Internationale Kollaboration testet Zuverlässigkeit von quantenmechanischen Simulationen
Zusammen mit Kollegen von über 30 anderen Hochschulen haben Wissenschaftler der Universität Basel die Zuverlässigkeit von quantenmechanischen Simulationsmethoden zur Berechnung von Materialeigenschaften getestet. Dabei untersuchten sie, inwiefern die Berechnungen unterschiedlicher Softwareprogramme übereinstimmen. Die Resultate zeigen: im Unterschied zu älteren Generationen liefern die neuesten Codes sehr genaue Ergebnisse. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift «Science» erschienen.
29. März 2016
Die Vielteilchen-Schrödingergleichung ist einer der Eckpfeiler der Physik, Chemie und Materialwissenschaften. Sie bildet das Fundament für fast alle praktischen Simulationen in der Quantenmechanik. Die Gleichung beschreibt das Verhalten von Elektronen und Atomen und erlaubt so die Berechnung der Eigenschaften eines Materials, also wie es sich beispielsweise unter Druck oder bei extremen Temperaturen verhält. Bis heute kann die Gleichung numerisch nicht exakt gelöst werden für Systeme mit mehr als zwei Elektronen. Computerprogramme berechnen Materialeigenschaften deshalb mittels einer Reihe von Näherungen.
Obwohl diese Näherungen allgemein gebräuchlich sind, kann die Art und Weise, in welcher diese in verschiedenen Codes eingesetzt werden, die Simulationsresultate beeinträchtigen. Diese Tatsache ist Grund zur Sorge in allen Forschungsbereichen, die stark von solchen Computersimulationen abhängig sind. Eine hohe Genauigkeit ist insbesondere wichtig in der sogenannten «Materials Discovery», ein Bereich in dem neue Materialien per Computer entdeckt werden. Es ist deshalb wichtig zu wissen, in welchem Ausmass die berechneten Materialeigenschaften von dem jeweils eingesetzten Code abhängen.
Kollaboration bringt Quantensimulations-Experten zusammen
Obwohl verlässliche Vorhersagen zu den Eigenschaften neuer Materialien sehr bedeutend für Forschung und Industrie sind, wurde die Reproduzierbarkeit von den dazu notwendigen quantenmechanischen Simulationen zuvor noch nie systematisch untersucht. Wissenschaftler der Universität Basel haben deshalb ihre Kräfte mit mehr als 60 anderen Kollegen gebündelt und so das Wissen von über 30 auf diesem Gebiet führenden Forschungsinstitutionen vereint. Die Forscher testeten mehrere Programme zur Berechnung der Auswirkungen von Druck in Kristallstrukturen. Die internationale Gruppe konnte nun zeigen, dass die Vorhersagen der neuesten und genausten Methoden vollumfänglich miteinander übereinstimmen. Bei älteren Methoden wichen die Resultate dagegen deutlich voneinander ab.
Basler Software setzt neue Standards
Die Forschungsgruppe von Professor Stefan Goedecker am Departement Physik der Universität Basel arbeitet seit Jahren an der Entwicklung von atomistischen Simulationsmethoden die auf der Schrödingergleichung basieren. Für die Studie schickten sie ihren sogenannten BigDFT Code ins Rennen. Im Gegensatz zu den anderen Codes beruht dieser auf der mathematischen Methode der sogenannten Wavelets. Die Tests zeigten, dass die neue Methode der Basler Physiker höchste Genauigkeit erreicht. «Die Studie zeigt, dass unser Programm sozusagen in der Champions League der Quanten-Simulationscodes mitspielt», zeigt sich Goedecker erfreut.
Durch den umfangreichen Datensatz setzt die Studie neue Qualitätsstandards, an der sich zukünftige Softwareentwicklungen messen müssen. «Ähnlich wie bei einem Crash-Test in der Autobranche legt diese Publikation einen Standard für Programme zur Simulation von Materialeigenschaften fest und wird die Entwicklung noch besserer Simulationssoftware weiter vorantreiben», so Goedecker.
Originalartikel
Kurt Lejaeghere et al.
Reproducibility in density functional theory calculations of solids
Science (2016), doi: 10.1126/science.aad3000
Weitere Informationen
Prof. Dr. Stefan Goedecker, Universität Basel, Departement Physik, Tel. +41 61 267 37 43, E-Mail: Stefan.Goedecker@unibas.ch