstlerische Arbeiten zum Thema Wissenschaft gesprochen würden, wurde sie weiter gefragt: «Nein. Es gibt nichts, keinen Cent und auch keine sonstige Unterstützung. Aber für eine Künstlerin oder einen Künstler gibt es immer einen Weg.»

Der Besuch von Hershman Leeson fand auf Einladung des Ethikprojekts «Art of Molecule» am NCCR MSE statt. Dieses lädt regelmässig Künstlerinnen und Künstler verschiedener Genres ein, sich am Diskurs über die Ziele und die ethischen Herausforderungen des Molecular Systems Engineering zu beteiligen. Eine Zusammenfassung des Anlasses, der von einem Filmteam festgehalten wurde, wird auf der Website des NCCR MSE veröffentlicht.

Lynn Hershman Leeson

Die US-amerikanische Medienkünstlerin und Filmemacherin Lynn Hershman Leeson setzt sich seit mehr als vier Jahrzehnten mit dem Verhältnis von technischen Innovationen und der menschlichen Identität auseinander. Ihr Werkekatalog zeigt, dass sie bis heute auf der Höhe der Zeit facettenreich und provokant Kommunikations- und Interpretationsbrücken zwischen den Wissenschaften und Künsten schafft: Hershman Leesons virtuelles Alter Ego Roberta Breitmore, ein 1973 entstandener Klon der Künstlerin, zeugt ebenso von dieser Bandbreite wie ihre preisgekrönten Filme über «Verlust und Technologie», in denen Schauspielerinnen wie Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton mitspielen. 2014 widmete ihr das Zentrum für Kunst und Medien ZKM in Karlsruhe mit «Civic Radar» eine Retrospektive mit über 700 Exponaten.

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