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Bei ersten Anzeichen von Multipler Sklerose sofort mit Therapie beginnen

Wer Symptome von Taubheit, eingeschränktem Sehvermögen, Kraftminderung oder Gleichgewichtsstörungen verspürt, muss auf der Hut sein. Es könnte sich um erste Anzeichen einer beginnenden Multiplen Sklerose handeln. Bestätigt sich der Verdacht, kann eine frühe medikamentöse Therapie den Krankheitsverlauf langfristig günstig beeinflussen. Eine internationale Langzeitstudie unter Federführung von Forschenden der Universität und des Universitätsspitals Basel kommt zum Schluss, dass eine möglichst früh einsetzende Therapie den Ausbruch der Krankheit verzögern oder gar verhindern kann.

11. August 2016

Ab welchem Zeitpunkt macht es bei ersten Anzeichen von Multipler Sklerose (MS) Sinn, mit einer medikamentösen Therapie zu beginnen? Sobald erste Symptome wie Gleichgewichtsstörungen, Taubheit, Kraftminderung oder eingeschränktes Sehvermögen auftreten? Oder erst, wenn die Krankheit effektiv diagnostiziert wurde? Bisher lagen zur Klärung dieser Frage nur Studien mit Beobachtungszeiten von wenigen Jahren vor. Das ist bei einer Krankheit, die im Schnitt mehrere Jahrzehnte dauert, relativ kurz. Nun aber schafft eine internationale Langzeitstudie, bei welcher Forschende aus der MS-Forschungsgruppe der Universität und des Universitätsspitals Basel (USB) federführend waren, Klarheit über die langfristigen Auswirkungen eines frühen Behandlungsbeginns.

Studienleiter Prof. Ludwig Kappos, Chefarzt Neurologie des USB: «Unsere Studie bestärkt uns darin, Betroffenen bereits beim ersten Auftreten von hochverdächtigen MS-Symptomen dringend eine vorbeugende Therapie zu empfehlen. Ein früher Behandlungsbeginn hat gegenüber einer verzögerten Therapieeinleitung nachweisbare Vorteile, weil damit der Ausbruch von MS verzögert oder sogar verhindert werden kann.»

Frühe Therapie lohnt sich

An der Studie nahmen 468 Personen mit ersten verdächtigen MS-Symptomen teil. Bei ihnen war zwar noch keine definitive Diagnose einer MS gestellt, doch konnten andere Ursachen ausgeschlossen und im MRI mindestens zwei asymptomatische Herde nachgewiesen werden. Nach erfolgter Information und Einwilligung erhielten die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip innerhalb von maximal 60 Tagen ab Beginn der Symptome entweder das Medikament Interferon β-1b oder ein Placebo. Nach spätestens zwei Jahren oder früher, wenn bei den Betreffenden nach einem zweiten Schub MS diagnostiziert wurde, konnte die Placebo-Gruppe ebenfalls auf die Einnahme von Interferon β-1b oder eines vergleichbaren Medikaments umsteigen.

Elf Jahre nach dem Studienstart konnten die Forschenden 278 Studienteilnehmende ausführlich nachuntersuchen. Davon gehörten 167 Personen zur Gruppe mit früher Therapie und 111 Personen zur Gruppe mit verzögerter Therapie. Dabei zeigte sich, dass die Personen aus der Gruppe mit früher Therapie eine um 33 Prozent tiefere Wahrscheinlichkeit hatten, an MS zu erkranken als jene aus der Gruppe mit späterer Therapie. Ausserdem verstrich bei der frühen Gruppe deutlich mehr Zeit bis zum ersten Rückfall der Krankheit, nämlich 1‘888 Tage im Vergleich zu 931 Tagen bei der späteren Gruppe.

Die frühe Gruppe hatte über den gesamten Zeitraum von elf Jahren eine um 19 Prozent tiefere Häufigkeit von Krankheitsschüben, interessanterweise in der Regel auch in den Jahren, in denen beide Gruppen gleichen Zugang zur Therapie hatten. Insgesamt hatten beide Gruppen nach elf Jahren nur wenig dauerhafte Beeinträchtigungen. Die mediane Änderung im EDSS, einer zehnstufigen Behinderungsskala, betrug 0,5 Punkte, und nur rund acht Prozent der Teilnehmenden waren nach elf Jahren vorzeitig berentet.

Publikation in «Neurology»

Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Neurology» der American Academy of Neurology publiziert. An der Studie waren Spitäler und Universitäten aus zwanzig Ländern beteiligt; die Studie wurde von Bayer Healthcare Pharmaceuticals unterstützt.

Multiple Sklerose ist eine chronische entzündliche und degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem junge Erwachsene befällt und an der weltweit mehr als zwei Millionen Menschen erkrankt sind.

Originalbeitrag

Ludwig Kappos, Gilles Edan, Mark S. Freedman, Xavier Montalbán, Hans-Peter Hartung, Bernhard Hemmer, Edward J. Fox, Frederik Barkhof, Sven Schippling, Andrea Schulze, Dirk Pleimes, Christoph Pohl, Rupert Sandbrink, Gustavo Suarez, Eva-Maria Wicklein, for the BENEFIT Study Group
The 11-year long-term follow-up study from the randomized BENEFIT CIS trial
Neurology (2016), doi: 10.1212/WNL.0000000000003078


Weitere Auskünfte

Martin Jordan, Mediensprecher Universitätsspital Basel, Tel. +41 61 328 68 70, E-Mail: martin.jordan@usb.ch

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