Aggressivität der akuten myeloischen Leukämie entschlüsselt
Forschende des Departements Biomedizin der Universität Basel und des Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) haben entdeckt, warum akute Leukämien mit der gleichen genetischen Veränderung unterschiedlich aggressiv verlaufen. Sie zeigen, dass die krebsauslösende Veränderung besonders verheerend ist, wenn sie in frühen Blutstammzellen auftritt, in denen bestimmte Gene aktiv sind, welche die Zellwanderung und die Gewebeinvasion begünstigen. Diese Erkenntnisse erlauben es jetzt, Patienten klarer zu gruppieren, Therapien anzupassen, und für die Zukunft hoffentlich gezielte Therapien zu entwickeln.
24. Juni 2016
Die akute myeloische Leukämie (AML), ein Blutkrebs, wird durch verschiedene genetische Veränderungen in Blutvorläuferzellen ausgelöst. In der Folge kommt es zu einer massiven Vermehrung der myeloischen Vorläuferzellen, welche verschiedene weisse Blutkörperchen hervorbringen. Dadurch wird die normale Blutbildung im Knochenmark gestört und schliesslich ganz verdrängt. Die Krankheit kann mit einer Chemotherapie behandelt werden. Sie verläuft aber selbst bei der gleichen genetischen Veränderung oft unterschiedlich aggressiv. Warum gewisse Formen aggressiver sind als andere, war bis anhin nicht klar.
Prof. Jürg Schwaller von der Universität Basel (Departement Biomedizin) und vom Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), sowie Prof. Antoine Peters, Gruppenleiter am FMI, fanden jetzt mit ihren Forschungsteams heraus, dass es für die Aggressivität einer bestimmten AML-Form eine fundamentale Rolle spielt, in welchem Typ Vorläuferzelle die genetische Veränderung stattfindet. «Diese sogenannten MLL-Fusionsleukämien betreffen einerseits sehr junge Patienten aber auch Patienten über 60, die bereits eine Chemotherapie durchgemacht haben», erklärt Schwaller.
Die Forschenden zeigen in einer Mausstudie, dass die Prognose dieser Krankheit besonders schlecht ist, wenn die genetische Veränderung in den Blutstammzellen stattfindet. Diese Krebsformen sind besonders aggressiv, infiltrieren massiv andere Gewebe und sind resistent gegen die Chemotherapie.
Die Forschenden konnten dann zeigen, dass in diesen Blutstammzellen bestimmte Gene noch aktiv sind, die die Zellwanderung und die Gewebeinvasion begünstigen. In weiter entwickelten Vorläuferzellen waren diese Gene dann nicht mehr aktiv. «Als wir eines dieser Gene in den frühen Blutstammzellen gezielt abschalteten, war der Krankheitsverlauf viel milder», kommentierte Peters.
Interessanterweise konnten die Erkenntnisse aus der Maus auf den Menschen übertragen werden: In Patientenproben mit einem aggressiven Verlauf, waren genau dieselben Gene aktiviert. «Für den Verlauf der Krankheit ist es also ausschlaggebend in welcher Blutstamm- oder Vorläuferzelle die genetische Veränderung stattfindet, und was für Gene aktiv sind», erklärt Peters.
Ausserdem bieten sich die Gene als Biomarker an. «Die Aktivität dieser Gene, wie zum Beispiel EVI1, ERG, oder ZEB1, erlaubt uns jetzt, die Patienten in verschiedene Gruppen einzuteilen und Rückschlüsse auf den Verlauf der Krankheit zu ziehen, und gegebenenfalls die Therapie anzupassen», kommentiert Schwaller. «Diese Erkenntnis sollte es uns auch erlauben, für diese Patienten gezielter neue Therapien zu entwickeln.»
Das Projekt wurde unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds und zusätzlich vom SystemsX.ch-Programm «Cell Plasticity» unterstützt.
Originalbeitrag
Vaia Stavropoulou, Susanne Kaspar, Laurent Brault, Mathijs A. Sanders, Sabine Juge, Stefano Morettini, Alexandar Tzankov, Michelina Iacovino, I-Jun Lau, Thomas A. Milne, Hélène Royo, Michael Kyba, Peter J.M. Valk, Antoine H.F.M. Peters, Juerg Schwaller
MLL-AF9 Expression in Hematopoietic Stem Cells Drives a Highly Invasive AML Expressing EMT-Related Genes Linked to Poor Outcome
Cancer Cell (2016), doi: 10.1016/j.ccell.2016.05.011
Weitere Auskünfte
- Prof. Dr. Jürg Schwaller, Universität Basel/Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), Departement Biomedizin, Tel. +41 61 265 35 04, E-Mail: j.schwaller@unibas.ch
- Prof. Dr. Antoine Peters, Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research, Tel. +41 61 697 87 61, E-Mail: antoine.peters@fmi.ch