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Arno Schmidts «Abend mit Goldrand» neu entziffert und gedeutet

Komplex gebaut, vielschichtig lesbar: Ausschnitt aus Arno Schmidts Typoskript «Abend mit Goldrand».
Komplex gebaut, vielschichtig lesbar: Ausschnitt aus Arno Schmidts Typoskript «Abend mit Goldrand».

Einer der komplexesten und verschlossensten Texte der deutschen Literatur rückt dem Verstehen ein Stück näher: Studierende der Universität Basel unter der Leitung von Prof. Ralf Simon haben den letzten vollendeten Roman von Arno Schmidt, «Abend mit Goldrand», neu kommentiert und analysiert.

08. November 2016

Komplex gebaut, vielschichtig lesbar: Ausschnitt aus Arno Schmidts Typoskript «Abend mit Goldrand».
Komplex gebaut, vielschichtig lesbar: Ausschnitt aus Arno Schmidts Typoskript «Abend mit Goldrand».

Die Texte des deutschen Schriftstellers Arno Schmidt (1914–1979) gehören zu den originellsten, aber auch vielschichtigsten und am schwersten zugänglichen überhaupt. Über seine Werke, vergleichbar mit jenen des irischen Autors James Joyce, erscheinen noch immer zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten. Schmidts späte Romane seit dem voluminösen «Zettelʼs Traum» (1970) bestehen vor allem aus grossformatigen, mit Schreibmaschine geschriebenen Seiten, sogenannten Typoskripten. Darauf finden sich in mehreren Spalten Texte, Zitate, Anspielungen, die in komplexer Weise miteinander kombiniert werden, teilweise begleitet von Illustrationen.

Eben erschienen: Neuinterpretation von "Abend mit Goldrand".

«Am Rande der Lesbarkeit»

Das späte Werk «Abend mit Goldrand» (1975), eine «MärchenPosse für Gönner der VerschreibKunst», bezeichnet Ralf Simon, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel, als «labyrinthisches Textgebilde am Rande der Lesbarkeit». Erzählt werden drei Tage im Leben einiger Männer und Frauen, die in einem abgelegenen Haus leben und von einer Gruppe von Hippies besucht werden. Inhalt bilden in erster Linie die Gespräche der Protagonisten, die sich meist um Erinnerungen, Literatur und Sexualität drehen – und um vieles andere mehr.

Ein Team um Simon hat sich nun dieses letzte fertiggestellte Werk Schmidts in intensiver Gemeinschaftsarbeit vorgenommen. Unter der Bezeichnung «Lesarten» ist ein Band entstanden, der sowohl einzelne Textstellen entziffert und kommentiert wie auch neue Interpretationen und Einordnungen liefert. Beigetragen haben dazu die fortgeschrittenen Studierenden Sina Dell’Anno, Laura Catania, Achim Imboden, Philipp Rohrer, Alex Scalia, Iris Stalder und Jodok Trösch.

Reise nach Bargfeld

Mit einer solchen Kombination aus Entzifferung und Analyse betrete die Gruppe Neuland, sagt Simon. Die bisherige Schmidt-Forschung leiste nämlich entweder reine Dechiffrierarbeit oder deute die Werke im Hinblick auf eine bestimmte These. Neben den stundenlangen Debatten um «Abend mit Goldrand» unternahm das Team auch eine Reise zu Schmidts Wohnhaus in Bargfeld in der Lüneburger Heide, wo der Roman entstanden ist. Dort konnten die Studierenden nicht nur das Originaltyposkript, den Schreibtisch und die legendären Zettelkästen des Schriftstellers besichtigen – sie fanden prompt auch landschaftliche Situationen vor, die im Werk beschrieben werden.

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