Im Fokus: Alain Amstutz tanzt auf vielen Forschungshochzeiten
Alain Amstutz forscht in Lesotho an Gesundheitsprävention, verbessert in der Schweiz die klinische Forschung und findet daneben noch Zeit für seine Leidenschaft, die Musik. So strukturiert und gezielt er heute arbeitet, so planlos begann die Karriere des Epidemiologen und klinischen Forschers.
20. Juli 2023 | Catherine Weyer
«Ich habe soeben die Zusage für das Funding des Hair Salon Projekts erhalten – es geht los!» Der Mediziner Alain Amstutz klingt euphorisch – obwohl Coiffuresalons und HIV-Prophylaxe auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben. Auf den zweiten aber sehr wohl.
Amstutz arbeitet als Post Doc am Departement für Klinische Epidemiologie. Dort balanciert er zwischen zwei Forschungsschwerpunkten: Einerseits die Gesundheitsversorgung in Lesotho zu verbessern, andererseits klinische Studien in der Schweiz und Europa durchzuführen und deren Methodik zu optimieren.
Auch sein jüngstes Projekt passt in das Engagement von Amstutz: Er und seine Frau möchten in Lesotho Hair Salons als Begegnungspunkte nutzen. «Es sind Orte, wo sich junge Frauen lange aufhalten, um ihre Haare flechten zu lassen. Dabei sprechen sie über viele Themen, die sonst im Verborgenen bleiben, wie zum Beispiel häusliche Gewalt oder Sexualität.»
Weg aus der Schweiz nach Afrika
Dass der gebürtige St. Galler nach Lesotho kam, war mehr Zufall denn Planung: «Ich hatte bereits während des Medizinstudiums den Drang, weg zu kommen aus der Schweiz», erzählt er. Sein erstes Praktikum absolvierte er in Kapstadt, wo er erstmals mit HIV konfrontiert wurde. «Ich fand es beeindruckend, wie ein so kleines Virus solch grosse gesellschaftliche Auswirkungen haben kann.»
Kurz darauf lernte er am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut den Forschungsgruppenleiter Niklaus Labhardt kennen. Dieser war auf der Suche nach pragmatischen Lösungen, um die HIV-Behandlung in Lesotho zu verbessern und mittels klinischer Studien deren Nutzen zu untersuchen. Amstutz hatte dank entsprechender Forschungserfahrung während seines Medizinstudiums den Background für den Job. «Es hat mich hineingezogen. Am Ende war ich vier Jahre in Lesotho und habe dort auch meine Frau kennengelernt.»
Von HIV zu Bluthochdruck, Covid-19 und innovativen Studien
Mittlerweile lebt das Paar in der Schweiz, reist aber regelmässig in das Land im südlichen Afrika. Seinen Forschungsschwerpunkt in Lesotho hat Amstutz mittlerweile ausgeweitet: nebst HIV hin zu Bluthochdruck und Diabetes. «Wir wissen mittlerweile, wie wir es schaffen können, die HIV-Behandlung zu verbessern und zugänglicher zu machen. Diese Erkenntnisse wollen wir nun bei anderen Krankheiten anwenden», erklärt der Mediziner.
Amstutz forscht nebst seinen Projekten in Lesotho auch in Europa. Dabei interessieren ihn innovative Studiendesigns und Datenanalysen. «Es gibt viel Forschungsabfall, weil Studien schlecht und ineffizient geplant sind und zu oft abgebrochen werden. Im Team von Prof. Dr. Matthias Briel forsche ich zu Methoden, um randomisierte klinische Studien effizienter und innovativer zu planen, Daten aus diesen Studien zusammenzufassen und mit Daten aus observationellen Überwachungsstudien zu verbinden.»
Um solche Designs in der Praxis umzusetzen, plant Amstutz im September mit Partnern aus London ein Symposium, und kollaboriert mit der Schweizerischen HIV-Kohorte, also der grossen Überwachungsstudie für Menschen in der Schweiz, die mit HIV leben. Er ist auch Teil des EU-RESPONSE Konsortiums, das europaweit innovative Studien im Bereich von Infektionskrankheiten durchführt. Für das Konsortium hat er kürzlich eine grosse Datenanalyse zu einem Covid-19 Medikament durchgeführt und publiziert, um die Evidenz aus allen Studien weltweit zusammenzufassen.
Unvorhergesehene Karriere
So unterschiedlich diese Arbeitsbereiche auf den ersten Moment wirken, sind sie für Amstutz die perfekte Kombination: «Auf der einen Seite steht die Feldforschung, die sehr anwendungsfokussiert ist, und auf der anderen Seite die sehr strukturierte Methodikforschung und Datenanalyse. Das spiegelt wohl auch meinen Charakter wider», sagt er lachend.
Dabei wollte er eigentlich einen ganz anderen Weg einschlagen: «Ich wollte an der Jazzschule studieren und Musiker werden», erzählt er. Zwar spielt er noch immer leidenschaftlich gern Klavier, meldete sich aber statt fürs Musik- zum Medizinstudium an und landete in Basel. Auch diese Karriere verläuft nicht geradlinig. «Ich habe gemerkt, dass die klassische Krankenhauskarriere noch nichts für mich ist. Ich geniesse die akademische Freiheit und Kreativität, die mir in der Klinik fehlen würde», sagt Amstutz.
Als nächsten Schritt möchte er wieder etwas wissenschaftliche Luft ausserhalb der Schweiz schnuppern. «Ich möchte Erfahrungen sammeln, wie die Forschungsgruppen im Ausland funktionieren, zum Beispiel in Grossbritannien.» Auch ein Projekt in Norwegen ist im Gespräch. Langweilig wird ihm in nächster Zeit also sicher nicht. Für einmal hat er sogar ein bisschen vorgeplant: «Für die nächsten zwei bis vier Jahre habe ich einen Plan.» Und danach? «Solange ich Geld finde für meine Projekte und meine Karriere, mache ich weiter.»
Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel
Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.